«Ich will Gerechtigkeit für meine Familie»
Auf der italienischen Insel Giglio haben Angehörige den beim Unglück der Costa Concordia Verstorbenen gedacht. Vor einem Jahr mussten Hunderte vom Kreuzfahrtschiff ins eiskalte Wasser springen.
In einer tränenreichen Zeremonie haben Angehörige der Opfer des Costa-Concordia-Unglücks vor einem Jahr gedacht. Vor der toskanischen Insel Giglio wurde am Sonntag ein Felsen mit einer Gedenktafel im Meer versenkt, bei einem Gottesdienst gaben sich Überlebende, Inselbewohner und Angehörige der 32 Todesopfer gegenseitig Halt. In die Trauer mischten sich auch Wut über die schleppende Aufklärung des Unglücks und Rufe nach harten Strafen.
«Ich will Gerechtigkeit für meine Familie und für alle Opfer», sagte Susy Albertini, deren fünfjährige Tochter mit ihrem Vater bei dem Unglück starb. Die Überlebenden rangen derweil mit den schrecklichen Erinnerungen an die Unglücksnacht, hunderte von ihnen hatten am 13. Januar 2012 ins eiskalte Wasser springen müssen, weil es zu wenig Platz in den Rettungsbooten gab.
«Keine Lust mehr zum Tanzen»
Offenbar in Erinnerung an diese Szenen brach Daniele Dubuc in Tränen aus, als sie auf eine Fähre ging – es war das erste Mal seit dem Unglück, dass sie wieder ein Schiff betrat. Sie und ihr Mann seien begeisterte Tänzer gewesen und hätten die Bälle auf dem Schiff sehr genossen, berichtete die Französin. «Aber seit dem Unglück haben wir keine Lust mehr zum Tanzen.»
Die Fähre brachte Angehörige und Überlebende am Vormittag zu der Unglücksstelle auf dem Meer, wo sie Blumen ins Wasser warfen. Zudem wurde ein Felsen, der bei der Kollision im Rumpf des Schiffs stecken geblieben war, an seinem ursprünglichen Ort im Meer versenkt. Auf ihm war zuvor eine Gedenktafel an das Unglück angebracht worden. Als der Felsbrocken ins Wasser gelassen wurde, ertönte 32 Mal das Schiffshorn: Bei dem Unglück waren zwölf Deutsche, sieben Italiener, sechs Franzosen und sieben weitere Menschen gestorben.
Fischerboote lassen Sirenen ertönen
Die Costa Concordia war am Abend des 13. Januar 2012 dicht vor Giglio auf Grund gelaufen und leck geschlagen. Innerhalb kurzer Zeit neigte sich das Schiff mit 4200 Menschen an Bord zur Seite, bevor es halb im Wasser auf den Felsen vor der Küste zu ruhen kam. Zum genauen Zeitpunkt des Unglücks sollte am Sonntagabend um 21.45 Uhr eine Schweigeminute am Hafen von Giglio abgehalten werden. Anschliessend wollten alle rund 1500 Fischerboote der Insel ihre Sirenen ertönen lassen.
Viele Fischerboote waren vor einem Jahr den Passagieren der Costa Concordia zu Hilfe geeilt und hatten die traumatisierten Menschen aus dem Wasser gezogen. «Wir sind hierher gekommen, um unsere Dankbarkeit zu zeigen», sagte Ronald Dots, der mit seiner Frau und seinem Sohn das Unglück überlebte. Der Spanier missachtete bewusst die Aufforderung der Kreuzfahrtgesellschaft Costa Crociere, dass die Überlebenden der Insel aus Platzgründen der Gedenkfeier fern bleiben sollten. Ein entsprechender Brief des Unternehmens hatte im Vorfeld für Empörung gesorgt.
Langsame Aufarbeitung
Ebenso empörend fanden viele , dass die juristische Aufarbeitung des Unglücks nur langsam vonstatten geht. Gegen Kapitän Francesco Schettino und neun weitere Verdächtige laufen derzeit Verfahren wegen Totschlags, ein Prozess wird wohl aber erst in einigen Monaten starten. Schettino soll das Unglück durch einen Navigationsfehler verursacht und dann die Evakuierung verzögert haben, um schliesslich das Schiff vor der Rettung aller Passagiere zu verlassen.
Bergung dauert länger
Ein Jahr nach der Havarie ist die Costa Concordia noch nicht geborgen. Experten rechnen mit einer Verzögerung und weitaus höheren Kosten für die Bergung des Kreuzfahrtschiffs. Das Wrack könne frühestens im September und nicht wie geplant Anfang des Jahres abgeschleppt werden, sagte der Leiter des italienischen Zivilschutzes, Franco Gabrielli, am Samstag. Die ursprünglich auf 300 Millionen Euro geschätzten Kosten würden sich voraussichtlich auf 400 Millionen erhöhen.
Den von der Betreiberfirma Costa Crociere bestätigten Kostenanstieg begründete die Behörde unter anderem mit der schwierigen Sicherung giftiger Stoffe im Wrack. Zwar konnten nach dem Unglück rund 2100 Tonnen Treibstoff aus dem Rumpf abgepumpt werden, dennoch sind die Umweltrisiken hoch. Aktivisten warnen, wenn bei der Bergung der Schiffsrumpf aufgestellt werde, könnten noch verbleibende Treibstoffreste und Tonnen vergammelter Nahrungsmittel ins Meer gelangen.
Das 290 Meter lange und rund 110'000 Registertonnen schwere Schiff war am 13. Januar 2012 vor Giglio gekentert und riss 32 Menschen in den Tod - darunter 12 Deutsche. Etwa 400 Spezialisten arbeiten seit Monaten Tag und Nacht daran, das halb versunkene Schiff abschleppfertig zu machen. Dabei handelt es sich um eines der grössten Bergungsmanöver der Seefahrtgeschichte.
Gegen den Kapitän des Schiffes, Francesco Schettino, läuft unter anderem ein Verfahren wegen fahrlässiger Tötung und Verursachung eines Schiffbruchs. Er steht weiter unter Hausarrest.
Costa schickte Brief an Überlebende
Der Konzern Costa schickte einigen Überlebenden nach deren Angaben Briefe, in denen er ihnen nahelegte, nicht zu der Gedenkfeier zu reisen. Als Begründung hiess es demnach, es gebe nicht genügend Unterkünfte für alle. Betroffene vermuteten, dass das Unternehmen mit der Aktion wohl eher dafür sorgen wolle, dass weniger Menschen Presseinterviews geben können.
Costa Crociere steht unter anderem auch wegen eines Entschädigungsangebots über je 11'000 Euro an die Überlebenden in der Kritik. «Das heisst, dass unsere Leben nur 11'000 Euro wert sind», erboste sich Violet Morra aus Marseille. Sie hat das Angebot abgelehnt, viele andere haben gegen Costa geklagt.
AFP/dapd/mw
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