Kältewelle: Jetzt auch noch weniger Gas
Die eisige Kälte fordert in Europa immer mehr Opfer, es gab bereits 120 Tote. In Vilnius sind über hundert Häuser von der Wärmeversorgung abgeschnitten. Obendrein drosselt Russland seine Gaslieferungen.
Vor allem im Osten Europas ist die Lage dramatisch. In der Ukraine erhöhte sich die Zahl der Erfrorenen um 20 auf 63, wie das Zivilschutzministerium mitteilte. Bei Temperaturen von stellenweise minus 30 Grad Celsius wurden in den vergangenen sechs Tagen mehr als 900 Menschen wegen Erfrierungen und Unterkühlungen in Spitäler gebracht. Die meisten Kälteopfer waren Obdachlose.
Auch in Polen lebten die meisten der inzwischen 29 Opfer auf der Strasse. Dort starben erneut neun Menschen bei Rekordtemperaturen von bis zu minus 32 Grad.
150 Gebäude ohne Heizung
Nach dem Bruch eines Hauptwasserrohres sind in der litauischen Hauptstadt Vilnius annähernd 150 Wohn- und Bürogebäude von der Wärmeversorgung abgeschnitten. Darunter sind auch das Parlament, die staatliche Steueraufsichtsbehörde und ein Gefängnis.
Temperaturen von minus 26 Grad hatten eine Hauptleitung bersten lassen. Der Schaden wird voraussichtlich erst am Freitag behoben sein, berichtete das Nachrichtenportal Delfi.
Die Behörden verteilten Heizlüfter und quartierten frierende Anwohner am Abend in Hotels um. In der Nacht auf Freitag wurden die bisher kältesten Temperaturen des Winters mit bis zu minus 30 Grad erwartet.
Obdachlose stark gefährdet
Die Kälte gefährde europaweit Tausende Obdachlose, warnte das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) in Genf. Die Organisation gab 140'000 Franken seines Notfallfonds frei, um den Opfern der Kälte zu helfen.
In Rumänien erfroren innert 24 Stunden acht Menschen. Damit stieg die Gesamtzahl der Todesopfer auf 22, wie das Gesundheitsministerium in Bukarest am Donnerstag mitteilte.
11'000 Menschen eingeschneit
In Serbien stieg die Zahl der Kältetoten auf mindestens sechs. Bis zu 11'000 Menschen sind von der Aussenwelt abgeschnitten. Die Dorfbewohner in abgelegenen Bergregionen seien wegen vereister und verschneiter Strassen nicht zu erreichen, sagte ein Sprecher der Bereitschaftspolizei.
In Italien behinderten Eis und Schnee den Verkehr im Norden des Landes stark. Zwei Züge mit insgesamt 280 Insassen, die von Mailand aus in den Süden fahren sollten, blieben fast die ganze Nacht über bei Forli in der Romagna stecken.
Flug- und Stromausfälle in Italien
Der Flughafen Mailand wird mit reduziertem Flugplan angeflogen. In der Emilia-Romagna und in der Toskana waren mehrere Strassen geschlossen, nachdem sich Lastwagen quergestellt hatten. In Mailand ist am Donnerstag ein Obdachloser erfroren. Damit stieg die Zahl der Kältetoten in Italien auf drei, wie die Behörden mitteilten. In der Toskana waren aufgrund des Winterwetters zudem mehr als 2000 Menschen von Stromausfällen betroffen, allein in der Stadt Siena waren 1500 Menschen ohne Strom. In vielen Gegenden im Zentrum und Norden des Landes lag dichter Schnee.
Die Lage sei «besonders kritisch», sagte der Chef des Zivilschutzes, Franco Gabrielli. Die Rettungskräfte seien in erhöhtem Alarmzustand, Helfer sollten Strassen und Schienen freiräumen. In der Hauptstadt Rom fiel der Schulunterricht aus. Dort wurden für die Nacht auf Samstag bis zu 15 Zentimeter Schnee erwartet.
