«Ich bin ein alter 68er»
Der Bieler Amokläufer Peter Hans Kneubühl sitzt seit September im Gefängnis. Die Zeitung «Le Matin» hat ihm 32 Fragen gestellt. Lesen Sie hier seine Antworten im Original.
Herr Kneubühl, Sie sind seit September im Gefängnis. Wie ist es Ihnen ergangen? Das Leben im Gefängnis ist nicht angenehm. Es ist aber auch nicht sehr verschieden vom Leben ausserhalb. Wir haben hier dieselben Überwachungskameras wie in einem Einkaufszentrum, dieselben verschlossenen Türen wie im Bundeshaus, dieselbe Überwachung und dasselbe Verhalten wie in einer Fabrik. Auf der anderen Seite ist das Essen hier gratis, und man muss nicht jeden Tag fürchten, verhaftet zu werden.
Was fehlt Ihnen hier am meisten? Ich bin jetzt 68 und gewöhnt, mit wenig Geld zu leben. Was mir sehr fehlt, sind meine Bücher. Davon abgesehen ist das Schlimmste das Verschwinden jeder Hoffnung, dass sich unsere Welt je einmal ändert. Ich bin ein alter 1968er, und die Tatsache, dass sich alle unsere Hoffnungen von damals als Illusion entpuppt haben, ist das, was wohl am schwersten zu ertragen ist.
Wie verbringen Sie Ihre Tage? Die Zeit geht sehr schnell vorbei. Ich verbringe praktisch die ganze Zeit mit Schreiben. Meistens sind es Eingaben an die Behörden, die fast alle, wie schon seit 6 Jahren, nicht beantwortet werden. Es sind aber auch Briefe an die Presse und an Menschen, die mir schreiben. Ich muss meinen Prozess vorbereiten, und das ist sehr schwierig.
Erhalten Sie Besuche? Bis jetzt habe ich erst einen Besucher gekriegt, einen Verwandten von mir.
Falls Sie keine Besuche erhalten, fehlt Ihnen das? Am 8. September 2010 wurde meine ganze Familie zerstört und alle Freundschaften wurden gelöscht. Verschiedene Verwandte, Freunde und Nachbarn haben mich der Polizei verkauft. Andere sind wegen mir von der Polizei geschädigt worden: Ihre Telefone wurden abgehört, ihre Papiere wurden beschlagnahmt, ihre Wohnungen wurden aufgebrochen und konfisziert, die Türen und Fenster ihrer Häuser wurden zerbrochen, ihre Autos wurden durchsucht, sie durften nicht mehr zu Hause schlafen, und ihre Kinder durften nicht mehr zur Schule. Geschäfte, Apotheken, Ärzte, Tankstellen kriegten wegen mir Polizeibesuch. Ich werde zu diesen Menschen nie wieder Kontakt aufnehmen können. Für mich war der 8. September 2010 das Ende eines Lebens. Wie man das erträgt? Nun, das Leben ist nie leicht zu ertragen, aber jeder Mensch muss sich damit abfinden, dass er einmal stirbt.
Wie verhalten sich die anderen Gefangenen Ihnen gegenüber? Das Verhältnis im Regionalgefängnis Biel ist untereinander meistens gut. Die Gefangenen bilden eine Schicksalsgemeinschaft. Ihnen allen ist gemeinsam, dass der Staat ihr ganzes Leben zerstört hat. Sie haben ihre Familien verloren, ihre Freunde, ihr Geld und ihre Stelle. Wenn sie jemals wieder rauskommen, steht ihr Name in allen Computern. Zum Überleben bleibt also nur noch das Verbrechen, und man kann nur hoffen, dass man im Gefängnis genug lernt, um nach der Freilassung zu wissen, wohin man sich wenden muss.
Sie haben im September auf Polizisten geschossen. Bereuen Sie dies? Ich bereue nichts, was ich getan habe. Ganz im Gegenteil: Wenn ich irgendetwas anderes getan hätte, wäre ich jetzt tot! Ich hatte eine Chance von nur etwa 1:100, diesen militärisch geführten Angriff von 200 Elitepolizisten mit Maschinenpistolen, Scharfschützengewehren, Hunden und Helikoptern zu überleben. Ich hatte nie auch nur eine Sekunde lang überhaupt die Möglichkeit, frei zu entscheiden. Jeder meiner Schritte war durch die Angreifer vorgegeben.
