Neue EU-Kommissarin für FinanzmarktpolitikIrin mit Schweiz-Kenntnissen rückt nach
Mairead McGuinness wird in der EU-Kommission zuständig für Finanzdienstleistungen und rückt für ihren Landsmann Phil Hogan nach. Die Personenfreizügigkeit ist für sie ein «zentrales Element»in den Verträgen mit der Schweiz.

Der Vorwurf ist nicht selten zu hören, in Brüssel fehle es an Kenntnissen über Eigenheiten und Positionen der Schweiz. Dieser Vorwurf dürfte auf die Irin Mairead McGuinness nicht zutreffen, die nun für den Landsmann Phil Hogan nachrücken soll, der wegen eines Verstosses gegen Corona-Regeln als EU-Handelskommissar zurücktreten musste. Die bisherige Vizepräsidentin des EU-Parlaments ist auch als Mitglied im Schweiz-Ausschuss tief in der bilateralen Materie drin.
Ursula von der Leyen gab die Personalie inklusive einer kleinen Rochade in ihrem Kollegium am Dienstag bekannt: Mairead McGuinness erbt nicht das gewichtige Handelsdossier von Phil Hogan, sondern wird für die Finanzmarktregulierung zuständig. Den Handel übernimmt der Lette Valdis Dombrovskis, Vizepräsident der EU-Kommission.
Galadiner an Golfturnier wurde Hogan zum Verhängnis
Ursula von der Leyen zieht sich damit einigermassen unbeschadet aus dem Wirbel um Phil Hogan, wobei sie nicht immer eine gute Figur gemacht hat. Der Handelskommissar war ein Schwergewicht in ihrem Team und die irische Regierung zu Beginn der Legislaturperiode 2019 stolz, dieses wichtige Dossier für ihren Kandidaten erobert zu haben. Bis Phil Hogan diesen Sommer in den Ferien in der Heimat am Rande eines Golfturniers an einem Galadiner teilnahm und damit gegen irische Corona-Einschränkungen verstiess.
Ursula von der Leyen hätte es bei einer Rüge für ihren wichtigen Mann belassen und die Rücktrittsforderungen aus Dublin ignorieren können, wie es ihr Vorgänger Jean-Claude Juncker in einer ähnlichen Situation wohl getan hätte. Angesichts der Handelskonflikte von China bis zu den USA, den Brexit-Verhandlungen oder dem hängigen Freihandelsabkommen mit Mittel- und Südamerika kommt der Wechsel beim Handelsdossier jedenfalls ungünstig. Als kleine «Strafe» verliert Irland nun das Schlüsselressort Handel. Gleichzeitig kommt Ursula von der Leyen dem Ziel der Geschlechterparität etwas näher. 13 der 27 Mitglieder im Kollegium sind jetzt Frauen.
Schweiz-Kompetenz wächst
Und in der EU-Kommission wächst die Schweiz-Kompetenz, Kompetenz, die ihr auch in Bern attestiert wird. Ob zum Vorteil der Schweiz oder nicht, ist eine andere Frage. Umso mehr, als die 61-jährige McGuinness nun im Team von Ursula von der Leyen mit den Finanzdienstleistungen einen Politikbereich übernimmt, in dem auch einige Schweizer Interessen auf dem Spiel stehen. So dürfte die Frage der Börsenäquivalenz für die Schweiz früher oder später auf dem Tisch der EU-Kommissarin landen. Im Fokus natürlich der Zugang des Finanzmarkts London zum Binnenmarkt nach dem Brexit. Auch hier gibt es zahlreiche Querverbindungen, sind Schweizer Interessen möglicherweise tangiert.
Der deutsche Abgeordnete Andreas Schwab, Vorsitzender der für die Schweiz zuständige Delegation im EU-Parlament, begrüsst die Benennung von Mairead McGuinness als eine «exzellente Wahl». Sie kenne aus eigener Erfahrung alle Sonderwünsche der Briten, die sich gelegentlich auch gegen die Interessen Irlands richteten. «Sie wird sich sicherlich für einheitliche Regeln auch mit den Drittstaaten in Europa einsetzen», sagt der deutsche EU-Abgeordnete mit Blick auf die Schweiz.
«Die Schweiz kann nicht erwarten, dass sich die EU als Partner beugt.»
Dokumentiert ist ein Auftritt von Mairead McGuinness nach dem Votum der Schweiz zur sogenannten Masseneinwanderungsinitiative 2014. Die konservative Abgeordnete warnte damals im Plenum die Schweiz, dass einige Unternehmen planten, ihren Firmensitz aus der Schweiz abzuziehen. Die Personenfreizügigkeit sei ein «zentrales Element»in den Verträgen mit der Schweiz. Die Schweiz könne nicht erwarten, dass sich die EU als Partner beuge. Klartext sprechen kann die neue EU-Kommissarin also.

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