Proteste gegen TreibstoffpreiseIndigenen-Demos legen Ecuador lahm
Seit Tagen demonstrieren Tausende. Es geht um hohe Spritpreise, Armut und Arbeitslosigkeit. Immer öfter schlagen die anfangs friedlichen Aufmärsche nun in Gewalt um.

Kurz hatte es so ausgesehen, als könnte sich die Lage in Ecuador entspannen: Seit fast zwei Wochen wird das Land im Nordwesten Südamerikas von grossen Demonstrationen so gut wie lahmgelegt. Sie begannen mit Strassenblockaden und friedlichen Protesten, mittlerweile aber kommt es immer öfter zu Gewalt und Zusammenstössen mit der Polizei.
In Puyo, einer Kleinstadt am Rande des Amazonasgebiets, starb ein Demonstrant, nachdem ihn lokalen Berichten zufolge eine Tränengasgranate am Kopf getroffen hatte. Gleichzeitig griffen Demonstranten eine Polizeistation an, Streifenwagen gingen in Flammen auf. Innenminister Patricio Carrillo sprach von «vollkommen irrationalen Taten»: «Wir können die Ordnung in Puyo nicht mehr garantieren.»
Stöcke und gebastelte Schilde
Auch in Quito kam es zu grossen Protesten. 10’000 Demonstranten zogen durch die Strassen der Hauptstadt, meist friedlich, oft aber dennoch bewaffnet mit Stöcken und selbst gefertigten Schilden. Geschäfte mussten schliessen, Treibstoff und Nahrungsmittel würden knapp, berichten Bewohner.
Aufgerufen zu den Protesten hatte die Conaie, die Vereinigung der indigenen Nationen in Ecuador. Der mächtige Dachverband hat in der Vergangenheit immer wieder Druck auf verschiedene Regierungen im Land ausgeübt, zuletzt 2019, als schwere Massenproteste das Land erschütterten.
Die Indigenen leiden
So wie damals entzündeten sie sich auch nun wieder an den Diesel- und Benzinpreisen. Diese sind in den letzten Jahren stark gestiegen. Dazu kommen die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie: Die Preise für Lebensmittel und Transport steigen, und vor allem die indigene Bevölkerung leidet oft unter Armut und Arbeitslosigkeit.
Ecuadors Präsident Guillermo Lasso hatte eigentlich versprochen, all diese Probleme zu lösen und die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Lasso ist streng katholisch und konservativ, ein ehemaliger Banker, fest verwurzelt in der zumeist weissen und europäischstämmigen Elite im Land.

Foto: Anna Moneymaker (AFP)
Nach einem Jahr im Amt hat Lasso aber die Lage kaum verbessern können. Dazu nimmt die Kriminalität zu, immer wieder kam es in den letzten Monaten zu blutigen Gefängnisunruhen. Nun kommen auch noch die Proteste hinzu.
Lasso ruft die Demonstranten dazu auf, ihre Proteste zu beenden. Sie schadeten der Bevölkerung und stifteten Chaos, sagt er. Am Dienstag kündigte der Präsident an, Gespräche mit Vertretern des Indigenen-Dachverbands beginnen zu wollen.
Streit um Aufhebung des Ausnahmezustands
Dort aber fordert man zuerst, dass der Ausnahmezustand aufgehoben wird, den die Regierung über Teile des Landes verhängt hat, und das Militär in seine Kasernen zurückkehrt.
Das wiederum scheint nun für Ecuadors Regierung inakzeptabel: Man könne den Ausnahmezustand nicht aufheben, heisst es, da man sonst die Hauptstadt Quito «schutzlos» zurücklassen würde. «Das ist nicht der Zeitpunkt, um noch mehr Forderungen zu stellen», sagte Minister Francisco Jiménez, «wir müssen uns hinsetzen und miteinander sprechen.»
«Grosse Gefahr für die Demokratie»
Nun ist vollkommen unklar, wie es weitergehen wird. Längst gibt es Gegendemonstranten, die öffentlich ein Ende der Proteste und der Strassenblockaden fordern. Diese hinderten Bürger daran, sich frei zu bewegen und ihren Geschäften nachzugehen, sagte Verteidigungsminister Luis Lara diese Woche. Sie seien darum eine «grosse Gefahr für die Demokratie» in Ecuador.
Leonidas Iza, der Präsident der Conaie, wiederum kündigte an, dass, sollte sich die Lage nicht klären, «Flüsse aus Menschen» nach Quito kommen werden, um dort die Proteste weiterzuführen.
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