Kann Wulff den Skandal weglächeln?
Während sich die Gräben zwischen Wulff und der «Bild»-Zeitung vertiefen, versucht der deutsche Bundespräsident, die Affäre auszusitzen. Das könnte mithilfe der Medien sogar gelingen.

Christian Wulffs Medienanwalt Gernot Lehr hat heute Morgen erneut die Darstellung des «Bild»-Journalisten Nikolaus Blome zurückgewiesen, der deutsche Bundespräsident habe die Berichterstattung über seine Kreditaffäre verhindern wollen. Mit seinem Anruf beim Chefredaktor des Boulevardblatts «Bild», Kai Diekmann, habe er lediglich versucht, die Berichterstattung zu verschieben, wie Lehr dem Radiosender Deutschlandfunk mitteilte.
Wulff habe befürchtet, dass seine Mühen um Aufklärung zu wenig berücksichtigt würden und die Privatsphäre seiner Kreditgeberin Edith Geerkens belastet werde. Wulff wolle die Mailbox-Nachricht aber weiterhin nicht öffentlich machen. Blome hatte hingegen gestern in der TV-Talkshow «Günther Jauch» gesagt: «Es war ein Anruf, der ganz klar das Ziel hatte, diese Berichterstattung zu unterbinden.»
«Wie wir den Krieg führen»
Der «Spiegel» veröffentlicht in der aktuellen Printausgabe (online nicht verfügbar) Teile dieser brisanten Aufnahme, deren Abschrift dem Magazin vorliegt. So beginnt Wulff mit den Worten, er sei gerade «auf dem Weg zum Emir». Warum die Zeitung nicht akzeptieren könne, «wenn das Staatsoberhaupt im Ausland ist, zu warten, bis ich Dienstagabend wiederkomme, also morgen, und Mittwoch eine Besprechung zu machen, wo ich mit Herrn (...) den Redakteuren rede, wenn Sie möchten, die Dinge erörtere, und dann können wir entscheiden, wie wir die Dinge sehen, und dann können wir entscheiden, wie wir den Krieg führen».
Die zitierten Passagen zeigen, dass die Wortwahl Wulffs weit weniger aggressiv ist als im Vorfeld suggeriert. Jedoch wird nochmals deutlich, wie eng das Verhältnis von «Bild» und Wulff war. Es scheint, als habe Wulff tatsächlich angenommen, bei Diekmann handelte es sich um einen verlässlichen Freund. Das erklärt auch die Naivität des Politikers, eine solche Drohung auf einer Mailbox zu hinterlassen.
Warten, bis das Gewitter vorbeizieht
Für Wulff ist die Angelegenheit also noch lange nicht vorbei. Er jedoch scheint die Affäre aussitzen zu wollen. Laut «Bild am Sonntag» sagte Wulff seinen Mitarbeitern: Er sei optimistisch, «dass dieses Stahlgewitter bald vorbei ist». Ein Rücktritt käme nicht infrage.
Ob das überhaupt noch möglich ist, scheint zweifelhaft: Dass die Oppositionsparteien bereits öffentlich über einen Rücktritt Wulffs sprechen, scheint logisch. So bot die SPD der Bundeskanzlerin Angela Merkel im Fall eines Rücktritts von Wulff die Zusammenarbeit an. «Die SPD ist bereit, gemeinsam mit Union und FDP einen parteiübergreifenden Ersatzkandidaten zu finden», sagte Parteichef Sigmar Gabriel am Wochenende. Auch die Grünen signalisierten Kooperationsbereitschaft.
Schadenfreude in den eigenen Reihen
Laut «Spiegel» ist sein Rückhalt jedoch auch in der eigenen Partei nicht mehr allzu gross. Wulff sei ein Mann mit zwei Gesichtern, schreibt das Magazin. Er sei ein Mann, der im politischen Grabenkampf seine Ellbogen ausfahren könne. Aus diesem Grund gäbe es einige CDU-Politiker, die auf den Fall mit einer gewissen Schadenfreude reagierten. «Mit der scheibchenweisen Aufklärung des Sachverhalts hat sich Christian Wulff keinen Gefallen getan», sagte Marco Wanderwitz dem «Spiegel». Der CSU-Abgeordnete Georg Nüsslein beklagte, das Krisenmanagement sei «nicht professionell».
Öffentlich stehen die Spitzen der Koalition dennoch weiterhin zum Staatsoberhaupt. Berichte über einen angeblichen Plan B für den Fall eines Rücktritts dementierten sie vehement. Merkel sehe keine Veranlassung, «über eine Nachfolge für den Bundespräsidenten zu sprechen», sagte ihr Regierungssprecher Steffen Seibert der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung».
Treffen mit Parteispitzen
Morgen wird sich Christian Wulff nach Informationen des Fernsehsenders ZDF mit CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe bei Wulff treffen. Auch eine Verabredung mit Kanzleramtschef Ronald Pofall stehe auf dem Programm. Die Termine seien angeblich schon im Herbst vereinbart gewesen, hätten aber natürlich «grosse politische Relevanz».
Möglicherweise könnte Wulff mit seiner Aussitztechnik allen Unkenrufen zum Trotz jedoch tatsächlich Erfolg haben. Das könnte dann der Fall sein, wenn keine weiteren belastenden Details auftauchen, die Medien jedoch weiterhin die Geschichte weiterzudrehen versuchen. Dann könnte die Stimmung zu seinen Gunsten kippen.
Kritik an den Medien
Zwar fand am Samstag eine Demonstration vor dem Schloss Bellevue statt, bei der rund 400 Teilnehmer zusammenkamen. Doch äusserten sich bereits 57 Prozent der Befragten einer Umfrage des TV-Senders ARD, sie hätten den Eindruck, «die Medien wollen Wulff fertigmachen».
Auch der angesehene Politik-Journalist Heribert Prantl forderte in der «Süddeutschen Zeitung» Kritik «mit Mass». Es würden «Vorwürfe neu aufgewärmt und neu gewürzt», sogar «blühender Unsinn» fände Verbreitung wie der, dass Wulff sein Haus ohne notarielle Beurkundung gekauft habe. Mit ihrer Verbissenheit entziehe sich die Kritik ihrer Legitimität: Es sei «nicht die Aufgabe der Medien, einen Rücktritt zu erzwingen».
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