Podcast «BZ us dr Box»Mister Festival weiss: Die Besucher sind hungrig auf Musik
Philippe Cornu führt ab Freitag in Spiez eines der einzigen grossen Festivals durch. Der Berner über das Seaside, Schicksalsschläge und schaurig schöne Gefühle.
Ein verregneter Berner Sommer kann in normalen Zeiten von Festivalerinnerungen gerettet werden. Bisher wurde in der Region kein einziges grosses Musik-Open-Air durchgeführt: Gurtenfestival, Lakelive, Orpundart, Royal Arena und Stars of Sounds – allesamt abgesagt.
Am Freitag startet das Seaside-Festival in Spiez: Täglich werden 10’000 Personen zu Gast sein. Am Samstag gibt es noch Tickets (Stand Freitag, 10 Uhr). Der Freitag ist seit der Verschiebung ausverkauft, gerade mal 300 Tickets seien zurückgegeben worden.
Es scheint, als würden sich alle Musikfans dermassen auf das erste Festival freuen. Mit ein Grund ist wohl auch der Auftritt von Patent Ochsner, den beliebten Lokal-Matadoren schlechthin.

Festival-Gefühle in der «Bubble»
Bereits die ganze Woche vor Ort ist Organisator Philippe Cornu. Profitieren konnte er von den Vorbereitungen des Festivals 2020, das wegen Covid verschoben wurde. Im Normalfall bleiben 12 Monate Zeit, jetzt waren es deren zwei. Planbar sei derzeit nichts, die grösste Sorge ist «Covid, Covid, Covid».
«Wir arbeiten darauf hin, dass es stattfindet», sagt Cornu. Mit den steigenden Zahlen der Ansteckungen stand die Durchführung bis zum Schluss auf wackeligen Beinen.

Nach so langer Zeit mit Maskenpflicht und ohne Menschenansammlungen könnte es einem Teil des Publikums mulmig werden. Das könnte das Festival-Feeling massiv bremsen? Doch Cornu glaubt nicht, dass dadurch Festival-Hochgefühle zum Grounding verdammt sind. Dies, weil die Seaside-Veranstalter möglichst seriös das Konzept «GGG – geimpft, genesen, getestet» befolgen und nur jenen Einlass gewähren, die das beweisen können.
Cornu: «Es ist eine sichere Blase. Ich gehe schwer davon aus, es wird wieder wie früher.» Zudem seien die Leute hungrig auf Musik, das habe er beim erstmals stattfindenden Open Air am Blausee gemerkt. «Die Besucher waren so dankbar, dass überhaupt wieder etwas stattfindet», sagt der 62-Jährige.
Schweres Weitermachen fürs Team

Fast noch schwerer verdaubar als Covid war für das Festival ein plötzlicher schwerer Verlust: Der Seaside-Mitgründer und Familienvater Sacha Altermatt kam am 23. März in einer Lawine ums Leben. Dieser Unfall hat Philippe Cornu auf vielen Ebenen beschäftigt: Primär, weil es Altermatts Angehörige schwer getroffen habe.
«Und freundschaftlich, denn uns beide verbindet eine lange Geschichte, wir haben zusammen das Seaside aufgebaut», sagt er. Zudem sei es auch fürs OK des Festivals extrem schwierig gewesen, so Cornu. Noch immer brennen auf dem Tisch im Büroentree Kerzen für Sacha Altermatt. Viele im Team hätten nicht gewusst, ob und wie sie weitermachen sollten. «Doch Sacha wäre der Erste gewesen, der gesagt hätte, jetzt erst recht», sagt Cornu.
Altermatts Arbeit habe auf mehrere Schultern verteilt werden müssen, weil er eine unglaubliche Energie gehabt habe. «Er hat dem Festival den Charme gegeben. Wenn man jetzt durch die Bucht geht, stehen seine Ideen genau dort, wo er sie hinhaben wollte.» Die Seaside-Crew habe lange überlegt, wie sie Altermatt im Festival weiterleben lassen könne. Beim letzten Festival 2019 – eine Idee von Altermatt – wurde ein Rückzugsort im Skatepark eingerichtet. Diese «Kapitäns Kajüte» werde nun ihm gewidmet. Wer ihn nicht gekannt habe, werde dort einen schönen Text über ihn finden.
Philippe Cornu ist von jeher im Musikbusiness. Obwohl er 62 Jahre alt ist, denkt er nicht ans Kürzertreten. Arbeite er mit jungen Musikern zusammen, reisse ihn diese Energie immer wieder mit. Er überlege sich selber schon, warum er nicht kürzertreten könne.
Aber jeweils nach Konzert wisse er den Grund wieder: «Die Euphorie des Publikums überträgt sich nicht nur auf die Band, sondern auch auf uns Organisatoren.» Für ihn ist also gewiss: Diese Euphorie ist definitiv ansteckender als Covid.
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