Trotz der Tatsache, dass Sie einen Polizisten verletzt haben, erfuhren Sie Sympathie aus der Bevölkerung. Wie erklären Sie sich dieses Paradox? Ich bin dankbar dafür, habe aber gleichzeitig sehr gemischte Gefühle. Alle, die mich unterstützt haben, kennen mich nicht und wissen nichts über die Hintergründe dieser Tragödie. Die Informationen in den Zeitungen waren fast alle falsch. Ob mich diese Menschen auch unterstützen würden, wenn sie die Wahrheit wüssten, weiss ich nicht. Die Zahl der Menschen, die mich denunziert haben, scheint viel grösser zu sein. Vergessen wir nicht, dass unsere Gesellschaft immer weiter nach rechts rutscht! Ich will deshalb nicht über die Motive der Menschen spekulieren.
Die Medien betitelten Sie als «Amokläufer». Akzeptieren Sie diesen Begriff? Es geht bei dieser Affäre zu 90 Prozent um Psychiatrie. Dieses Problem hat zwei Komponenten. Erstens einmal kämpfe ich seit sechs Jahren gegen die sogenannte «recovered memory therapy», eine von der Frauenbewegung entwickelte Form von Psychotherapie, die sagt, dass fast jede Frau das Opfer einer sexuellen Vergewaltigung sei. Mein Prozess ist also sehr ähnlich wie der von Jörg Kachelmann. Zweitens geht es um eine Erpressung. Meine Schwester und ihr Anwalt versuchen mit allen Mitteln, mich lebenslänglich in eine psychiatrische Anstalt einzusperren. Sie wollen damit erreichen, dass ich beim Erbteilungsprozess nicht vor Gericht aussagen darf und dass alle meine Beweise als das Werk eines Geistesgestörten irrelevant werden. Weiter soll damit erreicht werden, dass ein Geldwäschereiskandal, der meine Schwester und ihren Anwalt betrifft, nie vor Gericht gelangt.
So haben diese Leute einen sehr grossen Aufwand betrieben, um mich als geistesgestört darzustellen. Der wahre Skandal ist aber der, dass das alles von der Psychiatrie und der Justiz unterstützt wird und dass kein einziger Journalist diese Propaganda kritisch hinterfragt. Dass ich von den Medien als «Amokläufer» bezeichnet werde, ist eine Katastrophe für unsere Demokratie, denn so etwas hat sofort politische Auswirkungen. Wenn jemand als «Amokläufer» abgestempelt ist, so braucht es für unsere Presse keine weiteren Erklärungen! Der logische nächste Schritt folgt sofort: Wer mit der Regierung nicht einverstanden ist, ist notwendigerweise geisteskrank und muss weggesperrt werden.
Wie würden Sie sich den Medien in einigen Worten vorstellen? Ich bin von Beruf Ingenieur, Physiker und Lehrer. Ich gehöre zur 1968er-Generation. Wir haben versucht, eine neue Welt aufzubauen, eine Welt ohne Gefängnisse, ohne Konzentrationslager, ohne Repression und ohne Umweltzerstörung. Wir haben die Ruhe der Mächtigen gestört, und wir haben verloren. Die wahre Anklage gegen mich ist, dass ich ein «Linker» und ein «Umweltschützer» sei. Ich bin jetzt 68 und habe nicht die Absicht, meinen Idealen abzuschwören. Andere sind für ihre Überzeugungen 25 Jahre im Gefängnis gesessen, und warum sollte ich das nicht auch tun? Fukushima, die Klimaänderung, das sehr schnelle Aussterben zahlreicher Tier- und Pflanzenarten zeigen, dass ich auf dem richtigen Weg bin und dass die Justiz und die Polizei auf dem falschen Weg sind.
Sie möchten sich vor Gericht selbst verteidigen. Ist das nicht anmassend? Ich muss mich selber verteidigen, weil es sich um einen Korruptionsprozess handelt, der nun schon neunzehn Jahre dauert. Angeklagt ist die Justiz als Ganze. Kein Anwalt kann diesen Kampf aufnehmen, ohne seinen eigenen Lebensunterhalt zu zerstören. Im Übrigen habe ich bis im April einen guten Anwalt gehabt. Es hat nichts genützt, auch er ist von der Justiz wie ein Stück Mist behandelt worden.
