Coronavirus-AusbruchMehr Tests im Tessin, Infokampagne an der Grenze
Nach dem Coronavirus-Ausbruch in Italien hat Innenminister Alain Berset Auskunft gegeben über die Lage in der Schweiz.
Das Wichtigste in Kürze:
- Das Coronavirus breitet sich in Europa und insbesondere Italien aus.
- In Norditalien wurden mehrere Ortschaften abgeschottet. Sechs ältere Menschen starben im Zusammenhang mit dem neuartigen Virus.
- In der Schweiz gibt es bislang keine Fälle, in den Grenzkantonen beobachtet man die Lage in Italien mit Sorge.
- Das Innenministerium setzt auf eine Informationskampagne und verstärkt die Tests, die bei Verdachtspersonen gemacht werden.
- BAG-Coronavirus-Hotline: 058 463 00 00.
In der Schweiz ist weiterhin kein Fall von Ansteckung des neuartigen Coronavirus bestätigt. Das gab Gesundheitsminister Alain Berset am Montag vor den Medien bekannt. Dennoch wurden zusätzliche Massnahmen beschlossen.
Nach der rasanten Ausbreitung des Coronavirus in Italien beschloss der Bund zusätzliche Tests und eine verstärkte Information der Bevölkerung. Das Ziel der vorbeugenden Massnahmen ist es, mögliche Verdachtsfälle rasch zu isolieren. In der Schweiz wurden bisher rund 300 Corona-Verdachtsfälle abgeklärt – alle ergaben einen negativen Befund.
Bund und Kantone seien darauf vorbereitet, falls das Virus auch bei Personen in der Schweiz nachgewiesen werde, sagte Berset. «Die Koordination zwischen dem Bund und den Kantonen läuft gut.» Er sei auch laufend in Kontakt mit den italienischen und anderen ausländischen Behörden.
«Wir verfolgen die Situation Stunde für Stunde», sagte Berset. Die Schweiz sei «in erhöhter Bereitschaft». In Italien nehmen die Coronavirus-Fälle seit dem Wochenende rasch zu. Damit erhöhe sich das Risiko für die Schweiz, sagte Berset.
Tests direkt im Tessin
Die zuständige Taskforce habe deshalb am Montagvormittag zusätzliche Massnahmen beschlossen. So würden die Tests bei Personen mit grippeähnlichen Symptomen in der Schweiz intensiviert. «Ab Dienstag sollen Tests direkt im Tessin möglich sein», sagte Berset.
Weiter werde die Hotline (058 463 00 00) in allen Landessprachen verstärkt und eine Informationskampagne für Einreisende und Pendler an den Grenzen sowie an den Flughäfen gestartet. Zudem soll das Personal des öffentlichen Verkehrs und der Grenzwacht besonders instruiert werden.
Eine zweite Informationskampagne über die persönlichen Schutzmassnahmen richte sich an die breite Bevölkerung. «Am wichtigsten sind Hygienemassnahmen wie Hände waschen», sagte Pascal Strupler, Direktor des Bundesamtes für Gesundheit (BAG).
Mehr Hotline-Anrufe
Durch die Massnahmen soll eine Erkrankungswelle in der Schweiz möglichst verhindert oder hinausgezögert werden. Am Montagnachmittag trifft sich zudem der Bundesstab Bevölkerungsschutz, um die Lage zu analysieren und weitere mögliche Massnahmen zu besprechen. Das passiert seit Wochen regelmässig.
Strupler vom BAG hielt fest, dass erst Gegenmassnahmen gegen eine Epidemie getroffen würden, falls es eine Epidemie in der Schweiz gäbe. Das sei bislang nicht der Fall.
Trotzdem verstehe er, dass die Bevölkerung - insbesondere im Tessin - «verunsichert und verängstigt» sei. Die Anrufe auf die bundeseigene Corona-Hotline hätten in den vergangenen Tagen zugenommen. Am Sonntag seien 270 Anrufe registriert worden.
