«Ich brauche eine andere Vorbereitung»
Zum vierten Mal versucht sich Stefan Küng heute an einem WM-Zeitfahren. Bislang blieb der Erfolg aus. In zwei, drei, vier Jahren will er um den Sieg mitfahren.

Stefan Küng gehört zu den weltbesten Zeitfahrern. 2018 gewann der 24-Jährige zwei Rennen der Worldtour. Doch in den ganz grossen Prüfungen, bei Titelkämpfen und Grand Tours, kam er noch nie richtig in Fahrt - bei seinen drei WM-Starts verlor er jedes Mal über zwei Minuten auf den Sieger. Die Strassen-WM in Innsbruck begann für ihn am Sonntag mit einer Medaille: Mit BMC belegte er im Teamzeitfahren den dritten Platz.
Sie haben im Einzelzeitfahren eine zweite Medaillenchance. Was rechnen Sie sich aus?
Da wäre ich im Gegensatz zum Teamzeitfahren sehr happy mit Bronze. Mein Ziel ist ein Platz unter den ersten zehn, alles mehr wäre Bonus. Es ist schwierig, das muss ich ehrlich sagen: Ich habe nicht das Selbstvertrauen, das ich im Vorfeld dieses Rennens gerne hätte.
Warum?
Ich beendete vor zwei Wochen die Tour of Britain vorzeitig, weil ich nicht frisch genug war. Seither geschahen keine Wunder mehr. Immerhin hatte ich aber zwei, drei gute Trainings. Was für eine gute Leistung spricht: Ich bin sehr motiviert und mental bereit, über die ganze Distanz voll am Limit zu fahren.
Bei Titelkämpfen sind Zeitfahren länger. Was macht es so schwierig, während 45 Minuten eine Topleistung zu bringen?
Zeitfahren über 10 bis 15 Kilometer kann man besser trainieren. Bei längeren Rennen zählt mehr die Erfahrung. Mit dem Alter wird man konkurrenzfähiger. Aber letztlich lässt sich diese Frage erst beantworten, wenn der Knopf in so einem Rennen einmal aufgeht. Aber ich lasse den Kopf nicht hängen. Man muss relativieren: Ich bin 24. Viele denken an Fabian (Cancellara). Der wurde 2006 erstmals Weltmeister, mit 25. Mein Ziel bleibt es auch, irgendwann um Titel mitzufahren, egal, ob in zwei, drei oder vier Jahren.
Sie taten sich bislang bei den ganz grossen Zeitfahren schwer. Vor den Olympischen Spielen von Rio haben Sie aber angekündigt, in Tokio 2020 sei eine Medaille Ihr Ziel. Belastet Sie das und der Umstand, dass bis dahin immer weniger Zeit bleibt?
Nein, nein. Ich habe definitiv meine Schritte vorwärts gemacht. Die bisherigen WM-Zeitfahren möchte ich nicht überbewerten - ich hatte nie die optimale Vorbereitung. Diese hatten in meinem Team nie einen sehr hohen Stellenwert - BMC legte stets einen grossen Fokus auf das Teamzeitfahren. Ich bin überzeugt, dass ich eine andere Vorbereitung auf Zeitfahren brauche; das will ich künftig anders angehen. Bislang fuhr ich davor immer sehr viele Rennen. Ich glaube aber, fürs WM-Zeitfahren braucht es spezifische Efforts, 20 bis 30 Minuten lange Intervalle am Stück. Es ist daher suboptimal, nach der Tour de France zwei schwere Rundfahrten und ein Teamzeitfahren zu bestreiten, wie ich das gemacht habe. Da bleibt etwas auf der Strecke.
Thematisierten Sie das nie mit BMC?
Die Erkenntnis reifte erst in den letzten Wochen. Klar, würde ich am liebsten die Zeit fünf Wochen zurückdrehen. Aber das geht nicht.
Was ist falsch gelaufen?
Ich bin ambitioniert. Nach der Tour de France gönnte ich mir keine Ruhezeit, habe gearbeitet, forciert. Mein Trainer Marco Pinotti und ich gingen davon aus, das sei der beste Weg für mich. Du schaufelst und schaufelst. Irgendwann stehst du unten im Loch und merkst: Der Rand, um rauszukommen, ist gar nicht mal so nah.
Sie erlitten ein Übertraining?
Nein. Aber wenn ich weitergemacht hätte, wäre es vielleicht so weit gekommen.
Anfang August regelten Sie Ihre Zukunft, unterschrieben für zwei Jahre beim französischen Team FDJ-Groupama. Wie leicht fiel Ihnen der Entscheid?
Er reifte über Tage und nach mehreren Gesprächen. Ursprünglich gab es drei, vier Teams, bei denen ich mir eine Zukunft hätte vorstellen können. Definitiv entschied ich mich nach dem ersten Wochenende der Tour de France. Ich bin absolut überzeugt vom Entscheid und superglücklich, enorm motiviert. Ich weiss, woran ich arbeiten will, was ich besser machen will. Der Wechsel tut mir gut, und das Team ist auch motiviert.
Was gab den Ausschlag?
Es passte einfach. Es ist ein sehr professionelles Team, das sich in eine gute Richtung entwickelt. Entscheidend war, dass wir die gleichen Vorstellungen bezüglich meines Potenzials haben, wo ich gewinnen kann: Zeitfahren, kürzere Etappenrennen, Klassiker. Zudem hatten sie im Team keinen Fahrertyp wie mich. Bei den Frühjahrsklassikern etwa werde ich ein gutes Duo bilden mit Arnaud Démare (Anm.: ein Sprinter und ehemaliger Sieger von Mailand-Sanremo).
FDJ-Groupama war bislang nicht unbedingt bekannt als Spezialist für Zeitfahren.
Mit den Spezialisten ist es auch so: Die Fahrer machen einen beträchtlichen Teil des Know-hows aus - bislang hatten sie eben keinen Zeitfahrer. Ich weiss genau, was ich brauche, was nicht. Das Material passt: Vor einigen Jahren gewann ihr Leader Thibaut Pinot plötzlich Zeitfahren, dann konzentrierte er sich wieder mehr auf seine Fähigkeiten am Berg. Zudem bringe ich einen Mechaniker von BMC mit, er ist ein Spezialist darin, Zeitfahrvelos perfekt einzustellen.
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