«Kafifahrer» Cancellara am Kwaremont
Im Leben Fabian Cancellaras dreht sich ein halbes Jahr nach dem Rücktritt noch immer sehr vieles ums Velo. An einem nach ihm benannten Volksrennen nahmen 3100 Pedaleure teil.
Am Sonntag rollen sie wieder. Wobei der Start zur Flandern-Rundfahrt nicht wie in den letzten neunzehn Jahren auf dem Marktplatz in Brügge, sondern in Antwerpen erfolgt und die berüchtigte Mauer von Geraardsbergen nach fünf Jahren Absenz wieder passiert werden muss.
An den 75 Kilometern des 260 Kilometer langen Klassikers mit Ziel in Oudenaarde wurde hingegen nichts verändert, im Favoritenkreis finden sich lauter bekannte Grössen. Ein Name jedoch fehlt – jener des dreifachen Gewinners Fabian Cancellara.
Der gleiche Fehler
Der Berner ist zwar nicht mehr mittendrin, aber sehr wohl dabei; er weilt als Botschafter in Belgien. Spätestens dann, wenn sich seine einstigen Konkurrenten am Oude Kwaremont alles abverlangen werden, wird er wieder dieses Kribbeln spüren. Wehmut sei noch nie aufgekommen, er bekunde keine Probleme mit dem Status des Ex-Profis und könne sich die Rennen in Ruhe anschauen, erwidert er auf die entsprechenden Fragen.
«Aber auf den letzten Kilometern kommen die Emotionen hoch. Weil ich genau weiss, wie es sich anfühlt, wenn es richtig losgeht. Weil ich weiss, was in den Köpfen der Beteiligten vorgeht.» So begann er Mailand–Sanremo erst zu verfolgen, als sich die Pedaleure bereits kurz vor Beginn der finalen Poggio-Steigung befanden. «Dann hat Sagan den gleichen Fehler gemacht wie ich. Er ist der Stärkste gewesen und hat trotzdem nicht gewonnen.»
Weltmeister Peter Sagan verliess sich auf seine Endschnelligkeit, leistete in der dreiköpfigen Spitzengruppe die ganze Führungsarbeit – und wurde auf den letzten Metern von Ex-Weltmeister Michal Kwiatkowski überholt. 2012 war Cancellara Vergleichbares widerfahren. Der Schweizer fuhr permanent im Wind, der Australier Simon Gerrans profitierte.
Cancellara sitzt immer noch häufig im Sattel.
Cancellara sitzt immer noch häufig im Sattel. Anderthalb bis zwei Stunden dauerten seine Einheiten, früher sei er in der Regel vier, fünf Stunden lang draussen gewesen. Manchmal trainiere er allein, hin und wieder mit Kollegen, hält er fest und bezeichnet sich schmunzelnd als «Kafifahrer». Velofahren war sein Business, Velofahren war seine Leidenschaft, wobei die Sätze auch in der Gegenwartsform geschrieben werden könnten.
Letzten Sonntag, im Rahmen des World-Tour-Rennens im belgischen Harelbeke, fand gleichenorts die erste Cancellara Classic statt. 3100 Hobbyfahrer schrieben sich für das Volksrennen ein; der Masse wegen musste gestaffelt gestartet werden. Am erwähnten «alten Kwaremont», einem 111 Meter hohen Hügel, der auf Pflastersteinen überquert wird, seien reichlich Zuschauer gestanden. «Die Leute wollen sehen, wie ich kämpfe. Weniger Training, mehr Gewicht – das passt schlecht zusammen.»
Das zentrale Thema
Die Agenda ist voll, die Spanne der Tätigkeiten gross. Der 36-Jährige steht in Diensten diverser Partner, die ihn bereits zu Aktivzeiten unterstützt haben, drehte beispielsweise einen Werbesport – gemeinsam mit Lewis Hamilton. Den dreifachen Formel-1-Weltmeister aus Grossbritannien bezeichnet der Doppelolympiasieger aus Ittigen als lockeren Typen.
«Ich kenne ihn schon eine Weile und bin beeindruckt, wie gut organisiert er ist.» Es ist kein Zufall, spricht er über dieses Thema; es ist in seinem neuen Leben omnipräsent. Früher nahmen ihm die Funktionäre des Trek-Teams vieles ab. Nun hat er jemanden angestellt, der ihn in administrativer Hinsicht unterstützt.
«Ich kenne Lewis Hamilton schon eine Weile und bin beeindruckt, wie gut organisiert er ist.»
«Das verschafft mir Luft», hält er fest. Cancellara steht vor dem Start eines eigenen Projekts, will aber noch nicht verraten, wie er seine zweite Karriere zu lancieren gedenkt. Klar ist: Es hat mit Radsport zu tun.
In der nächsten Woche beginnt er an der Fachhochschule in St. Gallen eine Sportmanagementausbildung – gut siebzehn Jahre nachdem er die Elektromonteurlehre abbrach, sich für die Spitzensportkarriere entschied. Beginnt der Kopf einmal zu rauchen, wird er sich aufs Rad setzen.
Auf dem Velo könne er die Batterien aufladen, wenn nötig aber auch runterfahren, lässt er verlauten. Und ergänzt, er vermisse nichts, selbst jetzt nicht, wo die Flandern-Rundfahrt bevorstehe, sein Lieblingsrennen. «Es ist gut so, wie es ist.»
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