«Ich führte mit knallharter Hand»
Carmen Tschanz wehrt sich. Die letzthin von dieser Zeitung geschilderten Zustände im Alterszentrum hätten sich verbessert, seit sie die Pflegedienstleitung innehabe. Aber die neue Chefin musste offenbar hart durchgreifen.

Im Alterszentrum Eggiwil ist es bald Zeit für das Mittagessen. Während das Personal die Tische deckt, hätte Carmen Tschanz es eigentlich bereits verdient, Feierabend zu machen. Seit frühmorgens um zwei Uhr sei sie auf den Beinen, sagt die 51-Jährige. Einer Bewohnerin gehe es so schlecht, dass sie habe ausrücken müssen. Denn Carmen Tschanz hatte Pikettdienst. Aber auch als Pflegedienstleiterin fühlt sie sich persönlich verantwortlich dafür, dass die Bewohnerin auf ihrem letzten Weg nicht leiden muss. «Ich habe es ihr versprochen», sagt sie. Deshalb wird sie auch nach dem Gespräch mit dieser Zeitung nicht nach Hause fahren.
Der zweite Teil
Carmen Tschanz hatte keine Freude, als sie letzthin in dieser Zeitung einen Artikel las, der besagte, dem Alterszentrum laufe das Pflegepersonal davon und die Betreuung lasse zu wünschen übrig. «Es wurde nur der erste Teil erzählt», sagt sie. Nun erzählt sie den zweiten Teil, mit dem sie zeigen will, dass sich in dem Betrieb manches zum Besseren gewandelt habe. Angefangen habe dieser Teil der Geschichte im Juli 2016, als Carmen Tschanz für einen Tag zum Schnuppern nach Eggiwil gekommen sei.
Sofort hätten ihr Eggiwil, die Lage des Alterszentrums, das Heim und die Zimmer sehr gut gefallen, sagt die Landiswilerin. Und weil sie gespürt habe, dass die Pflegedienstleiterin überlastet sei, habe sie ihr angeboten, bereits ab Mitte August während eines Tages in der Woche mitzuhelfen, bevor sie Mitte September ganz als Stellvertreterin einsteigen würde. «Ich hatte das Gefühl, wir würden gut harmonieren», sagt sie.
Es kam anders als geplant
Carmen Tschanz wollte ihre breite Berufserfahrung einbringen: Sie war Kauffrau, hat die Ausbildung zur Psychiatriepflegerin angefangen, dann zehn Jahre als diplomierte Betriebsleiterin in der Gastronomie gearbeitet und sich schliesslich zur Pflegefachfrau ausbilden lassen.
«Ich hatte gewiss nicht vor, in Eggiwil die Pflegedienstleitung zu übernehmen», sagt sie. Doch an ihrem ersten offiziellen Arbeitstag sei die Vorgesetzte aus gesundheitlichen Gründen ausgefallen. «Sie war mit dem Druck nicht fertiggeworden», sagt Carmen Tschanz. Die Pflegedienstleiterin, mit der sie gemeinsam hatte am Karren ziehen wollen, sollte ihre Arbeit nicht wieder aufnehmen.
«Alle liefen am Limit»
Carmen Tschanz wurde ins kalte Wasser gestossen. «Ich arbeitete fast Tag und Nacht», sagt sie. Sie sei Pflegedienstleiterin, Stellvertreterin und Abteilungsleiterin in einem gewesen. Administratives habe ihr die Heimleiterin Kathrin Schönholzer abgenommen. Aber die praktische Arbeit am Pflegebett konnte sie nicht abgeben, da das Personal ohnehin knapp bemessen war. Denn immer wieder seien Mitarbeiterinnen krankheitshalber ausgefallen.
«Alle waren über Monate am Limit gelaufen», stellte die neue Chefin bald einmal fest. Als eines Tages eine verzweifelte Schichtleiterin anrief und klagte, sie wisse nicht mehr, wie sie ihren Plan erstellen solle, weil wieder jemand ausgefallen sei, wandte sich Carmen Tschanz an die Verantwortlichen: «Ich machte ihnen klar, dass wir so die Pflege nicht gewährleisten können und ich nicht mit meinem Namen dafür geradestehen würde.» Diskussionslos habe man dem Team daraufhin zusätzliche Stellenprozente zugestanden.
Heute verfüge das Alterszentrum Eggiwil über einen ausreichenden Stellenplan, sagt Carmen Tschanz. Und sie ist froh, dass sie sich dazu durchgerungen hat, die Pflegedienstleitung zu übernehmen. Sie sagte allerdings erst zu, nachdem ihr eine externe Supervision gewährt worden war. Ohne diese Unterstützung hätte sie die Aufgabe nicht übernommen. Denn sie war schwierig: «Ich musste neue Mitarbeiterinnen in ein Team integrieren, das als Einheit gar nicht bestand.»
Gelöst habe sie das Problem, «indem ich führte, wie ich niemals führen wollte – mit knallharter Hand». Aber es habe einfach jemanden gebraucht, der klare Leitlinien definierte und sagte, in welche Richtung es zu laufen habe. Mit der Zeit hätten die Kolleginnen vermehrt darauf geachtet, sich gegenseitig zu helfen, freut sich Carmen Tschanz. «Ich musste nicht mehr bloss korrigieren, sondern konnte auch loben.» Seit etwa vier Wochen höre sie vom Personal ebenso wie von externer Stelle, dass im Alterszentrum Eggiwil wieder eine angenehme Atmosphäre herrsche.
Wieder mehr Zeit
Die Schichtpläne, die wegen mangelnder Ruhe- und zu langer Arbeitszeiten nicht korrekt waren, seien angepasst worden. Nun könne sich eine Mitarbeiterin «auch mal für ein paar Minuten auf einen Bettrand setzen». Ihr Ziel sei eine ganzheitliche Pflege, die auch Zuwendung und Gespräche beinhalte, sagt Carmen Tschanz. Auf den 1. Dezember 2016 übernahm sie die Pflegedienstleitung offiziell. «Wir sind noch nicht überall am Ziel, aber wir sind auf einem guten Weg», fasst sie ihren Teil der Geschichte zusammen.
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