Sind Sie ein gefährlicher Mann? Jeder geistig gesunde Mensch, der vom Staat eingesperrt, enteignet und entrechtet wird, ist gefährlich. Jedes Tier, das angegriffen wird, wehrt sich, und das ist auch gut so. Ich hoffe, dass ich gefährlich bleibe bis zu meinem Tod. Wenn aber die Behörden sagen, ich sei gefährlich, so meinen sie etwas anderes. Die grösste Gefahr für sie ist meine Schreibmaschine (die sie mir gestohlen haben!). Ich habe es gewagt, gewisse Missstände an die Öffentlichkeit zu bringen. Ich bin schon vor fünf Jahren an die Presse gelangt, und jetzt versuchen sie mit allen Mitteln, vor allem mit Propaganda, mich zum Schweigen zu bringen.
Sie haben Streit mit Ihrer Schwester. Haben Sie versucht, Kontakt mit ihr aufzunehmen? Den letzten Brief meiner Schwester habe ich vor 6 Jahren erhalten. Es war ein Erpresserbrief: Wenn ich ihr nicht jeden Monat 1000 Franken bezahlen würde, werde sie das Haus verkaufen. Als ich mich weigerte, auf diese Erpressung einzugehen, klagte sie mich vor Gericht an, sie vergewaltigt zu haben, ein Psychopath und ein Terrorist zu sein, und verlangte gegen unsere Verträge die Erbteilung. Nach dem 8. September 2010 hat sie mit zahlreichen Hetzartikeln in den Zeitungen die Polizei und die Justiz gegen mich aufgehetzt. Sie hat sich der «recovered memory»-Bewegung angeschlossen und führt einen mörderischen Krieg gegen die Männer. Sie dürfen nicht erwarten, dass ich meiner Schwester schreibe! Der Krieg ist von ihr ausgegangen, nicht von mir!
Haben Sie Post von Personen erhalten, die durch die Medien auf Ihren Fall aufmerksam geworden sind? Ich habe ein paar freundliche Briefe erhalten von Menschen, die ich nicht kenne. Hassbriefe habe ich keine gekriegt, obwohl mich viele denunziert haben und obwohl viele Menschen durch die Polizeiaktion massiv zu Schaden gekommen sind. Eine besondere Art von Hassbriefen kriege ich allerdings von vielen Institutionen. Der Staatsanwalt hat all mein Geld gestohlen, und so kriege ich jetzt fast jede Woche Rechnungen und Mahnungen, die ich nicht bezahlen kann. Auf diese Weise sorgt die Justiz dafür, dass wir Gefangenen nie mehr aus dem Gefängnis rauskommen!
Haben Sie dem Polizisten, den Sie verletzt haben, einen Entschuldigungsbrief geschrieben? Ein paar Hundert schwer bewaffnete Polizisten haben versucht, mich zu erschiessen. Sie haben mein ganzes Haus zerstört und mir alles weggenommen. Sie haben auch viele Häuser von Nachbarn und Bekannten zerstört. Bei solchen Gangstern darf man sich nicht entschuldigen, man muss sie bekämpfen! Ich erwarte im Gegenteil eine Entschuldigung und Entschädigung vom Staat!
Nachdem Sie gefasst wurden, wurde Ihr Haus verkauft. Was empfinden Sie dabei? Unser Haus ist vom Staatsanwalt verkauft worden, um die Kosten der Polizeiaktion zu bezahlen! Das ohne jede Erbteilung und ohne mir oder meinem Anwalt etwas zu sagen. Alle unsere Proteste sind von der Bieler Justiz und vom Obergericht in Bern abgelehnt worden. Die Bedeutung dieser Affäre ist die, dass sie jedem Menschen zeigt, dass der Staat nun jedes Haus enteignen und jede Wohnung konfiszieren kann. Wer sich dagegen wehrt, verschwindet für den Rest seines Lebens in einem Gefängnis oder in einer psychiatrischen Anstalt. Wir haben nun in der Schweiz das gleiche System wie in China. Was ich bei all dem empfinde, sage ich lieber nicht!
