Ein Freiburger glänzt in BernJetzt hat der SCB seinen «Playboy» wieder
Er bangte um die Fortsetzung seiner Karriere, landete dann als Trainingsgast beim SCB und wurde 2019 Meister. Nun begeistert Sandro Brügger als Viertliniencenter.

Es gab eine Zeit, da war der SCB das Mass aller Dinge. Im Winter 2018 etwa, als gleich 13 Berner für die Olympischen Spiele nominiert wurden und der damalige Sportchef Alex Chatelain fast schon verzweifelt nach Spielern suchte, um den Daheimgebliebenen weiterhin qualitativ hochstehende Trainingseinheiten bieten zu können. So entdeckte er in der drittklassigen Myhockey League den Stürmer Sandro Brügger. Dessen Karriere stand gerade am Scheideweg, nachdem sein Club Martigny im Sommer zuvor in Konkurs gegangen war.
In der Swiss League fand Brügger, der drei Monate lang ohne Lohn auskommen musste, keinen Job mehr. Überall wurde ihm gesagt, die Saisonplanungen seien bereits vollzogen worden und es würde keinen Platz geben. Das schlug zwar auf die Moral, dennoch dachte der gelernte Detailhandelsfachmann keine Sekunde ans Aufhören. Er machte den Schritt in die Amateurliga, unterschrieb bei Basel und nahm eine 50-Prozent-Stelle bei einer Immobilienfirma an, die einen Mitarbeiter benötigte, der der französischen Sprache mächtig ist. Bis er schliesslich als Trainingsgast beim SCB landete.
Chatelain war von dessen Leistungen angetan, empfahl ihn dem Partnerteam Visp und löste gleich eine B-Lizenz. Prompt stiess Brügger ein Jahr später nach dem Saisonende der Walliser zum SCB, war auf dem Weg zum bisher letzten Meistertitel ein sicherer Wert und beeindruckte durch sein ausgeprägtes Spielverständnis. Kein Wunder also, wollte Sportchef Andrew Ebbett, 2019 noch Brüggers Teamkollege, auch in diesem Jahr nicht auf die Dienste des 1,70 Meter kleinen Stürmers verzichten. «Wir wussten um seine Qualitäten», sagt Ebbett. «Er ist ein sehr smarter Spieler, der gute Entscheidungen trifft und mit seiner Defensivarbeit die Verteidiger gut unterstützt.»
«Früher war er einfach der ‹Sändu›. Nun erscheint er plötzlich modisch und elegant gekleidet wieder und trägt Tattoos. Fast wie ein Playboy.»
Brügger führt die vierte Linie als Center an. Er setzt auch offensiv Akzente und brachte es beim 3:2-Sieg am Dienstag gegen Biel auf fast zehn Minuten Eiszeit. «Es hätte gut sein können, dass ich die Karriere damals hätte beenden müssen. Dass ich nicht aufgegeben habe und nun wieder hier stehe, erfüllt mich mit Stolz», sagt Brügger, der sich ob der Anfrage des SCB dennoch überrascht zeigte. «Schliesslich hat Bern ein breites Kader.»
Vor vier Jahren bezog er sein einstiges Kinderzimmer bei seinen Eltern in Alterswil. Dort, wo einst ein Poster von Ivo Rüthemann die Wand zierte. Nun lebt er im Hotel. «Ich bin jetzt doch schon 31», so die Begründung des Senslers, der von den Teamkollegen viel Lob erntet. Allen voran von Tristan Scherwey. «Schön, weiss man hier seine Leistungen zu schätzen», sagt der Stürmer. «Ich habe den Eindruck, das war in Freiburg nicht immer der Fall. Er musste oft untendurch, bekam in der ersten Mannschaft nie eine echte Chance. Dass er nun beim Erzrivalen einen Platz erhält, ist umso erfreulicher.»
«Ich bin der grössere Lausbub»
Scherwey und Brügger, der während vier Saisons in Freiburgs Profiteam stand, bildeten bei Gottérons Junioren während Jahren mit Killian Mottet eine Sturmformation. Scherwey erinnert sich an Turniere in Frankreich und gemeinsame Fondueabende mit den Eltern. «Ich bin zwar der grössere Lausbub», sagt Scherwey.
«Doch auch Sandro hat immer einen Spruch auf Lager und ist schlagfertig. Mit ihm wird es nie langweilig. Ich mag ihn aus ganzem Herzen.» Scherwey habe schmunzeln müssen, als er ihm erstmals wieder begegnet sei. «Es ist interessant, wie sich Menschen entwickeln. Früher war er einfach der ‹Sändu›. Nun erscheint er plötzlich modisch und elegant gekleidet wieder und trägt Tattoos. Fast wie ein Playboy.»
Brügger, der nach Basels Aufstieg im letzten Jahr aus Visp zurück ans Rheinknie wechselte, war schon 2019 dabei, als der SCB gegen die Seeländer im Halbfinal einen 0:2-Rückstand drehte. Er sagt vor dem fünften Duell in Biel: «Wir haben uns mit unserer Spielweise in den ersten zwei Partien selbst geschlagen. Wenn wir aber so agieren wie zuletzt, haben wir sicher gute Chancen.» Scherwey ergänzt, der SCB habe beim Playoff-Start einfach nicht sein wahres Gesicht gezeigt: «Wir gingen aufs Eis, um zu schauen, was passiert, statt um zu gewinnen. Es ist schön, zu sehen, dass was drinliegt, wenn man anders auftritt.»
Beim EHCB, der auch in der letzten Saison im Viertelfinal gegen die Lions ein 0:2 verspielte, könnten nebst dem psychologischen Aspekt auch die diversen Ausfälle ins Gewicht fallen. Neben Damien Brunner, der sich nach einem Zusammenprall mit Jesse Zgraggen verletzte, sitzt Mike Künzle nach seinem Check an Cody Goloubef seine zweite Sperre ab. Zudem fehlte am Donnerstag im Training auch Captain Gaëtan Haas.

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