Autosalon und Grippe
Grossveranstaltungen wie der Autosalon Genf werden derzeit nicht vom Bund abgesagt, erklärte Berset. Veranstalter können das von sich aus tun, wenn sie das für notwendig befinden, sagte der Innenminister. Da es momentan aber keine Fälle in der Schweiz gebe, sei die Situation damit angemessen.
Die Sterblichkeit des Coronavirus ist mit derjenigen der saisonalen Grippe vergleichbar, sagte Daniel Koch, der Leiter der Abteilung übertragbare Krankheiten des BAG. Die aktuellen Berechnungen hätten einen grossen Unsicherheitsfaktor. Erst am Schluss der epidemischen Welle könne man diese Sterblichkeitsrate richtig berechnen.
Bundesrat Alain Berset beendet die Fragerunde. Im Schlusswort sagt er, dass der Bund die Lage rund um die Uhr überwache und der Schutz der Schweizer Bevölkerung das oberste Ziel sei. Sobald sich etwas Neues ergebe, werde man wieder informieren.
Wie sieht es mit der Sterblichkeit des Coronavirus gegenüber der saisonalen Grippe aus, wird Daniel Koch gefragt. Er sagt, dass die aktuellen Berechnungen einen grossen Unsicherheitsfaktor haben. Erst am Schluss der epidemischen Welle könne man diese Sterblichkeitsrate richtig berechnen. Momentan sehe es so aus, als hätte das Coronavirus in etwa dieselbe Sterblichkeitsrate wie die normale Grippe.
Daniel Koch erinnert daran, dass das Virus bei nahem Kontakt übertragen werde, also näher als 2 Meter und nur von Menschen, die Kontakt mit einem Erkrankten hatten. Es müsse nicht unbedingt Symptome bei der anderen Person geben. Wenn man einen Infizierten finde, dann suche man alle Personen, die mit ihm Kontakt hatten. Dabei stosse man auf Personen, die sich vor 3 Tagen angesteckt haben, aber auch auf solche, die sich vor einer Woche infiziert hatten. So könne es vorkommen, dass die Anzahl der Fälle an einem Tag sprunghaft ansteige, das bedeute aber nicht, dass sich diese Personen alle an diesem Tag angesteckt hätten.
Nach den Informationen der Experten eröffnet Bundesrat Berset die Fragerunde.
Auf die Frage nach Quarantäneplätzen in den Spitälern sagt Daniel Koch, dass die Spitäler in den Kantonen vorbereitet seien, genaue Zahlen gebe es aber nicht.
Könnte es Quarantänen von Ortschaften geben wie in Italien? Das könnte nur durch den Bundesrat beschlossen werden, sagt Pascal Strupler. Das wäre erst der Fall, wenn ein Ausbruch völlig ausser Kontrolle wäre und die Behörden nicht mehr wüssten, wie es zu Ansteckungen gekommen sei.
Sagt der Bund Grossveranstaltungen ab? Man sei nicht so weit, sagt Berset. Veranstalter können das von sich aus tun, wenn sie das für notwendig befinden. Berset denkt dabei etwa an den Autosalon in Genf. Momentan gebe es keine Fälle in der Schweiz, die Situation sei damit angemessen. Es könnte so weit kommen, dass der Bund eingreifen müsse, in dieser Situation sei man aber wirklich noch überhaupt nicht. Viele Veranstaltungen liegen zudem in der Verantwortung der Kantone, ergänzt Strupler.
Die neuen Massnahmen, die an der italienischen Grenze durchgeführt werden, seien auch in Graubünden und dem Wallis geplant, bestätigt Daniel Koch auf Frage eines Bündner Journalisten.
Wann werden die Informationskampagnen umgesetzt? Daniel Koch sagt, dass es noch ein paar Tage dauert, bis alles gedruckt sei. Man arbeite mit Vollgas daran. Man instruiere die Behörden an der Grenze, wie diese ihr Personal schulen sollen.
Müssen Grenzwächter nun kranke Personen erkennen und testen? Berset sagt, dass dies zu den Massnahmen gehöre, die nun geprüft werden, man sei auch in Kontakt mit den SBB, um diese Fragen anzuschauen.
