Pop-BriefingIm Club mit Drake
Der Rapper entdeckt elektronische Tanzmusik für sich. Ausserdem: Pablo Nouvelle spannt mit Nativ zusammen und «Master of Puppets» erlebt einen zweiten Frühling.

Das muss man hören
Gwenno – «Tresor»
Gwenno Saunders veröffentlicht seit zwanzig Jahren Musik auf Walisisch und Kornisch. Ihr drittes Album «Tresor» enthält neun Stücke auf Kornisch, der Sprache ihrer Mutter, und eines auf Walisisch, der Sprache ihres Vaters, des Dichters Tim Saunders. Auch wenn eine (Online-)Übersetzung der Texte unmöglich scheint, sollte man sich nicht vom lässig-sommerlichen Electro-Pop-Sound täuschen lassen. Auf Instagram wird sie auch auf Englisch deutlich: «Wales is not for sale» und «Death to neoliberalism», proklamiert sie.
Drake – «Honestly, Nevermind»
Nach dem letztjährigen, mässigen Album «Certified Lover Boy» wendet sich Drake auf «Honestly, Nevermind» dem Club zu. Drakes Musik hatte ja immer schon etwas Tanzbares, aber erst hier fügen sich Clubsounds und moderner Hip-Hop erst richtig zusammen. Der Rapper beweist, dass er nicht auszurechnen ist und immer ein Auge auf obskure Subgenres hat.
Moor Mother – «Jazz Codes»
Die Dichterin und Musikerin Moor Mother aus Philadelphia veröffentlicht mit «Jazz Codes» ein dichtes Album, das irgendwo zwischen Dark Ambient, Jazz und Spoken Word zu verorten ist. Hochkomplex und doch zugänglich. Zum Album gibt es einen knapp viertelstündigen Kurzfilm.
The Black Dog – «Dubs: Volume 4 Suburbia»
Manchmal geht es in der Vorstadt rauer zu als im Zentrum selbst. Wer sollte das besser wissen als die Bewohner nordenglischer Ballungszentren? The Black Dog, die sich bereits im vierten Teil am diesmal teils gar un-dubbigen Sound Sheffields abarbeiten, wissen es ganz sicher. Wie sangen die Pet Shop Boys doch so schön? Run with the dogs tonight, in Suburbia!
Viagra Boys – «Cave World»
Die Punks mit dem Saxofon sind zurück! «Cave World» spielt grösstenteils ansatzlos da weiter, wo der Vorgänger «Welfare Jazz» aufgehört hat, was aber nicht weiter stört: Der Sound klingt immer noch frisch, die Texte sind gewohnt selbstironisch. Ausserdem neu im Viagra-Sortiment: Corona-bezogene Gesellschaftskritik. Impfverweigerer, bitte weghören!
Metric – «Formentera»
Die Indierock-Institution Metric präsentiert auch auf Album Nummer acht noch neue Sound-Facetten. So beginnt das Album «Formentera» mit einer Clubnummer. «Doomscrolling» wandelt sich dabei in zehn Minuten zum Akustischen und dann zum Rocksong. Mit Metric ist es ein bisschen so wie mit der Pralinéschachtel aus «Forrest Gump»: Man weiss nie, was man bekommt. «Formentera» ist herrlich erfrischend.
Das Schweizer Fenster
Pablo Nouvelle & Nativ – «Boro»
Dass Rap auch im Electro-Club Platz hat (siehe Drake oben), haben Electro-Produzent Pablo Nouvelle und Rapper Nativ längst gemerkt. Bereits 2019 haben sie bei zwei Stücken zusammengearbeitet. Jetzt kommt mit «Boro», einem aus dem Ivorischen entlehnten Wort, ein sommerlich-leichter Track. Nativ sprechsingt geschmeidig über spanische Gitarren und verführerische Synth-Flöten.
Moonpools – «Weak Ankles»
«You make me want to puke in the best kind of way», du bist zum Kotzen, aber auf die gute Art: Wer kann solchen Textzeilen schon widerstehen? Moonpools aus Basel schicken mit «Weak Ankles» einen Vorboten aus ihrer im August erscheinenden EP «Damaged Goods». Verträumter Indiepop, der nach grossen britischen Vorbildern klingt.
Das verärgert
Spotify hat Heardle gekauft, das Song-Ratespiel, das im Zuge der weltweiten Wordle-Begeisterung Musikfans mit einem täglichen Quiz beschenkte. Doch mit dem simplen Spass – man hört die erste Sekunde eines Stücks und muss dann raten, um welches es sich handelt – ist in der Schweiz nun erst mal Schluss. Spotify lässt neu verkünden, dass der Service hierzulande nicht verfügbar sei und man doch lieber etwas Musik streamen solle. Schönen Dank.
Das gibt zu reden
Dass die Netflix-Serie «Stranger Things» die Achtzigerjahre nahezu perfekt wiederauferstehen lässt, zeigte sich von Anfang an. In der aktuellen vierten Staffel kam ein Phänomen dazu: Die Fantasy-Serie katapultierte Kate Bushs Hit «Running Up That Hill» zurück in die Charts.
Dergleichen passiert jetzt mit «Master of Puppets», dem achteinhalb Minuten langen Thrash-Metal-Epos von Metallica aus dem Jahr 1986. In den Spotify- und iTunes-Charts ist der Song bereits platziert, wie der deutsche Musikblog «Testspiel» berichtet (Achtung, Spoiler!). Dort heisst es auch, dass Metallica schwer begeistert seien und der Sohn von Bassist Rob Trujillo, Tye, Gitarrenspuren zur Szene in der Serie, in der «Master of Puppets» vorkommt, beigesteuert habe.
Netflix hat die Szene selbst auf Youtube hochgeladen, natürlich auch hier: Spoiler Alert!
Und ja, Metallica sind wirklich Fans!
Das Fundstück der Woche
Ich muss gestehen, ich kannte Brushy One String bislang nicht. Der Jamaikaner spielt Reggae und Blues und begleitet sich dabei auf der Gitarre. Das Besondere, der Name verrät es: Sein Instrument hat nur eine Saite. Andrew Chin, wie der Musiker mit bürgerlichem Namen heisst, benutzt den Korpus der Gitarre als Perkussionsinstrument und hat sich so eine Karriere in einer Nische gemacht. Bis hin zum «NPR Tiny Desk Concert», das auch schon ein paar Jahre auf dem Buckel hat. File under: Mal was anderes.
Die Wochentonspur
Der Shortcut zu allem, was in den letzten Wochen hörenswert war. Mit dabei: ganz unsommerlich düsterer Dubstep von Pessimist, hochsommerlicher Pop von Zürichs Urabi und eine funky Nummer von den Foals.
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