Jetzt braucht es wieder Keynes
Ohne massive staatliche Unterstützung fällt die US-Wirtschaft wieder in eine Rezession. Das wäre viel schlimmer als der Verlust des AAA.

Die einflussreiche «Lex Column» der «Financial Times» bezeichnet die Aufregung rund um das Triple A der US-Staatsanleihen als «Nebenschauplatz» und hat dafür eine ebenso einfache wie logische Erklärung: Es gibt gar keine Alternative zum Dollar. «Sicher, es gibt andere Triple A gewertete Optionen», heisst es im Börsenkommentar, «aber es ist unwahrscheinlich, dass ein signifikanter Anteil der Anleger die Währungen des Vereinigten Königreichs, Frankreichs, Deutschland oder selbst Finnlands der amerikanischen vorziehen werden. Deshalb werden die Zinsen der US-Anleihen trotz der Herabstufung kaum sinken.»
Wie die Reaktionen der Märkte zeigen, trifft diese Analyse ins Schwarze. Die USA haben tatsächlich ein weitaus grösseres Problem als die Bonität ihrer Staatsanleihen: Die Wirtschaft ist in einem viel schlechteren Zustand als bisher vermutet. Die jüngsten Kernzahlen sind ernüchternd: Obwohl die Beschäftigung im Juli etwas mehr zugenommen hat als zunächst erwartet, liegt die Arbeitslosenquote nach wie vor bei 9,1 Prozent. Eingebrochen ist die Nachfrage, und die Immobilienpreise haben immer noch keinen Boden gefunden.
Das Stimulierungspaket war zu klein
Die bereinigten Zahlen zeigen auch, dass vor zwei Jahren die Erholung der Wirtschaft viel zu rosig eingeschätzt worden ist. Das amerikanische Bruttoinlandprodukt (BIP) ist 2009 nicht bloss 2,6 Prozent eingebrochen, sondern 3,5 Prozent. Heute befindet sich das BIP wieder auf dem Niveau von 2005. Vor allem im letzten Quartal 2008 hatte sich die US-Wirtschaft geradezu im freien Fall befunden und war 8,9 eingesackt. «Hätte die neue Obama-Regierung erkannt, dass die Wirtschaft beinahe 9 Prozent schrumpft, dann hätte sie ein viel grösseres Stimulierungsprogramm aufgelegt», spekuliert deshalb der «Economist» in seiner jüngsten Ausgabe.
Das zeigt: Die Keynesianer hatten recht. Ökonomen wie Paul Krugman oder Joseph Stiglitz hatten seit Ausbruch der Finanzkrise geklagt, dass die Konjunkturprogramme viel zu mickrig ausgefallen seien und deshalb keine nachhaltige Wirkung entfalten konnten. Sie sind von den Sparaposteln niedergeschrien worden. Unter dem Einfluss der Fundamentalisten der Tea Party und der konservativen Ökonomen hat sich die Konjunkturdebatte seit dem letzten Herbst nur noch um Staatsverschuldung und Inflation gedreht. Doch jetzt zeigt sich glasklar: Viel gefährlicher sind Deflation und Massenarbeitslosigkeit.
Es gilt, ein Massenelend zu vermeiden
Die USA können sich keinen Rückfall in die Rezession erlauben. Mehr als sechs Millionen Arbeitnehmer sind länger als sechs Monate arbeitslos. Sie werden aus dem Arbeitsmarkt gedrängt und verlieren ihre Arbeitslosenunterstützung. Zustände wie in der Grossen Depression sind nicht mehr nur Gegenstand akademischer Diskussionen, sondern könnten bald Realität werden.
Wenn die USA Massenelend und soziale Unruhe vermeiden wollen, dann muss die Regierung den Glaubenskrieg über Konjunkturpakete beenden und die praktischen Rezepte der Dreissigerjahre wieder auspacken. Die Zeit der theoretischen Debatten über Keynes ist vorbei: Um der amerikanischen Wirtschaft eine Verelendungsspirale zu ersparen, muss die Regierung jetzt den längst versprochenen «New Green Deal» auch umsetzen.
Kurzfristig wird das zu mehr Schulden führen. Das ist unschön, aber auch unvermeidbar. Drohungen vor Hyperinflation und Staatsbankrott sind dummes Geschwätz: Erstens können sich die USA in ihrer eigenen Währung verschulden und zweitens zeigt Japan, dass dies schlicht nicht stimmt. Japan hat die höchsten Staatsschulden der Welt – und die Zinsen der zehnjährigen Anleihen liegen bei einem Prozent.
Fehler gefunden?Jetzt melden.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch