Im Sturzflug dem Ziel entgegen
«They're ready!», tönt es aus den Lautsprechern. Die Blicke des Publikums wandern nach oben. An der Fluh springen zwei Basejumper gleichzeitig von der Rampe. Kopf an Kopf stürzen sie sich ins Tal, von unten gesehen nur zwei Punkte an der Wand. Dank ihren fledermausähnlichen Wingsuits entfernen sie sich schnell von der Felswand, ihre Flugbahnen trennen sich. Das Flattern ihrer Flügel steigert sich zu einem Knattern, während sie sich ein Rennen um die Ziellinie in der Luft liefern. Rechtzeitig ziehen sie ihren Fallschirm und lan-den unter dem Applaus des Publikums auf dem Stechelberger Talboden, wo am Samstag die Finalläufe der Basejump-Weltmeisterschaft ausgetragen wurden. Nach seiner Halbfinalteilnahme packt Rob Heron seinen Schirm für den nächsten Sprung mit grösster Sorgfalt und Präzision. Dazu braucht der Kanadier mindestens eine Viertelstunde. «Jeder Teil des Schirms ist ein Glied einer Kette, an deren Ende mein Leben hängt.» Im Basejumping gebe es keinen Notschirm, deshalb müsse er voll auf seine Ausrüstung vertrauen können. Das Basejumping lasse ihn den Moment bewusster erleben, erklärt Heron: «Wenn ichdurch die Luft fliege, gibt es keine Vergangenheit oder Zukunft, sondern nur diese Gegenwart – der alte Menschheitstraum vom Fliegen kommt nicht von ungefähr.» Natürlich hätten seine Eltern nicht Freude an seiner risikoreichen Sportart, sagt Heron. «Aber meine Mutter versteht, dass ich genauso gut jeden Morgen auf den nassen Badezimmerfliesen tödlich verunfallen könnte.» Er arbeite seit 15 Jahren als Skydiving-Instruktor und sei in dieser Zeit mehr als 6500 Mal mit dem Fallschirm aus einem Flugzeug gesprungen. Dank dieser Erfahrung könne er ohne Angst mit einem Wingsuit ins Tal springen und mit dem Risiko umgehen. Ein älterer Herr aus dem Publikum meint zum Risiko, das die Basejumper eingehen, eher lakonisch: «Wenn ihnen der Schirm nicht aufgeht, dann machen sie eben den Schirm zu.» Die acht Teilnehmer des Finals werden bekannt gegeben, Heron geht leer aus. Wesentlich besser ergeht es dem Unterseener Markus Wyler: «Ich habe mit meiner Finalqualifikation meine eigenen Ziele übertroffen und kann jetzt einfach den Flug geniessen», sagt der Oberländer, der unter der Woche in Zürich lebt. Ob er den fünften oder sechsten Platz erreiche, spiele ihm keine Rolle. Bis in die Halbfinals flog Wyler wie alle Teilnehmer auf Zeit gegen ähnlich starke Gegner, im Final kommt es schliesslich zu Duellen um die Ranglistenplätze. Gegenüber den anderen Basejumpern hätte er sicher einen Heimvorteil, weil er immer im Lauterbrunnental trainiere, sagt Wyler: «Auch nach dem Skifahren im Winter fliege ich manchmal ins Tal – schliesslich ist der Wingsuit schneller als die Seilbahn.» Unter den Basejumpern herrscht Aufregung: Für den achten und neunten Platz sind zwei Teilnehmer zeitlich genau gleichauf. «Dieser Fall ist in unseren Wettkampfregeln gar nicht vorgesehen», erklären die Organisatoren Hubert Schober und Mirko Schmidt. Das Beispiel zeigt, dass Basejumping als Wettkampfsport noch jung ist. Das zahlreich erschienene Publikum lässt sich derweil nicht stören und geniesst die Gleitschirmakrobatik, die zwischen den Wettkämpfen gezeigt wird. Bei der Siegerehrung freut sich neben den Männern auch eine Frau besonders: Die Australierin Livia Dickie belegt in der Gesamtwertung den zehnten Platz und ist damit die schnellste fliegende Frau der Welt. Der Norweger Espen Fadnes kann seinen begehrten Weltmeistertitel des schnellsten fliegenden Menschen verteidigen. Auf den zweiten Podestplatz fliegt Matthias Wyss aus Oberdiessbach. Er hatte erst im vergangenen Jahr mit Basejumping begonnen – Beweis genug, dass Basejumping eben auch ein Sport für Überflieger ist. Konrad Staeger>
Fehler gefunden?Jetzt melden.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch