In den Untergang geflogen – die letzten Jahre der Swissair
Morgen ist es genau zehn Jahre her, dass die Flugzeuge der einst stolzen Airline am Boden blieben. Das Grounding war der Schlusspunkt einer turbulenten Zeit – werfen Sie einen Blick zurück.
Der Zusammenbruch der Swissair vor 10 Jahren war der Höhepunkt einer Krise, die sich seit Anfang der Neunzigerjahre angebahnt hatte. Die Schlüsselfigur dabei war Philippe Bruggisser, von 1997 bis 2001 Chef der Airline.
Bruggisser ist die sogenannte Hunter-Strategie zu verdanken, mit der die stolze Airline in den Untergang flog. Der Aargauer fuhr, beraten von McKinsey & Company und mit Rückhalt des Verwaltungsrats, eine aggressive Allianzstrategie. Mithilfe zahlreicher Beteiligungen wollte er die Hindernisse im Marktzugang überwinden, welche das Schweizer Nein zum EWR-Beitritt 1992 der Swissair bescherte.
«Superstar»
Bereits 1995 war mit der Übernahme von Anteilen an der belgischen Fluggesellschaft Sabena ein Expansionsschritt gemacht worden. Es folgen Beteiligungen an verschiedenen, meist ebenfalls angeschlagenen Fluglinien wie Volare, Air Littoral, AOM, Air Liberté, LOT, South African Airways und LTU. Oft benötigen die Gesellschaften Kapitalspritzen.
1999 war Bruggisser, der das Unternehmen nach dem Absturz von Flug SR-111 bei Halifax in Kanada souverän leitete, für den «Blick» «der Superstar in der Schweizer Managergilde», bei der Wahl zum «Manager des Jahres» der «Handelszeitung» schaffte er es auf Platz zwei.
Die Notbremse gezogen
Mitte 2000 übernimmt Philippe Bruggisser vorübergehend auch die operative Führung der Swissair nach dem Abgang des Amerikaners Jeffrey Katz. Gleichzeitig wird die Kritik an der kostspieligen Übernahmestrategie lauter.
Am 23. Januar 2001 zieht der Verwaltungsrat die Notbremse, kündigt eine Überarbeitung der Strategie an und stellt Bruggisser per sofort frei. Der Konzernchef erhält aber noch eine Abgangsentschädigung von 2,2 Millionen Franken und Pensionskassenbeiträge in Höhe von 3,75 Millionen Franken.
Zu diesem Zeitpunkt trägt Philippe Bruggisser noch nicht den Ruf des Totengräbers der Swissair, auch wenn dem Verwaltungsrat beim Abgang kein Wort des Dankes über die Lippen kommt. Die Westschweizer Zeitung «24 Heures» etwa billigt ihm mildernde Umstände zu: «Welche Fluggesellschaft kann sich rühmen, den Turbulenzen in der Zivilluftfahrt durch die Liberalisierung am Himmel entronnen zu sein?»
Corti versucht die Wende
Doch im Frühling 2001 tritt die desolate Situation der Airline zutage. Als Nachfolger Bruggissers versucht sich dessen Intimfeind, der Gründer der Regionalfluggesellschaft Crossair, Moritz Suter. Nach nur sechs Wochen wirft Suter das Handtuch, ihm folgt Mario Corti, bis dahin Finanzchef des Nahrungsmittelmultis Nestlé, dem die Wende aber auch nicht gelingt.
Im April verkündet die Gesellschaft einen historischen Verlust von 2,9 Milliarden Franken. Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in den USA bricht der Flugverkehr weltweit ein, der Nachfrageschock bricht der wieder in Swissair umbenannten Gruppe das Genick.
Am Abend des 29. September drückte Corti den Alarmknopf: Die Swissair könne die Oktober-Löhne nicht mehr sicher zahlen, warnte er. Die Swissair brauche Geld, um den Flugbetrieb aufrechtzuerhalten. Doch der Bund und die Grossbanken UBS und Credit Suisse konnten sich nicht einigen, ob und wie sie die Swissair retten wollten. Die Treibstofflieferanten drängten auf ihr Geld.
Nationales Trauma
Was sich dann abspielt, ist der eigentliche Akt, der als nationales Trauma in Erinnerung blieb: das Grounding. Am Morgen des 2. Oktober beiben in London zwei Swissair-Maschinen am Boden, weil die Airline die Landegebühren nicht bezahlt hat. Dann geht der Swissair das Benzin aus. Um 16.15 Uhr werden alle Flüge suspendiert, die Flugzeuge reihen sich auf dem Boden, 38'000 Passagiere stranden. Es ist das Ende der Swissair.
Es ist nie zu hundert Prozent geklärt worden, warum das Geld der Banken nicht floss. Die UBS und ihr damaliger Chef Marcel Ospel sind bis heute dem Vorwurf ausgesetzt, der Swissair den Todesstoss versetzt zu haben.
Das Grounding hatte ein jahrelanges juristisches Nachspiel. 2007 wurden vor dem Bezirksgericht Bülach 19 Angeklagte von allen Vorwürfen im Zusammenhang mit dem Kollaps freigesprochen. Was in Erinnerung bleibt, ist der Schock über das Ende des Nationalsymbols.
SDA/oku
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