Ja zum Schweizer Islam – Nein zur Kirchensteuer
Die Sozialdemokraten streiten über eine neue Religionspolitik.

Jetzt machen die Genossen Ernst mit einer neuen Islam-Politik. In einem Strategiepapier fordern sie das Recht auf staatliche Anerkennung für muslimische Glaubensgemeinschaften. Damit sollen sie wie die christlichen Kirchen die Möglichkeit erhalten, Steuern einzuziehen. Das Papier wird an einer SP-Tagung in drei Wochen diskutiert werden und dürfte zu heftigen Debatten führen. Denn bereits liegen noch viel weitergehende Forderungen wie die Abschaffung der Kirchensteuer auf dem Tisch.
Das offizielle Diskussionspapier verlangt explizit die «staatliche Anerkennung muslimischer Glaubensgenossenschaften», und zwar nicht nur als freiwillige Möglichkeit für die Kantone, sondern als Pflicht: «In den Kantonen, in welchen eine staatliche Anerkennung von Religionsgemeinschaften besteht, muss diese folglich allen gleichermassen offenstehen», heisst es im Papier.
SP-Chef Christian Levrat hat diesen Weg vor einiger Zeit vorgeschlagen, aber nur von der Möglichkeit einer Anerkennung gesprochen. Die akzentuierte Öffnung staatlicher Religionspolitik für den Islam begründet er mit dem Diskriminierungsverbot: «Die Einhaltung der Grundrechte und das Diskriminierungsverbot müssen dazu führen, dass die Kantone die Diskussion um die Anerkennung des Islam angehen.»
Unbestritten ist, dass die Anerkennung nur unter bestimmten Bedingungen und als Folge einer Integration in die Schweizer Gesellschaftsordnung möglich sein soll. «Die anerkannten Glaubensgemeinschaften sollen unter einer kantonalen Aufsicht stehen», heisst es im SP-Papier, und sich vorher demokratisch organisiert haben. Sie sollen die Gleichberechtigung von Frauen und Männern gewährleisten, sich zum säkularen Rechtsstaat bekennen, finanziell transparent und vom Ausland unabhängig sein sowie gemeinnützige Leistungen wie Seelsorge oder Bildung übernehmen.
Abschaffung der Kirchensteuer findet Levrat «überlegenswert»
Im Gegenzug sollen die Glaubensgemeinschaften vom Staat für ihre gemeinnützigen Leistungen entschädigt werden sowie das Recht erhalten, Steuern einzuziehen und in Gefängnissen oder Spitälern Seelsorge zu betreiben. Auch sollen Universitäten zur Ausbildung von Imamen islamische Theologie anbieten. Der Weg zur Anerkennung soll, so Levrat, die Integration der Muslime in die Gesellschaft erreichen. Levrat: «Wir brauchen einen Schweizer Islam.»
Noch weiter will die Migranten-Gruppe der SP gehen. Sie fordert gemäss deren Präsident Mustafa Atici das Recht auf staatliche Anerkennung nicht nur für islamische Gemeinschaften, sondern ebenso für Anhänger anderer Glaubensrichtungen. «In der Schweiz leben auch Hindus oder Aleviten, die Kirchensteuern zahlen», sagt Atici.
In der Migranten-Gruppe denkt man sogar darüber nach, die Kirchensteuer durch eine Kultursteuer zu ersetzen. Beim Ausfüllen der Steuererklärung würde man dann ankreuzen können, welcher Religionsgemeinschaft oder sozialen Institution das Geld zugutekommen soll. Für Levrat ist die Idee «überlegenswert». Sie müsse aber in den Kantonen diskutiert werden, «unabhängig von der Frage des Islam».
Innerhalb der SP gibt es aber auch Leute, die vor einem überstürzten Vorgehen warnen. Zu ihnen gehört Adrian Wüthrich, der nächste Woche den Nationalratssitz des verstorbenen Alexander Tschäppät übernimmt. Als Grossrat setzte er sich zwar dafür ein, dass das im Kanton Bern traditionell enge Verhältnis zwischen Landeskirchen und Staat aufgebrochen wird. Die Anerkennung neuer Religionsgemeinschaften hat für ihn jedoch nicht oberste Priorität. «Viel wichtiger ist der Dialog zwischen den Religionen. Es bringt nichts, wenn sich Muslime nur im stillen Kämmerlein in einem Industriegebiet versammeln», sagt Wüthrich. Er betont, dass viele religiösen Gemeinschaften gar nicht auf eine Anerkennung hinarbeiteten.
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