In 90 Minuten zu sechs Jahren Lagerhaft verurteilt
Als er im April nach Nordkorea einreiste, wurde US-Bürger Matthew Miller verhaftet. Nun lautet das Urteil: Sechs Jahre Haft mit Zwangsarbeit.
Nordkoreas höchstes Gericht hat am Sonntag nach 90 Minuten Verhandlung den US-Bürger Matthew Miller zu sechs Jahren schwerer körperlicher Arbeit in einem Haftlager verurteilt. Der 24-Jährige habe als «Tourist verkleidet» nordkoreanisches Territorium betreten und «feindselige Akte» begangen, berichtete die amtliche Nachrichtenagentur KCNA zur Urteilsbegründung.
Damit verschärft Nordkorea die Konfrontation mit der US-Regierung, die eine Freilassung Millers und zwei anderer US-Gefangener verlangt hatte. Miller war im April festgenommen worden. Er soll bei der Einreise sein Visum zerrissen und Asyl in dem kommunistischen Staat gefordert haben.
Die Staatsanwaltschaft argumentierte nun, das sei nur ein Trick gewesen. Auf diese Weise habe er den Gefängnisalltag in Nordkorea kennenlernen und die Menschenrechtssituation ausspionieren wollen. Miller habe auch fälschlicherweise behauptet, Geheiminformationen über das US-Militär und Südkorea bei sich zu haben.
Das zerrissene Visum
KCNA veröffentlichte Bilder aus dem Gerichtssaal, in denen zwei uniformierte Sicherheitsleute den niedergeschlagen schauenden Angeklagten flankieren. Ein Foto soll die auf einem Tisch ausgebreiteten Beweismittel gegen Miller zeigen: das zerrissene Visum, seinen US-Reisepass, einen Tablet-Computer und ein Smartphone.
Dem Sender CNN, der ihn und die beiden anderen inhaftierten US-Bürger Kenneth Bae und Jeffrey Fowle interviewen durfte, sagte Miller vor zwei Wochen: «Ich denke, dieses Interview ist meine letzte Chance, die US-Regierung dazu zu bewegen, dass sie mir hilft.» Das US-Aussenministerium appellierte daraufhin an Pyongyang, Miller aus humanitären Gründen freizulassen und ihm die Ausreise zu ermöglichen.
Ein Druckmittel gegen die USA
Experten sehen die Instrumentalisierung von US-Häftlingen jedoch als einzig verbliebenes Mittel der nordkoreanischen Führung, um politische Zugeständnisse der USA zu erzwingen. Washington unterhält keine diplomatischen Beziehungen zu Pyongyang. Nordkorea will aber eine Wiederaufnahme der internationalen Verhandlungen über sein Atomprogramm erzwingen. Die US-Regierung setzt hierfür die verbindliche Bereitschaft zur nuklearen Abrüstung voraus. In der Vergangenheit hatten ranghohe US-Vertreter wie die früheren Präsidenten Jimmy Carter und Bill Clinton bei Reisen nach Nordkorea die Freilassung von gefangenen US-Bürgern erwirkt.
Wenig förderlich für die Beziehungen zur internationalen Gemeinschaft dürfte auch die Veröffentlichung eines Menschenrechtsberichts sein, den die Führung in Pyongyang am Samstag herausgeben liess. Darin wies der nordkoreanische Menschenrechtsverband in 53'000 Worten einen kritischen Untersuchungsbericht der Vereinten Nationen zurück. Dieser basiere auf den «Aussagen menschlichen Abschaums, der sein Heimatland und Volk verraten hat». Die «verzerrte Darstellung» ignoriere vollkommen, dass alle Nordkoreaner «vollkommene Menschenrechte» genössen.
120'000 politische Gefangene in Nordkorea
Eine UN-Expertenkommission zur Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen hatte Pyongyang im Februar vorgeworfen, bis zu 120'000 politische Gefangene in vier grossen Lagern zu internieren. Im Kommissionsbericht aufgelistet wurden «Ausrottung, Mord, Versklavung, Folter, Haft, Vergewaltigung, erzwungene Abtreibungen» sowie zahlreiche weitere Verbrechen, darunter Zwangsumsiedlungen und das Aushungern von Bevölkerungsgruppen. Pyongyang hatte diese Beschuldigungen als «schiere Erfindung» der USA und ihrer Verbündeten abgetan.
Der Bericht stützt sich auf Aussagen von mehr als 80 Nordkoreanern, denen die Flucht gelang. Pyongyang kooperierte nicht mit der UNO, weshalb Untersuchungen vor Ort nicht möglich waren. Ein ehemaliger Häftling berichtete, wie er die Leichen von Verhungerten verbrennen und ihre Asche als Dünger verteilen musste. Andere waren demnach gezwungen, ihre unterernährten Babys mit Mäusen und Schlangen zu füttern. Für die Verbrechen könnten nach Einschätzung der Kommission «mehrere hundert» Menschen verantwortlich sein, die grösstenteils im Dienst der Staatsführung stünden.
AFP/sda/wid
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