Rehkitzrettung in der RegionJunge Menschen retten junge Tiere
Jennifer vom Pfeffer-Team berichtet von ihrem Einsatz als Rehkitz-Retterin, wo modernste Technologie und menschliches Feingefühl gefragt sind.

Es ist 3.30 Uhr. Mein Wecker klingelt, ich stehe auf, ziehe mich an und gehe mit auf die Rehkitzsuche. Um 4 Uhr treffen wir einen Hegechef und zwei weitere Helfer. Wir gehen dann gemeinsam zu den Feldern. Die Felder wurden am Vorabend schon «verblendet». Das heisst, die Felder werden mit kleinen weissen Fahnen abgesteckt. Mit dieser Massnahme wird bei den Wildtieren Unruhe ausgelöst, sodass die Rehe ihre Rehkitze aus den potenziell gefährlichen Feldern holen und umplatzieren.
Sobald wir vor Ort ankommen, macht der Drohnenpilot seine Drohne bereit. Er prüft, ob diese korrekt funktioniert, und startet, wenn alles in Ordnung ist, seine Drohne. In dieser Zeit bauen wir anderen den Bildschirm auf. Auf diesem sehen wir dasselbe Bild, wie der Drohnenpilot auf seinem Controller sieht.

Der Bildschirm ist zweigeteilt, auf der einen Hälfte wird das Bild der normalen Kamera angezeigt – wobei dieses Bild morgens um 4 Uhr einfach schwarz ist. Auf der anderen Hälfte wird das Bild der Wärmebildkamera dargestellt. Das ist nur möglich, weil die Drohne zwei Kameras hat. Eine normale Kamera und eine Wärmebildkamera. Mit dieser sind schon feinste Temperaturunterschiede erkennbar, beispielsweise als der Pilot startet und über uns und unsere Autos fliegt, sind wir und die Autos – vor allem der Motorbereich – deutlich als hell leuchtende gelbe Silhouetten zu erkennen.
Riskanter Flug im Dunkeln
Allerdings ist es ein grosses Risiko, um diese Zeit zu fliegen, weil man in der Dunkelheit mögliche Hindernisse nicht sehen kann. Deshalb geht der Drohnenpilot meist schon am Vorabend, während die Hegechefs und die Helfer das Feld «verblenden», das Feld und die Umgebung anschauen. Er prüft, ob es am Feldrand beispielsweise grosse Bäume, Hochspannungsleitungen oder sonstige Hindernisse gibt.
Ausserdem liegen in der Region Thun die Allmend, der Waffenplatz vom Militär und der Flugplatz. Sind Felder in diesem Gebiet zu prüfen, sind Absprachen mit dem Flugplatz und dem Militär erforderlich. Die Drohnenpiloten sind von der Rehkitzrettung Schweiz geschult und verfügen über die erforderliche Erfahrung und die Kenntnisse, um bei Nacht und in Sperrgebieten wie Militärgebiet, Flugplatz sowie Vogel- und Naturschutzgebieten zu fliegen.

Der Pilot fliegt mit seiner Drohne ein- oder mehrmals über das Feld, während wir warten und den Monitor beobachten. Plötzlich ist im Feld ein heller gelber Fleck zu erkennen. Ein Rehkitz? Die Drohne schwebt über dem Punkt, während wir uns zu zweit mit einer Holzharasse und weiterem Material auf den Weg zu diesem Punkt machen. Je näher wir dem Punkt kommen, desto vorsichtiger und langsamer machen wir jeden Schritt, damit wir nicht versehentlich auf das Rehkitz stehen.
Um das Rehkitz herum ist das Gras meist flach auf den Boden gedrückt. Es sieht fast ein wenig aus wie ein Nest. Das Rehkitz liegt dann meist zusammengekauert am Boden, verdeckt vom hohen Grass, sodass man es fast nicht sieht. Die jungen Rehkitze rennen nicht weg, wenn Gefahr droht, sondern ducken sich. Damit der Bauer das Rehkitz beim Mähen des Feldes nicht verletzt oder gar tötet, legen wir eine Holzkiste darüber, um es zu markieren und zu schützen. Wir fixieren die Kiste am Boden und Kennzeichnen sie mit «Flaggen». Der Bauer weiss dann, dass dort das Rehkitz liegt, und lässt beim Mähen diesen Punkt und etwas Gras ringsherum stehen.

Die Rehkitzrettung ist mit den Drohnen um einiges vereinfacht worden. Ausserdem ist sie viel effizienter als früher ohne Drohne. Damals bildete man eine Menschenkette und suchte das Feld so ab. Die Felder werden idealerweise morgens zwischen 4 und 8 Uhr abgeflogen. In dieser Zeit ist es noch kühl und die Temperaturunterschiede von der Umgebung zu einem Rehkitz mit seiner Körpertemperatur von rund 20 Grad sind dann am deutlichsten zu erkennen. Tagsüber sind Rehkitze mit der Wärmebildkamera je nach Temperatur kaum oder gar nicht mehr erkennbar, weil es einfach zu warm ist.
Die Drohnentechnologie ist jedoch nicht günstig. Eine Anschaffung einer dieser mit Wärmebildkamera ausgerüsteten Spezialdrohnen kostet rund 10’000 Franken. Weil das Zeitfenster für die Rehkitzsuche kurz ist, werden in der Region Thun mehrere solche Drohnen benötigt, um alle Felder abfliegen zu können.
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