
Man reibt sich die Augen ob der Vorgänge, die sich rund um die Bundesanwaltschaft und deren Chef, Michael Lauber, abspielen. Seit Wochen ist ein drittes Geheimtreffen des Bundesanwalts mit Fifa-Chef Gianni Infantino in den Schlagzeilen – eines, an das er sich nicht erinnern kann. Die Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft hat deswegen ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Gestern mussten sich Lauber und der Chef der Aufsicht vor der Geschäftsprüfungskommission erklären.
An einer Pressekonferenz am Freitag hatte sich Lauber echauffiert, es sei absurd, dass man ihm wegen solcher Zusammenkünfte einen Strick drehe.
Er sprach von einer «institutionellen Krise», welche mit unbegründeten Vorwürfen gegen ihn heraufbeschworen werde. Die Unabhängigkeit der Bundesanwaltschaft werde infrage gestellt, weil man ihm nicht vertraue. Er fordert von seinen Aufpassern sozusagen mehr Loyalität.
Tatsächlich aber verursacht er selbst die viel grössere Krise. Er stellt die Glaubwürdigkeit der Aufsicht infrage. Das ist brandgefährlich.
Es braucht eine unabhängige Aufsicht
Seit der Neuorganisation der Bundesanwaltschaft 2011 hat der oberste Strafermittler eine grosse Unabhängigkeit und damit auch sehr viel Macht. Keine andere staatliche Stelle kann einschneidender in das Leben von Bürgerinnen und Bürgern eingreifen. Sie kann Menschen über längere Zeit in Haft setzen, deren Geld beschlagnahmen, sie schwerer Delikte beschuldigen. Der Bundesanwalt arbeitet eng mit dem Nachrichtendienst und der Meldestelle für Geldwäscherei zusammen. Das ist konzentrierte Macht.
Unabhängige und sehr aktive Aufsichtsbehörden braucht es überall. Aber mit Sicherheit gerade hier.
Die Bundesanwaltschaft hat mit nicht protokollierten Treffen mit der Fifa, aber auch in anderen komplexen Verfahren, wie am Wochenende bekannt wurde, regelmässig gegen die Schweizer Strafprozessordnung verstossen. Es ist richtig, dass sich die Aufsichtsbehörde unter der neuen Leitung von Hanspeter Uster intensiv mit dieser Problematik und ihren Folgen auseinandersetzt.
Früher, unter Usters Vorgänger, hatten die Aufseher lediglich verlangt, dass solche Treffen schriftlich festgehalten und in den Akten ordnungsgemäss vermerkt werden sollen. Über die mutmasslich systematischen Rechtsverletzungen haben sie grosszügig hinweggesehen.
Auch aktuelle Presseberichte über gesperrte Gelder eines Freundes des Bundesanwalts zeigen, dass es Grund gibt, sehr genau hinzuschauen. Umso gravierender ist es, dass die Aufsichtsbehörde und deren Leiter zurzeit diskreditiert werden. Und zwar ausgerechnet von Lauber, der kontrolliert werden soll, sowie offenbar vom ehemaligen Leiter Aufsicht.
Letzte Chance für Lauber
Lauber hat an der Pressekonferenz am Freitag seinen Aufseher frontal angegriffen und zuvor gegen dessen Behörde sogar eine Aufsichtseingabe bei der Geschäftsprüfungskommission eingereicht. Und den ehemaligen Leiter der Aufsicht, Bundesrichter Niklaus Oberholzer, haben Politiker der Subkommission Gerichte bei einer Anhörung offenbar so verstanden, dass er mit dem Vorgehen seines Nachfolgers nicht einverstanden sei.
Damit wird grosser Schaden angerichtet, denn es schwächt eine Aufsichtsbehörde, die für das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Justiz zentral ist.
Diese Behörde soll den Kontrollierten gegenüber nicht Loyalität zeigen, sondern sie mit gesundem Misstrauen überprüfen, genau hinsehen – und dann berichten. Ganz unaufgeregt. Dass Lauber daraus eine Staatsaffäre konstruiert, ist unverständlich.
Er sollte jetzt erst einmal schweigen, bis die Ergebnisse der Disziplinaruntersuchung gegen ihn vorliegen. Dann kann er sich mit allen Mitteln verteidigen, auch in der Öffentlichkeit.
Jedenfalls ist die Untersuchung der Geheimtreffen keine Zumutung, sondern für Lauber eine Chance. Denn solange nicht alles sauber abgeklärt ist, wird das Misstrauen weiter wachsen. Hanspeter Uster ist nicht als Hitzkopf bekannt. Er wird für eine sachliche Untersuchung und Einordnung der Vorgänge sorgen. Wenn dabei für Bundesanwalt Michael Lauber nichts Gravierendes herauskommt, sind seine Chancen für eine Wiederwahl wesentlich besser als heute.
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Herr Lauber, das ist gefährlich
Der Bundesanwalt greift den eigenen Aufpasser an. So schadet er sich selbst und der Justiz.