Israel fürchtet Abstimmung in New York
In einer Woche soll die UNO-Vollversammlung über einen eigenen palästinensischen Staat entscheiden. Das absehbare Resultat muss auch als Denkzettel an die Adresse Israels gewertet werden.

Vor der bedeutenden Abstimmung über einen eigenen palästinensischen Staat bei der UNO-Vollversammlung ist Israel zunehmend isoliert. Wachsende Spannungen mit engen und wichtigen Verbündeten wie der Türkei und Ägypten sind Ausdruck der Unzufriedenheit mit der Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu. Der Antrag der Palästinenser auf Anerkennung der Unabhängigkeit für das Westjordanland, den Gazastreifen und Ostjerusalem – Gebiete, die Israel 1967 im Sechs-Tage-Krieg eroberte – dürfte bei der UNO-Vollversammlung auf überwältigende Zustimmung stossen. Wahrscheinlich erhalten die Palästinenser einen Beobachterstatus als Nicht-Mitgliedsstaat.
Die Entscheidungen der Vollversammlung sind rechtlich nicht bindend, die Abstimmung hat daher hauptsächlich Symbolgehalt. Doch die Palästinenser hoffen, dass der Druck auf Israel, sich aus den besetzten Gebieten zurückzuziehen, durch ihre Initiative wächst und sie bei direkten Friedensverhandlungen eine stärkere Position einnehmen können. Die Palästinenser weigern sich, an den Verhandlungstisch zurückzukehren, solange Israel den Siedlungsbau im Westjordanland und in Ostjerusalem fortsetzt.
China kündigt Unterstützung an
Ein Sprecher der palästinensischen Regierung im Westjordanland sagte, die zunehmende Isolation Israels auf der politischen Weltbühne spiele ihnen in die Hände. Am Mittwoch erklärte China, den Antrag der Palästinenser unterstützen zu wollen. Frankreich hat zwar offiziell keine Seite bezogen. Doch dass die französische Sondergesandte für Wirtschaftsfragen im Nahost-Friedensprozess, Valerie Hoffenberg, wegen ihrer ablehnenden Äusserung zur einseitigen Ausrufung eines palästinensischen Staates nach eigenen Angaben ihren Posten räumen musste, zeigt, mit welcher Seite die französische Regierung sympathisiert.
Daher wird die Abstimmung über einen eigenen palästinensischen Staat nicht nur als Gradmesser für die Unterstützung der Palästinenser gesehen, sondern auch als Ausdruck für die Unzufriedenheit der internationalen Gemeinschaft mit der israelischen Siedlungspolitik. Etwa 500'000 Israelis leben in palästinensischen Gebieten. Der ehemalige israelische Vize-Aussenminister Jossi Beilin sagte, eine solche Abstimmung gäbe es nicht, wenn Israel als Land wahrgenommen würde, das alles in seiner Macht stehende tue, um den Frieden in der Region zu wahren.
«Mutter aller Sünden»
Beilin bezeichnete Netanyahus Weigerung im vergangenen Jahr, das Moratorium für den Baustopp zu verlängern, als «Mutter aller Sünden», die die internationale Gemeinschaft gegen ihn aufgebracht habe. Nach der Entscheidung wurden die gerade erst wieder aufgenommenen Friedensverhandlungen ergebnislos abgebrochen.
US-Präsident Barack Obama brachte damals öffentlich seinen Unmut über die israelische Politik zum Ausdruck. Seither sind die israelisch-amerikanischen Beziehungen weiter abgekühlt. Bei einem Besuch Netanyahus im Mai in Washington erteilte dieser Obamas Friedensvorschlag, die Grenzen von 1967 zur Grundlage aller Verhandlungen zu machen, vor laufenden Kameras eine Absage. Trotz dieser Unstimmigkeiten versuchte Washington bis zuletzt, die Palästinenser von ihrer Initiative abzubringen.
Draht nach Kairo abgekühlt
Seit dem Sturz des langjährigen Machthabers Hosni Mubarak im Februar sind auch die Beziehungen zwischen Israel und Ägypten spürbar abgekühlt. Mubaraks Nähe zur israelischen Regierung, die sich beispielsweise in einem umstrittenen Gasgeschäft mit Israel manifestierte, war oftmals kritisiert worden.
Die Beziehungen zwischen beiden Ländern erreichten im vergangenen Monat einen Tiefpunkt, als fünf ägyptische Polizisten bei einem Feuergefecht zwischen israelischen Streitkräften und militanten Palästinensern getötet wurden. Israel entschuldigte sich später für den Zwischenfall im Grenzgebiet zu Ägypten. Dennoch verstummten die Forderungen in Ägypten nicht, die 30-jährige Friedensvereinbarung mit Israel aufzulösen.
Eskalation mit Ankara
Ein anderer wichtiger Verbündeter in der Region, die Türkei, hat die Beziehungen zu Israel sowohl auf diplomatischer als auch auf wirtschaftlicher Ebene deutlich zurückgefahren, nachdem bei einem israelischen Militäreinsatz gegen eine Gaza-Hilfsflotte im vergangenen Jahr neun türkische Aktivisten ums Leben kamen.
Israelische Regierungsvertreter bemühen sich, die Spannungen mit den Verbündeten herunterzuspielen. Israel habe auf diplomatischer Ebene schon länger Feindseligkeit erfahren, sagen sie und verbuchen beispielsweise einen UNO-Bericht vergangene Woche als Erfolg, in dem die israelische Militäroperation gerechtfertigt wird.
Hauptsache gegen Israel
Ein ehemaliger israelischer Botschafter bei der UNO, Dore Gold, der Netanyahu nahesteht, sagte, es sei ein Fehler, Israels Position auf der Weltbühne anhand der jüngsten Vorfälle zu bewerten. Die Animosität der Türkei gegenüber Israel sei Teil eines umfassenderen Wandels innerhalb der islamisch geprägten Regierung, die nicht nur für Israel, sondern auch andere Nachbarn Anlass zur Beunruhigung sei.
Jegliche anti-israelische Resolution werde dank der mit den Palästinensern sympathisieren Entwicklungsländer bei der UNO automatisch verabschiedet, erklärte er. Es sei wohl allgemein bekannt, dass auch eine Resolution, in der behauptet werde, die Erde sei eine Scheibe, verabschiedet würde, solange sie gegen Israel gerichtet sei.
dapd/ami
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