«Ich bin noch kein Speedhund»
Aufgepasst, Mikaela Shiffrin: Wendy Holdener kommt auch in den schnellen Disziplinen immer besser in Fahrt.

Wendy Holdener, haben Sie den Anspruch, die Nummer 1 zu sein im Schweizer Team?
Der Versuch, die 24-Jährige aus der Reserve zu locken, misslingt, von Hierarchiekämpfen will sie nichts wissen. Die Wachablösung aber ist erfolgt, kein Zweifel, spätestens in den vergangenen Wochen. Holdener hat Lara Gut ein- und überholt; sie ist es, die Podestplätze garantiert, mit Medaillen von Grossanlässen heimkehrt, Kristallkugeln gewinnt. In Crans-Montana sichert sie sich jene für den Gewinn des Kombinationsweltcups – wobei es etwas grotesk anmutet, eine kleine Kugel nach zwei Bewerben zu verteilen. Nun, Holdener hat die Wertung in einer Souveränität für sich entschieden, die darauf schliessen lässt, dass sie auch im Falle eines üppigeren Programms reüssiert hätte. Wenngleich sie im Slalom mit angezogener Handbremse fährt, resultiert Rang 4. Es ist die Bestätigung, dem Druck standgehalten zu haben, wie sie erleichtert feststellt.
Bereits vor zwei Jahren war Holdener die Beste in der Kombination gewesen. Der neuerliche Triumph ist Beleg für ihre Vielseitigkeit und Entwicklung von der Spezialistin für Slaloms hin zur Allrounderin. In der Riesenslalom-Weltrangliste hat sie sich innert vier Monaten von Position 23 auf 8 verbessert, im Super-G vom Samstag überraschte sie mit Rang 3. Cheftrainer Hans Flatscher meint, Holdener besitze auch mit den langen Ski Potenzial. «Ich bin noch kein Speedhund», sagt die Schwyzerin selbst, aber sie ist mutiger geworden, hat Wege gefunden, den Respekt vor hohen Tempi abzulegen. Werner Zurbuchen, Coach und Bezugsperson Holdeners, erwähnt den Reifeprozess, den die Athletin hinter sich habe: «Die Erfahrung hilft ihr enorm.»
Ein bisschen eigene Wege
Zurbuchen ist Teil von Holdeners Erfolgspuzzle, zu dem unter anderen Bruder Kevin als Manager, ein Konditionstrainer sowie ein Fachmann für Ernährungsfragen gehören. Was die Betreuung betrifft, hat sich Holdener im Rahmen der Verbandsstrukturen ein hohes Mass an Individualität ausbedungen. Gänzlich eigene Wege zu gehen, sei noch keine Option, hält sie aber fest.
Andere Grössen entschieden sich zu diesem Schritt, oder lösten sich zumindest teilweise vom Nationalteam. Erwähnt seien Marcel Hirscher oder Mikaela Shiffrin, auch Tina Maze und Anja Pärson, nicht zu vergessen Alberto Tomba und Marc Girardelli, allesamt Gesamtweltcupsieger. Und mit diesem Thema, der grössten aller Kristallkugeln, wird Holdener immer öfter konfrontiert. Aktuell liegt sie auf Rang 2, der Rückstand auf Shiffrin ist mit 561 Punkten beträchtlich. Aber sie hat Lust auf mehr bekommen; im kommenden Winter dürfte sie vermehrt im Super-G starten.
Sie zweifelt immer weniger
«Es wird wichtig sein, die Einsätze gut zu planen», meint Holdener, und denkt an Shiffrin, die dem Tanz auf mehreren Hochzeiten ansatzweise Tribut zollt. Flatscher traut seinem Schützling den nächsten Schritt zu. «Sie glaubt stärker an sich, sie zweifelt weniger.»
Die Momente des Zweifelns, sie sind auch abseits der Piste seltener geworden. Liess sich Holdener vor Jahresfrist ablenken vom Rummel in Crans-Montana, wirkt sie an diesem Wochenende konzentriert und zielstrebig. Zurbuchen, der in der Arbeit mit Holdener mitunter auf Rituale setzt, erwähnt die Lehren, die das Team gezogen habe. «Wir schirmten Wendy so gut es ging ab.» Flatscher bezeichnet die Kombinationskugel als Erfolg mit Signalwirkung, da die Schweizerinnen zuletzt kaum Kugeln gewonnen hatten.
Seit der Jahrtausendwende sind es sieben – zum Vergleich: Die Österreicherinnen haben 28, die Amerikanerinnen 25 gesammelt. Bei 48 Punkten Rückstand auf Österreich scheint bei den Frauen gar der Gewinn des Nationencups möglich, es wäre das erste Mal seit 1995. Flatscher erwähnt die glänzenden Perspektiven seiner jungen Equipe, die in der Kombination mit den Rängen 2, 4, 7, 10 und 12 durch Michelle Gisin, Holdener, Rahel Kopp, Priska Nufer und Denise Feierabend überzeugt. Auf Siegerin Federica Brignone büsst Gisin 3 Hundertstel ein. Holdener sagt: «Wenn es einen Kampf um die interne Nummer 1 geben sollte, reden noch andere mit.»
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