Flüge in Instanbul gestrichen
Auch in der Türkei behindern die seit Tagen andauernden Schneefälle immer mehr den Verkehr und die Energieversorgung. Allein auf dem Atatürk-Flughafen in Istanbul seien am Vortag 180 Flüge ausgefallen, berichteten türkische Medien. In der Metropole sei fast ein halber Meter Schnee gefallen.
In Deutschland waren zwei Kältetote zu beklagen, unter ihnen ein Obdachloser. In Österreich erfror eine 83-jährige Frau, die auf einem Spaziergang stürzte und nicht mehr aufstehen konnte, wie die Sicherheitsdirektion Niederösterreich berichtete.
Verspätungen und Unfälle in der Schweiz
In der Schweiz gab es viele Autounfälle.Am Flughafen Zürich musste wegen Enteisungsarbeiten mit Verspätungen gerechnet werden.
Viele Baustellen waren wegen der Kälte nicht mehr in Betrieb. Der Höhepunkt der Kältewelle wird fürs Wochenende erwartet.
Sturz vom Dach
Insgesamt sind in Europa bisher mindestens 120 Menschen den sibirischen Temperaturen zum Opfer gefallen. Doch auch in Asien macht die Kälte den Menschen zu schaffen.
Japan etwa leidet seit Wochen unter dem kältesten Winter seit Jahren. Nach Behördenangaben starben bislang 59 Menschen - allein 43 von ihnen verunglückten tödlich beim Schneeräumen ihrer Dächer. In einigen Gegenden lag der Schnee über vier Meter hoch.
Russland liefert weniger Gas
Inmitten der heftigen Kältewelle hat Russland seine Gaslieferungen an Europa nach Angaben von Abnehmern drastisch verringert. In Österreich kämen derzeit 30 Prozent weniger Erdgas an als sonst, teilte der Energiekonzern OMV am Donnerstag mit.
Italien warf Russland nach Angaben der Agentur Interfax vor, 20 Prozent weniger Gas geliefert zu haben. Ähnliche Anschuldigungen kamen auch aus Ungarn und Polen, wie die Moskauer Wirtschaftszeitung «Wedomosti» am Donnerstag schrieb. Slowakische Medien berichteten von einer Kürzung von 30 Prozent.
Indirekter Vorwurf an die Ukraine
Der russische Staatskonzern Gasprom zeigte sich überrascht und wies die Anschuldigungen zurück. Man habe die Lieferungen im Gegenteil erhöht, sagte Gazprom-Vize Alexander Medwedew nach Konzernangaben.
Indirekt warf Medwedew dem Transitland Ukraine vor, wie in der Vergangenheit illegal Gas für den Eigenbedarf abzuzapfen. Der ukrainische Energieversorger Naftogas beteuerte hingegen, alle Transitverträge zu erfüllen.
Die Ex-Sowjetrepublik ist das wichtigste Transitland für russisches Gas in die EU. Die Ukraine hat wegen des strengen Winters derzeit einen Rekordverbrauch.
Schlechte Nachrichten von Phil
Wenn es nach Punxsatawney Murmeltier Phil geht, wird es noch nicht so bald besser: Der Schatten des kleinen Nagers in Punxsutawney im US- Bundesstaat Pennsylvania wies am Donnerstag auf sechs Wochen mehr Winter hin.
Denn wie jedes Jahr am 2. Februar, dem traditionellen Groundhog Day (Murmeltiertag), diente das Pelztier als Wetterfrosch. Nachdem Phil im vergangenen Jahr ein baldiges Winterende prophezeit hatte, verkündete er jetzt, dass der Frühling noch eine Weile auf sich warten lassen wird.
Der Groundhog Day geht zurück auf deutsche Siedler. Die Einwanderer glaubten, dass ein aus dem Winterschlaf erwachendes Murmeltier an Maria Lichtmess, exakt 40 Tage nach Weihnachten, das Wetter vorhersage.
sda/AFP/dapd/kpn/kle
Fehler gefunden?Jetzt melden.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch