Snowboarderin Sina Siegenthaler«Ich komme direkt aus der Reha»
Die 21-jährige Emmentalerin startet in Peking im Snowboardcross – Corona könnte für die lange verletzte Athletin nicht zum einzigen Hindernis werden.

«Fliege ich heute? Oder morgen? Ehrlich gesagt weiss man das in diesen Tagen kaum. Vier negative PCR-Tests nacheinander muss ich schon nur vorweisen, damit ich in Richtung Peking abfliegen kann, weil ich innerhalb von 30 Tagen vor der Abreise positiv getestet wurde, ansonsten sind es zwei. Vergangene Woche war das, weshalb sich jetzt alles ein wenig verzögert.
Ganz ehrlich: Ein paarmal habe ich schon gedacht, dass wir Athletinnen doch alle spinnen. Es ist enorm, was viele auf sich nehmen, um an diesen Olympischen Spielen dabei zu sein. Seit drei Wochen gibt es nur ein Thema. Ich war noch nie so hin- und hergerissen. Eigentlich freue ich mich, eigentlich sollten meine ersten Spiele ein Höhepunkt sein, aber so ist das alles etwas gedämpft. Das Rennen ist ständig in Gefahr, das gehört zur mentalen Einstellung in diesen Wochen. Selbst am Renntag kannst du noch von einem positiven Test vom Berg geholt werden. Deswegen ist bei mir die Vorfreude nicht zu gross, sonst ist die Enttäuschung umso grösser.
«Damals dachte ich sofort: Die Spiele sind für mich gelaufen.»
Meine Verletzungsgeschichte ist für mich ein weiterer Unsicherheitsfaktor. Im Januar 2020 erkrankte ich am Pfeifferschen Drüsenfieber, ich fiel lange aus. Vergangenen Dezember stürzte ich dann in Österreich im Training vor einem Wettkampf. Damals dachte ich sofort: Die Spiele sind für mich gelaufen. Aber mein Aufbau ging gut und schnell voran, es zeigte sich, dass mein Kreuzband doch nicht gerissen war. Wegen eines Knorpelschadens hatte ich aber noch oft Schmerzen, zudem ein geschwollenes Knie, was mir das Training verunmöglichte.
Ende Dezember stand ich dann aufs Snowboard, um zu sehen, wie das so geht. Es ging schlecht, die Schmerzen waren enorm, deswegen liess ich mir Anfang Januar am Knie noch Knorpelteile herausoperieren. Und das vier Wochen vor dem Olympiarennen. Ich wusste, es wird ein sportlicher Fahrplan.
«Da muss ich mir als Newcomerin also nichts vormachen.»
Ob mein Knie hält, werde ich erst in China wissen. Ich bin seit der Operation noch keinen einzigen Cross gefahren, war nur einmal zum Carven auf dem Brett. Wir werden das vor Ort testen, ich komme sozusagen direkt aus der Reha auf den Wettkampfkurs, auf dem wir einen Trainingstag haben.
Normalerweise würde ich mir für einen Wettkampf natürlich Ziele setzen. Aber unter diesen Umständen musste ich etwas zurückschrauben und mir sagen: Dabei sein ist alles. Sogar die Medaillenanwärterin und kürzlich am Knie verletzte Skicrosserin Fanny Smith erwähnte in einem Interview, wenn sie an den Start könne, habe sie bereits gewonnen. Da muss ich mir als Newcomerin also nichts vormachen.»
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