Werden Bürger aus Südkorea oder dem Iran evakuiert, Länder, die ebenfalls vom Coronavirus betroffen sind? Hans-Peter Lenz sagt, dass es dazu noch keine Anfragen von Schweizer Bürgern gegeben habe.
Der Chef des Krisenmanagementzentrums berichtet über die Schweizer im Ausland. Das EDA habe keine Informationen über Schweizer in Italien, die betroffen wären. Auch die Bundesvertreter seien nicht betroffen. Die Hauptsorge der Schweizer in Italien sei, ob die Grenze zur Schweiz offen bleibe oder nicht. Die Helpline des BAG (058 463 00 00) erhalte auch Anfragen von besorgten Bürgern in Italien, am Sonntag seien rund 270 Anrufe eingetroffen.
Der Leiter der Abteilung übertragbare Krankheiten des BAG informiert über die Coronavirus-Lage weltweit. Die allermeisten Fälle befänden sich immer noch in China, sagt Koch. Die Situation sei auch in Südkorea beängstigend geworden, in Europa sei mittlerweile die Lage in Italien besorgniserregend, mit 224 Fällen und fünf Todesopfern. Deshalb seien jetzt in der Schweiz die Hygienemassnahmen sehr wichtig. Für weitere Massnahmen sei es zu früh, aber es sei nun wichtig, oft die Hände gründlich zu waschen, in den Ellenbogen zu niesen und weitere Hygienevorschriften zu beachten.
Die Labors seien bereit, man könne genügend Tests durchführen. Versteckte Ausbrüche sollte es deshalb nicht geben, sagt Koch. Sollte aus Italien ein gröberer Ausbruch stattfinden und absehbar sein, dass diese Welle auch auf die Schweiz zurolle, werde man weitere Massnahmen prüfen.
Der Direktor des Bundesamts für Gesundheit erklärt, dass man die Kapazität für Coronavirus-Tests erhöhe, vor allem auch im Tessin. Damit sollen allfällig positive Personen möglichst schnell gefunden werden. Getestet werden alle Personen, die Symptome aufweisen und Kontakt mit Risikopersonen haben, Menschen, die in China waren zum Beispiel. Neu werden auch Personen getestet, die Symptome einer Lungenkrankheit haben, aber nie Kontakt zu China-Reisenden hatten.
An Grenzübergängen und Raststätten auf Autobahnraststätten wird informiert, wie man sich vor einer Übertragung schützen kann und was die richtigen Hygienemassnahmen sind. Diese seien die wichtigste Handlung, um sich selbst und andere zu schützen. Deshalb werde es auch eine schweizweite Kampagne dazu geben. Arztpraxen würden mit Masken für kranke Personen unterstützt.
Man habe grosses Verständnis, dass vor allem die Tessiner Bevölkerung verunsichert ist. Deshalb arbeite man daran, allfällig positive Personen möglichst schnell zu erkennen. Sollte der erste Fall in der Schweiz eintreten, sei man gut vorbereitet. Das BAG arbeite eng mit den Kantonen zusammen.
Bundesrat Alain Berset beginnt die Medienkonferenz. In der Schweiz gebe es bisher immer noch keine positiv getesteten Personen, sagt der Gesundheitsminister. Er sei aber in engem Kontakt mit den italienischen Behörden, um sich über die Situation in Norditalien zu informieren. Die Taskforce des Bundesamts für Gesundheit (BAG) hat heute getagt und neue Massnahmen beschlossen. Die Schweiz sei gut vorbereitet, es gebe einen Epidemien-Aktionsplan, und verschiedene Massnahmen wurden umgesetzt, wie die BAG-Hotline und der Austausch unter den Ärzten.
Eine der neu beschlossenen Massnahmen seien neue Tests, die direkt im Tessin durchgeführt würden, sowie eine Informationskampagne an der Grenze. Zudem werde die BAG-Hotline verstärkt, da dort am Wochenende viele Anrufe eingingen.
