Jeder ist der grösste Held
Gemeinsam eroberten sie Tripolis und gemeinsam jubelten sie. Doch seit der Vertreibung von Ghadhafis Einheiten aus der Hauptstadt treten die Brüche innerhalb der Rebellen-Armee zu Tage.

Während Tausende euphorisch das Ende des Ghadhafi-Regimes feierten, standen sie in einer Ecke des Märtyrer-Platzes in Tripolis und nahmen den Dank der Menschen entgegen: Fünf Rebellen-Kämpfer in einer Reihe, die Handschläge der Leute empfangend. Selbstverständlich, wie das Hochzeitspaar am Empfang, kommentierte «The Independent» die Szene.
Gleichzeitig verkündete der Übergangsrat laut einem Bericht des «Telegraph», keine Militärbeobachter oder UNO-Polizisten zur Unterstützung zu benötigen. Wie es scheint, wollen sowohl die Rebellen als auch der sich als Übergangsregierung inszenierende Rat um jeden Preis Souveränität über die Lage und Urheberschaft am Regime-Ende bekräftigen. Ghadhafis Herrschaft mag zwar beendet sein, doch das Land steht vor einer schwierigen Zukunft.
Tripolis in Territorien geteilt
Denn just jene Heterogenität unter den Befreiungskämpfern, auf welche Libyen-Kenner George Jeff von der Universität Camebridge vor geraumer Zeit schon hinwies, beginnt sich nun in Tripolis zu manifestieren. Eine Woche nachdem Rebellen Ghadhafis Festung eingenommen haben, zeigt sich die libysche Hauptstadt als Flickenteppich der verschiedenen Interessen. Wie die «New York Times» berichtet, teilten die Rebellen Tripolis schon kurz nach der Einnahme in verschiedene Territorien auf. Kämpfer der westlichen Bergstadt Zintan kontrollierten den Flughafen. Jene aus Misrata hätten den Hafen und einstigen Sitz des Premierministers im Griff. Auf dem Platz vor dem Gebäude markierten nun Graffitis das Viertel als Herrschaftsgebiet dieser Brigaden.
Dasselbe Bild biete sich auch auf dem Zentralplatz, so die Zeitung, wo Berber aus Yafran den Schriftzug «Yafran Revolutionäre» an die Wände gesprüht haben. Die Graffitis sind Zeichen dafür, dass nun, da Ghadhafis Regime am Ende ist, die verborgenen Rivalitäten innerhalb der heterogenen Gruppe von Rebellen an die Oberfläche treten. Im Zentrum der Problematik steht einerseits ein ideologischer Konflikt, andererseits die Fragen, wer den grössten Teil zur Befreiung der Stadt beigetragen hat, und wem nun militärische Führung der Aufständischen gebührt.
Tripolis als Vorgeschmack
Bereits der erste Versuch, den Rebellen zu einem Kommandanten zu verhelfen, resultierte in der Offenlegung von Spannung innerhalb der Aufständischen-Armee. Als Abdel Hakim Belhaj, einst Führer einer islamistischen Kampfgruppe, Vorsteher des neugegründeten Militärrats von Tripolis werden sollte, sahen säkulare Kämpfer dies als ersten Schritt zu einer Machtübernahme durch Islamisten. Rebellen aus dem Westen des Landes wiederum monierten, Belhaj habe viel weniger zur Befreiung der Hauptstadt beigetragen als sie. Ähnliches spielte sich ab, als Mustafa Abdul Jalil, Chef des Übergangsrates, den einstigen Armeegeneral Albarrani Shkal zum Vorsteher der Sicherheitskräfte ernannte. Umgehend protestierten aus Misrata stammende Kämpfer, Shkal sei unter Ghadhafi an die gnadenlosen Angriffen auf ihre Stadt beteiligt gewesen.
So sieht es danach aus, dass Tripolis zum ersten Vorgeschmack für die Herausforderungen wird, vor denen die Revolution in Libyen noch steht. Während andere Städte von den eigenen Bewohnern befreit wurden, wimmelt es in den Strassen der Strassen der Hauptstadt von Brigaden aus verschiedenen Landesteilen. Jede von ihnen will den grössten und heroischsten Beitrag an der Einnahme von Tripolis geleistet haben, jede von ihnen vermerkt mit ihren Graffitis eigene Interessen und den Anspruch an der Mitsprache im neuen Libyen. Wie die «New York Times» betont, ist es nun am Übergangsrat, die reizbaren Seiten unter einem einstimmigen System zu vereinigen.
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