Der neue Hausbesitzer lädt sie ein, nach Ihrer Freilassung bei ihm zu Besuch zu kommen. Was halten Sie von dieser Einladung? Was muss das für ein Mensch sein, der sich mit solchen Methoden ein Haus verschafft? Erinnert uns das nicht an Nazi-Deutschland, wo viele Menschen billig zu einem Haus kamen, indem sie ihre jüdischen Nachbarn bei der Polizei denunzierten? Ich rate diesem Herrn, nie in unser Gefängnis zu kommen, denn es könnte sein, dass ich ihm auch ohne Waffen den Hals umdrehe!
Die Polizei hat Sie zehn Tage lang verfolgt. Hatten Sie Angst, getötet zu werden? Die Polizei versucht nun schon seit 19 Jahren, mich zu liquidieren. Seit 19 Jahren lebe ich also mit dem Gedanken, dass ich jeden Tag ermordet werden könnte. Auf der Flucht war das nicht anders als vorher. Neu war nur, dass ich vollständig enteignet worden war und dass mir der Staat jede Möglichkeit genommen hatte, auf eine nicht kriminelle Art zu überleben. Zur Angst vor der Polizei kam also neu die Angst vor dem Verhungern. Ich will hier noch ergänzen, dass ich nicht der Einzige bin, der Angst hat. Die Angst durchdringt unsere ganze Gesellschaft wie eine schwarze Wolke. Anders wären solche hirnverbrannten Polizeiaktionen gar nicht möglich!
Wie soll man verstehen, dass ein unbedrohter Mensch auf einen Polizisten schiesst? Ihre Frage beruht auf einem sehr grossen Irrtum! Ich befand mich in extremster Lebensgefahr, und ich verstehe bis heute nicht, warum ich das überlebt habe.
Was symbolisiert die Polizei für Sie? Die Polizei ist die Macht des Staates, d.h. der kleinen privilegierten Minderheit, die im Besitz des Staates ist und die mit Terrormethoden regiert. Für mich symbolisiert die Polizei das Gleiche wie für Wilhelm Tell: ein Leben in Angst und Schrecken, ohne Freiheit und ohne Sicherheit!
Versetzen Sie sich in die Situation am 8. September 2010 zurück: die Beamten sind vor der Haustüre. Würden Sie nochmals gleich handeln? Ich habe vor dem 8. September 2010 gewusst, dass die Polizei kommen wird. Ich habe alles getan, was ich tun konnte. Ich sehe nicht, was ich anders hätte tun können. Auch nach meinem gegenwärtigen Wissen habe ich das Richtige getan.
Man sagt, Sie seien wütend auf die Behörden. Die laufende Voruntersuchung, der kommende Prozess, was heisst das für Sie? Die Voruntersuchung gegen mich und der Prozess (falls er überhaupt stattfindet) bedeuten absolut nichts für mich. Ich habe meinen Prozess ja bereits am 8. 9. 2010 gehabt, und eine härtere Strafe wird der Justiz wohl kaum einfallen. Wie die Justiz funktioniert, weiss ich ja, dieser Prozess ist ja schon durch drei Gerichte und ca. 25 Richter gegangen. Neue Richter werden es nicht wagen, anders zu urteilen als die alten., sonst wäre das ein Justizskandal. Das Einzige, was jetzt noch wichtig ist, ist die Presse: Glaubt sie alle Lügen der Justiz oder versucht sie selber, die Wahrheit herauszufinden?
Vertrauen Sie der Justiz? Unsere Justiz ist total korrupt! Versuchen Sie Einblick zu kriegen in die Prozessunterlagen. Sie werden sofort verstehen, was ich meine.
Nennen Sie drei Ihrer Qualitäten? 1. Ich kämpfe weiter. 2. Ich kämpfe weiter. 3. Ich kämpfe weiter.
Nennen Sie drei Ihrer Fehler? 1. Ich hätte mit meinem Kampf früher beginnen sollen. 2. Ich hätte mit meinem Kampf früher beginnen sollen. 3. Ich hätte mit meinem Kampf früher beginnen sollen.
