Vorlesetag am 27. Mai«Ich bin mit der Ressource Zeit stets achtsam umgegangen»
Antoinette Hunziker-Ebneter, Präsidentin der Berner Kantonalbank, ist Vorlese-Botschafterin. Sie hat auch mit ihrem Sohn früher oft Bücher angeschaut.

Frau Hunziker-Ebneter, wieso setzen Sie sich als Botschafterin fürs Vorlesen ein?
Weil ich es als Kind selber sehr genossen habe, wenn uns unsere Mutter vorlas. Mit meinem Sohn Kurt pflegte ich das Ritual später über zehn Jahre lang weiter. Von Kurts Primarlehrer habe ich gelernt, dass Vorlesen den Wortschatz sowie die Kreativität bei Kindern fördert. Beides ist zentral für die Kommunikation in der Familie, der Schule und später im Berufsleben.
Welche Bücher haben Sie Ihrem Sohn denn vorgelesen?
Als Kurt noch klein war, liebte er die Erlebnisse des Elefanten Babar, der Held einer Kinderbuchreihe von Jean de Brunhoff. Später faszinierten ihn Erzählungen wie «Lederstrumpf» oder die Abenteuer der schwarzen Brüder. Ich las ihm auch gerne aus der Bibel vor, vor allem spannende Geschichten aus dem Alten Testament, die zum Nachdenken anregten.
Wie haben Sie es trotz hohem beruflichem Engagement geschafft, regelmässig vorzulesen?
Indem ich mit der kostbaren Ressource Zeit stets achtsam umgegangen bin und Prioritäten entsprechend gesetzt habe. Als Mutter, die tagsüber ausser Haus arbeitete, genoss ich das gemeinsame Abendessen mit der Familie sehr, insbesondere den Austausch mit meinem Sohn. Beim Vorlesen der Gutenachtgeschichte führten wir die Diskussionen jeweils fort. Das schien ihm ebenso viel Spass zu bereiten wie mir.
Am heutigen Vorlesetag erzählen Sie aus dem Buch «In der Welt der Wurzelkinder» von Sibylle von Olfers. Warum?
Das Buch weckt Erinnerungen an meine eigene Kindheit. Es erinnert mich auch daran, wie ich meinen Sohn für die liebevollen Illustrationen der Jahreszeiten begeistern konnte. Als Kind faszinierte mich der Blick unter die Erde und was sich alles darin abspielte, ebenso die Kraft der Bäume mit ihren Wurzeln, die über Pilzgeflechte miteinander kommunizieren. Starke Wurzeln symbolisieren für mich Stabilität. Dies ist gerade in Krisenzeiten wichtig.

Zum Beispiel in der jetzigen unsicheren Situation wegen des Coronairvus?
Ja, genau. Mir sagt diese Art von Stabilität sehr zu – auch die der Gräser: tief verwurzelt zu sein und bereit, fast jeden Wind, fast jedes Gewitter zu überstehen. Dies ist natürlich nur möglich mit guter Agilität. Der Grashalm beugt sich stark im Wind, doch er bricht nicht, weil er flexibel und gut verwurzelt ist.
Ist die Geschichte der Wurzelkinder, die immerhin 114 Jahre alt ist, darum immer noch aktuell?
Ja, gerade in dieser speziellen Frühlingszeit konnten wir wieder erfahren, wie schön und wichtig die Natur für uns ist. Ich liebe Bäume, sie anzuschauen, im Park zu spazieren, in den Wäldern zu wandern, mich zu erholen und zu reflektieren. Wenn ich heute die Geschichte der Wurzelkinder lese, kommen mir die Kreisläufe in der Natur in den Sinn. Dieses nachhaltige Kreislaufdenken möchte ich zusammen mit anderen Menschen über innovative Lösungen in die reale Wirtschaft und in die Finanzindustrie tragen.
Antoinette Hunziker-Ebneter liest am 27. Mai um 13 Uhr aus dem Buch «In der Welt der Wurzelkinder» von Sibylle von Olfers. Das Video ist bis Ende Juli auf der Website schweizervorlesetag.ch aufgeschaltet.
Das Interview wurde schriftlich geführt.
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