Herzlich und etwas distanziert
Bundespräsidentin Doris Leuthard hat die neue Staatsspitze um Emmanuel Macron getroffen. Im EU-Dossier liess dieser wenig Goodwill für die Schweiz erkennen. Zur Sprache kamen auch brenzlige Themen wie die UBS, Grenzgänger und das AKW Fessenheim.
Die Beziehungen zwischen Frankreich und der Schweiz seien «freundschaftlich» und «herzlich», meinte Doris Leuthard, und Emmanuel Macron lobte nach dem knapp einstündigen Gespräch dessen «Qualität». Dass solche banal scheinenden Floskeln keine Selbstverständlichkeit sind, machte die Bundespräsidentin zum Abschluss ihrer Pariser Visite vor Journalisten klar: Das Verhältnis mit Paris habe sich «beruhigt und normalisiert», meinte sie mit Anspielung auf den jahrelangen Steuerstreit.
«Praktisch keine Probleme»
Mit dem automatischen Informationsaustausch in Fiskalfragen ist er ebenso beigelegt wie sein letzter Ausläufer, der in Paris für 2018 angesagte Gerichtsprozess der französischen Justiz gegen die Bank UBS. Die Eidgenossenschaft hatte die Steueramtshilfe an Frankreich deshalb sogar ausgesetzt. Vor einer Woche einigten sich Paris und Bern auf eine Regelung, deren Inhalt nicht bekannt ist. Leuthard erklärte dazu nur allgemein, man sei übereingekommen, dass die Daten, die der französischen Justiz in Sachen UBS zur Verfügung gestellt würden, nicht an die Steuerbehörden fliessen sollen.
Ansonsten haben die beiden Länder «praktisch keine Probleme», wie Leuthard an der Pressekonferenz festhielt. Verschiedene Interessen allerdings schon: Bern wünscht zum Beispiel eine rasche Stilllegung des alten, in einer Erdbebenzone gebauten Atomkraftwerkes Fessenheim im Elsass. Premierminister Edouard Philippe, den Leuthard nach Macron traf, wollte sich aber auf keinen Termin festlegen.
EU-Hardliner Macron
Macron bekundete den Wunsch, dass die Personenfreizügigkeit in der Schweiz auch für die 170 000 französischen Grenzgänger Bestand habe. Leuthard gewährleistete dies gerne: «Ich erkläre immer wieder, dass die Schweiz die vier Grundfreiheiten der EU respektiert.»
Kann die Schweiz in der EU-Frage deshalb mit mehr Verständnis vonseiten Macrons rechnen, als ihr von den Vorgängern Hollande und Sarkozy zuteil wurde? Leuthards Antrittsbesuch in Paris hat diese Annahme keineswegs bestätigt. Macron verspürt zwar Affinitäten zum eidgenössischen Konsens und Arbeitsethos. Aber er ist ein EU-Hardliner. Unlängst fiel er mit der Bemerkung auf, Europa sei «kein Supermarkt». Damit brüskierte er osteuropäische EU-Mitglieder, die keine Flüchtlinge aufnehmen wollen – also keine Pflichten akzeptieren. Ein Nicht-EU-Staat wie die Schweiz kann nach dieser Sicht mit noch weniger Entgegenkommen vonseiten Macrons rechnen.
Leuthard antwortete indirekt: «Wir brauchen den französischen Goodwill nicht», stellte sie gegenüber dieser Zeitung klar, darauf verweisend, dass die Schweiz der drittgrösste Handelspartner der EU sei und insofern doppelt so stark wie die Türkei. Die Interessen der Schweiz und Frankreichs sind zum Teil identisch, das schweisst sogar ungleiche Nachbarn zusammen. Aber im Verhältnis zu Brüssel wird Macron kaum als Fürsprecher der Schweiz auftreten. So wirkte das erste Treffen Leuthards mit Macron herzlich, aber nicht etwa überschwänglich. Fast war eine gewisse Distanziertheit des französischen Präsidenten zu spüren.
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