Neuer Trend #QuitTokJunge Menschen filmen sich beim Kündigen
Auf der Social-Media-Plattform Tiktok gehen immer mehr Kündigungsvideos viral. Was dahintersteckt.

«Ich kanns nicht sagen, ich weiss nicht, wie ichs sagen soll», beginnt eine sichtlich nervöse Darby Maloney und hält eine Hand vors Gesicht. Die 27-Jährige hat auf der Social-Media-Plattform Tiktok ein Video ihrer Kündigung per Videocall hochgeladen. Die Antworten ihrer Chefin hört man im Hintergrund, sie zeigt Verständnis und reagiert positiv, Maloney hält dabei die Tränen zurück. Das Video wurde bereits über 11,6 Millionen Mal angeschaut.
Maloney ist bei weitem nicht die einzige Tiktokerin mit einem Kündigungsvideo. Auf der Plattform macht sich gemäss einem Bericht auf dem Medienportal «Insider.com» ein neuer Trend bemerkbar: Immer mehr Leute filmen sich während ihrer Kündigung und teilen das Video mit ihren Followern. Die Beiträge laufen unter dem Hashtag QuitTok: ein Wortspiel mit dem englischen Verb «quit» für kündigen – und Tiktok. Laut Tiktokern wie Maloney zeigen die Videos Kündigungen, die oft emotional und angespannt seien, in einem positiven Licht.
Für viele ist Kündigen emotional
Unter dem Beitrag teilen andere User ihre Erfahrungen, wie schwer der Schritt auch für sie war – und loben Maloney. «Wieso ist Kündigen so emotional – als ich meinen letzten Job gekündigt habe, hatte ich Tränen in den Augen», schreibt eine Userin. Eine andere kommentiert: «Ich heulte eine Woche lang nach meiner Kündigung.» Eine andere Tiktokerin schreibt: «Bin so stolz auf dich.»
In der Kommentarspalte zum Video wird ausserdem die Reaktion von Maloneys Vorgesetzten gefeiert: «Die Unterstützung dieser Chefin ist toll!», schreibt eine Userin namens Nicole. «Diese Chefin klingt grossartig! Meine hat mich bei meiner Kündigung zwei Stunden lang in ihrem Büro angeschrien. Alle meine Kolleginnen und Kollegen haben es gehört», kommentiert Userin Manda.
Maloney sagt zu «Insider», in ihrem Job in der Fintechbranche sei sie zwar glücklich gewesen, sie sei jedoch von einem Start-up angefragt worden, bei welchem sie mehr Wachstumsmöglichkeiten habe. Das Video habe sie erst an ihrem letzten Arbeitstag auf Tiktok gestellt – und ihr Team vorher persönlich über den Entscheid informiert. «Ich hab mich gefilmt, weil ich es nochmals ansehen wollte, da ich so nervös war», erklärt Maloney. «Mir war klar, dass meine Chefin unterstützend reagieren wird, ich wusste einfach nicht, wie ich es sagen sollte.»
Eine weitere Tiktokerin mit einem Kündigungsvideo ist Leslie Beck. Der Beitrag zeigt die 26-Jährige, wie sie in die Kamera spricht und erklärt, dass sie in einem Routine-Meeting mit ihrem Chef gleich kündigen werde. Danach wird ihre Unterhaltung mit ihrem Chef gezeigt, der auf die Nachricht äusserst offen und unterstützend reagiert.
Gegenüber «Insider» sagt Beck, dass es wichtig sei, zu sehen, wie Führungspersonen in solchen Situationen positiv reagieren. «Ich denke, dass solche Videos den Menschen Hoffnung geben – egal, ob es um eine Kündigung, ein Gespräch für eine Lohnerhöhung oder einfach um die Kommunikation von Anliegen geht.»
Inspiration und Positivität
Laut Beck hat sie das Video hochgeladen, weil sie in einem früheren Beitrag erwähnte, dass ihr der Job, wie bei Maloney in der Fintechbranche, keinen Spass mehr machen würde. «Zuerst war ich mir unsicher, ob ich die richtige Entscheidung getroffen habe – schliesslich hatte ich immerhin ein Einkommen und war versichert. Aber ich war überlastet und unterbezahlt.» Sie habe bereits etwas Neues in Aussicht.
Auch unter ihrem Video reihen sich positive Kommentare. Die Beliebtheit dieser Tiktok-Videos führt Beck nicht nur darauf zurück, dass sie Leute inspirieren, zu kündigen, sondern dass sie Menschen am Start ihrer Laufbahn vor Augen führen, dass diese schwierigen Gespräche gut ankommen können. «Wir leben in einer so grausamen Gesellschaft, in der Negativität stets zum Greifen nah ist», sagt Beck. «Wenn man sieht, dass jemand eine positive Einstellung zu seinem Arbeitgeber hat, dann gibt das Hoffnung, dass nicht alle so grausam sind.»
Wieso ist Kündigen so schwierig?
Bei der emotionalen Intensität der Videos stellt sich die Frage: Ist Kündigen so schwierig? Und wenn ja, wieso? Die deutsche Arbeitspsychologin Ivon Ames sieht dafür mehrere Gründe. «Die Entscheidung wurde zwar schon vorher getroffen, aber einmal ausgesprochen, ist es schwierig, diesen aktiven Schritt zurückzugehen», so die Expertin zur «Wirtschaftswoche».
Ausserdem spiele die Beziehung zur Chefin oder zum Chef eine wichtige Rolle. Sei diese positiv und offen verlaufen, könne es Angst machen, etwas Negatives zu verkünden. Bei einer negativen und konfliktreichen Beziehung erwarte man jedoch auch ein negatives Gespräch. «Der Mensch tendiert dazu, negative Emotionen zu vermeiden, so steigt die Anspannung vorher», erklärt Ames.
Jüngere öfter bereit zu Wechsel
Zusätzlich identifizierten sich viele mit dem Unternehmen, und bei einer Kündigung löse man dann diese Bindung wieder auf. Das sei auch der Grund, weshalb eine Kündigung mit der Zeit zunehmend schwerfalle. Bei der Generation Z und den Millennials sieht Ames jedoch eine höhere Willigkeit zum Wechsel. Jüngere Arbeitnehmer achteten so mehr auf die Arbeitsbedingungen und träfen subjektive, bewusst herbeigeführte Entscheidungen. Der derzeitige Fachkräftemangel komme dieser Willigkeit entgegen.
Die Psychologin rät, vor dem Gespräch die Situation rational zu betrachten und sich noch mal zu überlegen: «Wieso habe ich die Entscheidung getroffen? Was möchte ich im Gespräch unbedingt loswerden?» Bei einer negativen Reaktion des Gegenübers sollte man ruhig und neutral bleiben – und das Gespräch im Ernstfall vorzeitig beenden. Ames gibt zu bedenken, dass auch für die Führungskraft so ein Gespräch nicht leicht sei, da man eine Lücke hinterlasse.
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