Berset versichert, dass man die Situation stündlich verfolge und er mit seinen Kollegen der EU in engem Kontakt sei.
Das Coronavirus breitet sich in immer mehr Ländern aus. In Italien starben am Montag zwei weitere Personen an den Folgen der Krankheit. In Norditalien waren am Wochenende nach den ersten Todesfällen ganze Ortschaften abgeriegelt worden. Der Karneval in Venedig wurde abgesagt.
In der Schweiz gibt es bislang keinen bestätigten Fall, die Coronavirus-Fälle in Norditalien machen aber vor allem das Tessin nervös. Verschiedene Politiker forderten vom Bund eine Schliessung der Grenzen oder bessere Kontrollen. Gesundheitsminister Alain Berset hat deshalb für 13.30 Uhr kurzfristig eine Medienkonferenz einberufen.
In Europa sind bislang keine Grenzen geschlossen worden. Frankreich hält eine dies nicht für nötig, wie Verkehrsminister Jean-Baptiste Djebbari sagte. Das Virus mache an Grenzen nicht halt.
Auch Deutschland denkt nicht an Grenzschliessungen.
Allerdings waren am Sonntagabend Zugverbindungen von Italien nach Österreich über die Brenner-Route wegen Corona-Verdachtsfällen für etwa vier Stunden unterbrochen. Die Deutsche Bahn teilte mit, der Passagier- und Güterverkehr von und nach Italien laufe seither wieder ohne Einschränkungen.
Schweizer Franken gefragt
Die ersten Infektionen gab es unter anderem in Kuwait, Bahrain und Afghanistan. Weitere Reisebeschränkungen stehen im Raum. An den Börsen reagierten Anleger am Montag deutlich nervöser als in den vergangenen Tagen.
Die rasche Ausbreitung des Virus in Südkorea sorgte an der Börse in Seoul für den grössten Kursrutsch seit eineinhalb Jahren. In Frankfurt stürzte der Dax, der zuletzt noch ein Rekordhoch erreicht hatte, um knapp vier Prozent ab. Sichere Anlagen wie Gold, deutsche Staatsanleihen oder der Schweizer Franken waren dagegen gefragt.
Die Europäische Union will 230 Millionen Euro für den Kampf gegen das Virus aufbringen. EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides sagte, die Lage in Italien gebe Anlass zur Sorge. Mögliche Reisebeschränkungen müssten aber verhältnismässig und abgestimmt sein. Ein Team der Weltgesundheitsorganisation wird sich am Dienstag vor Ort einen Eindruck machen. Die WHO teilte mit, der Corona-Ausbruch bleibe ein internationaler Notfall.
Auch im Iran breitet sich das Virus weiter aus: Im Staatsfernsehen wurde die Zahl der Todesfälle mit zwölf angegeben, die bekannten Infektionen mit bis zu 61. Zahlreiche Länder in der Region haben mittlerweile Reisebeschränkungen verfügt. In Südkorea ist die Stadt Daegu stark betroffen. Mehrere Airlines stellten Flüge dorthin ein.
China lockert Reisebeschränkungen
In China ändert sich das Bild dagegen langsam. In zahlreichen Regionen wurden Reisebeschränkungen gelockert. Die Behörden reagierten damit auf eine Aufforderung von Staatspräsident Xi Jinping. Dieser hatte die Firmen des Landes am Sonntag aufgerufen, ihre Arbeit wiederaufzunehmen und Arbeitsplätze zu sichern. Nach Angaben des Finanzministeriums in Peking stellt China umgerechnet mehr als 14 Milliarden Euro zur Eindämmung des Virus zur Verfügung.
Die Zahl der Erkrankungen auf dem chinesischen Festland stieg am Sonntag nach Behördenangaben um 409 an. Am Tag zuvor hatte es noch 648 neue Fälle gegeben. Damit sind insgesamt 77'150 Menschen erkrankt. Die Zahl der Toten erhöhte sich um 150, nach 97 am Samstag, bislang sind 2592 Menschen an dem Virus gestorben.
REUTERS / SDA
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