Ins schwäbische Seelendunkel
An den Rändern der Schwabenmetropole Stuttgart spielt Anna Katharina Hahns neuester Roman «Am Schwarzen Berg».
Die 1970 in Stuttgart geborene Autorin, hochgelobt für ihren Bestseller «Kürzere Tage», entwirft ein vielschichtiges Liebesdrama aus dem dunklen Herz der schwäbischen Finsternis.
Die Geschichte liest sich leicht, wiegt aber schwer. Im Mittelpunkt stehen zwei Ehepaare. Tür an Tür trennen die Nachbarn in einem Stuttgarter Vorort Welten: Auf der einen Seite der kinderlose Lehrer Emil Bub mit seiner Frau Veronika, deren marodes Haus den Charme einer Intellektuellenklause ausstrahlt. Daneben leben Hajo und Carla, er Arzt, sie Hausfrau. Ihr Sohn ist der Fixstern beider Paare. Von Kindesbeinen an wird «Peterle» zum Ziehsohn der Bubs, die ein chaotisches Gegengewicht zur funktionstüchtigen Nachbaridylle bilden.
Die Erzählung beginnt, als vieles bereits verdammt lang her ist: Peter, mittlerweile 40 Jahre alt, kehrt verwahrlost und völlig ausser sich heim ins Elternhaus. Seine Frau hat ihn mit den beiden Söhnen verlassen, keiner weiss, wo sie sind. Peter, der sich als Erwachsener sämtlichen Leistungsanforderungen verweigert und sich hinter einer lebensuntüchtigen Genügsamkeit verschanzt hatte, arbeitete halbtags als Logopäde, die Söhne waren sein Lebensinhalt. Ehrgeiz plagte ihn kaum, materielle Wünsche ebensowenig, seine Frau ertrug diese Haltung einfach nicht mehr.
Schauriger Erzählbann
Eltern und Nachbarn - die einen standesgemäss gealtert, die anderen ihren Lebenskummer in Alkohol ertränkend - versuchen alles, um Peters Schmerz zu lindern, stehen seiner Verzweiflung aber hilflos gegenüber. Peter reagiert auch hier mit dem ihm eigenen Stoizismus, aus der selbstzerstörerischen Trauer retten ihn weder gutes Zureden noch Tabletten.
Vor allem Emil, der melancholische Trinker, hinter dessen Peterliebe die Trauer über eigene Versäumnisse lauert, startet Hilfsaktionen. Ihn quält die bittere Erinnerung an seine besitzergreifende Zuneigung zu dem Jungen, um den er stets mit dessen Eltern und seiner Frau konkurrierte.
Mühelos zieht Hahn ihre Leser in einen schaurigen Erzählbann. Fast wirkt der Roman wie das Skript zu einem Fernsehspiel mit bekannten Gesichtern. Dabei jongliert Hahn mit Klischees, aus denen sie authentische Bilder von zerklüfteten Seelenlandschaften herausgreift - ohne sich mit prosaischer Borniertheit in intellektueller Weitläufigkeit zu verlieren. (Anke Breitmaier)
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