Was bedeutet Ihnen Ihr Elternhaus? Ich habe seit 40 Jahren nie mehr in Biel gelebt und hatte zu meinen Eltern nur wenig Kontakt. In der Stadt Biel kannte ich nur noch wenige alte Leute. Emotional bedeutet mir das Elternhaus wenig, und die Stadt Biel nichts. Ich habe mich dagegen gewehrt, dass ein Telefonanruf meiner korrupten Schwester bei den Behörden genügt, um mich für den Rest meines Lebens in einer psychiatrischen Klinik versorgen zu lassen, und dass keine rechtliche Möglichkeit existiert, um sich gegen eine solche Schweinerei zu wehren. Für den Fall, dass Sie die Hoffnungslosigkeit von Frauenbewegungsprozessen nicht aus eigener Erfahrung kennen, verweise ich noch einmal auf den Kachelmann-Prozess, ich verweise auf den Prozess (in Deutschland), den Sabine Rückert in ihrem Buch «Unrecht im Namen des Volkes» beschrieben hat, und ich verweise auf die umfangreiche amerikanische Literatur zum Thema «recovered memory therapy». Wenn die Justiz einmal eine Wahnidee im Kopf hat, so kriegt man diese durch nichts mehr raus!
Ist es richtig zu sagen, das Elternhaus bedeute Ihnen alles? Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass die Theorie, dass mir das Elternhaus alles bedeute, eine freie Erfindung der Presse ist! Ich selber habe nie so etwas gesagt. Sie sollten sich davor hüten, Ihre eigenen Falschinformationen zu glauben! Ich selber habe nie so etwas gesagt. Ich habe in verschiedenen Ländern der Erde gelebt, ich sehe mich als international, und der Kirchturm im Heimatdorf bedeutet mir nichts. Ich bin weggezogen, weil ich gleichgesinnte Leute anderswo gefunden habe.
Was bedauern Sie am meisten an dieser Geschichte? Persönlich bedauere ich nichts, ausser dass ich nicht mehr Energie und Mut habe, die beide für diese schwierige Arbeit unbedingt nötig sind. Aber die Zerstörung unserer Welt und der Verlust unserer Freiheit lösen in mir tiefe Depressionen aus.
Was ist Ihr grösster Fehler in dieser Geschichte? Ich habe die Bedürfnisse der neuen Menschen falsch eingeschätzt. Heute hat niemand mehr ein Bedürfnis nach Freiheit. Der grösste Traum der neuen Menschen ist eine Karriere bei der Polizei oder bei einer Grossbank mit Personalausweis am Uniformhemd und Überwachungskamera über dem Arbeitsplatz. Das ist ganz klar nicht meine Welt, und ich habe immer mehr den Eindruck, dass ich in dieser faschistischen Welt nichts mehr zu suchen habe.
Gegen wen haben Sie am meisten Zorn? Die Welt ist immer sehr kompliziert. Zorn und Hass sind immer eine Energieverschwendung.
Welche Gefühle haben Sie heute? Sind Sie ein wütender Mann? Ein Mann, der Gerechtigkeit fordert? Ein trauriger Mann? Ein Mann der entschlossen ist, sich Gehör zu verschaffen? Ein zermürbter Mann? Das wichtigste Gefühl ist das, dass ich alt werde. Ich werde nicht mehr lange leben. Es stellt sich die Frage, was ich mit meiner verbleibenden Zeit noch anfangen soll. Ich gehöre zur 1968er-Generation, und offenbar hat hier eine ganze Generation vollständig versagt. Wir sind angetreten mit dem Anspruch, alles besser zu machen als unsere Eltern. Stattdessen haben wir unsere Welt zerstört wie keine andere Generation zuvor. Ich frage mich, warum das so ist, was schiefgelaufen ist und wie man die Katastrophe noch aufhalten kann. Ob ich dabei im Gefängnis sitze oder nicht, ist nicht wichtig. Wichtig ist das nur für unsere infantilen Richter, für die ihre Karriere wichtiger ist als das Schicksal der Welt.
Was werden Sie tun, wenn Sie aus dem Gefängnis entlassen werden? Diese Frage ist überflüssig. Meine Entlassung aus dem Gefängnis ist nicht vorgesehen. Nach Auskunft des Staatsanwalts geht es nur darum, zu entscheiden, ob ich den Rest meines Lebens in einem gewöhnlichen Gefängnis oder in einer psychiatrischen Anstalt verbringe.
Le Matin
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