(K)ein glasklarer Fall
Auch ohne wasserdichte Beweise verurteilte das Regionalgericht einen jungen Mann wegen Sachbeschädigung. Er hatte das Schaufenster eines Blumenladens demoliert.

Vor Aebi's Blumenparadies in Langenthal entdeckte der Hausmeister eines Sonntagmorgens im November 2016 umgekippte Töpfe. Weiter bemerkte er, dass die Scheibe des doppelverglasten Schaufensters demoliert war. Vor dem Laden lagen Reste eines Trinkglases.
Darauf sicherte die Polizei eine DNA-Spur. Sie gehörte einem 21-jährigen Langenthaler. Und war identisch mit dem genetischen Fingerabdruck, den der junge Mann drei Jahre zuvor auf einer Flasche hinterlassen hatte, die in eine Leuchttafel vor dem Verwaltungsgebäude geflogen war.
Jene Tat stritt der Mann während des Strafverfahrens ab. Inoffiziell liess er gegenüber den Ermittlungsbehörden später durchblicken, der Flaschenwerfer gewesen zu sein.
«Bemerkenswert einfach»
Wegen der Sachbeschädigung an Aebi's Blumenparadies verknurrte die Staatsanwaltschaft den 21-jährigen Hilfsarbeiter zu einer bedingten Geldstrafe von 30 Tagessätzen à 60 Franken und wegen Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz zu einer Busse von 100 Franken.
Daraufhin engagierte der Mann, dessen Lohn gepfändet wird, eine Verteidigerin und zog den Fall weiter ans Regionalgericht Emmental-Oberaargau. Dort kritisierte seine Anwältin die Arbeit der Ermittler. Diese hätten es sich bei der Tätersuche im Fall «Blumenparadies» bemerkenswert einfach gemacht, sagte die Fürsprecherin.
Angesichts des «nicht ungetrübten» Vorlebens ihres Klienten sei für die Polizei sehr bald festgestanden, dass als Täter ihr Mandant infrage komme. Auf dem Glas habe jedoch nicht nur der Beschuldigte einen DNA-Abdruck hinterlassen, sondern auch eine zweite Person.
Von entsprechenden Recherchen hätten die Polizei und die Staatsanwaltschaft unerklärlicherweise abgesehen. Wieso das Glas vor dem Laden lag, sei ebenso ungeklärt wie die Frage, ob das Schaufenster wirklich damit eingeworfen worden sei.
«Seltsam ist, dass die Ermittler darauf verzichteten, am Tatort Fotos zu machen.»
Auf die Idee, dass der Schaden ebenso gut mit einem Stein hätte verursacht werden können, sei die Polizei nicht gekommen. Seltsam sei ferner, dass die Ermittler darauf verzichtet hätten, am Tatort Fotos zu machen.
«In dubio pro reo»
Dass ihr Schützling das Glas in die Scheibe geschmissen habe, lasse sich durch nichts belegen. Deshalb sei er vom Vorwurf der Sachbeschädigung nach dem Grundsatz «In dubio pro reo» freizusprechen. Die Busse wegen des Kiffens akzeptiere er.
Der Beschuldigte selber sagte gegenüber Einzelrichter Roger Zuber, er sei am fraglichen Wochenende erst mit Kollegen an einem Konzert und dann zu Hause gewesen. In den Ausgang sei er nicht gegangen, weil ihm dafür das Geld gefehlt habe.
Wie das Glas mit seiner DNA an den Tatort gekommen sein könnte, sei ihm ein Rätsel, so der Angeklagte. Er halte sich nie in der Nähe dieses Ladens auf, und wenn er einmal etwas trinken gehe, dann in einem der Lokale am Wuhrplatz.
«Wer, wenn nicht Sie?»
Roger Zuber verurteilte den Beschuldigten zu einer Geldstrafe von 3200 Franken und einer Busse von 100 Franken. Ein hundertprozentiger Beweis für seine Täterschaft fehle tatsächlich, räumte der Gerichtspräsident ein.
Doch angesichts der DNA-Spur, nach einem Blick in die Vorakten und aus rein logischen Erwägungen sei er von der Schuld des Oberaargauers überzeugt, fügte er an.
Denn: «Wer hätte ein Glas, das Sie an diesem Abend in der Hand gehalten haben müssen, aus einem Restaurant vor den Blumenladen bringen sollen – wenn nicht Sie?»
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch