Streit um KantonsfinanzenHeisse Debatte um höhere Löhne und tiefere Steuern
Beamte, Lehrerinnen und Pfleger fordern grössere Lohnerhöhungen. Doch dem Kanton fehlen wohl Nationalbank-Millionen. Und er plant Steuersenkungen.

Sogar Pflegeheimleiter laufen Sturm. Die vom Regierungsrat vorgesehenen Lohnerhöhungen, die auch für die subventionierten Betriebe massgebend sind, seien ungenügend. Um die Erosion beim Pflegepersonal zu bremsen, brauche es 4 Prozent mehr für angemessene Löhne, fordert Curaviva BE, der Verband der Berner Alters- und Pflegeinstitutionen.
Doch der Regierungsrat plant Lohnerhöhungen von nur 2 Prozent: Der Teuerungsausgleich soll 0,5 Prozent betragen. Hinzu kommen Lohnerhöhungen um 0,7 Prozent, die jedoch nicht generell, sondern individuell verteilt werden. Und weitere 0,8 Prozent sollen umverteilt werden: von älteren, gut verdienenden Mitarbeitenden, die ihre Stelle wechseln oder pensioniert werden, zu jüngeren.
Wenig umzuverteilen
Diese sogenannten Rotationsgewinne gebe es in der Pflege allerdings höchstens theoretisch, schreibt Curaviva-BE-Präsidentin Erica Kobel-Itten. Pflegeheime hätten nicht einen genügend grossen Personalbestand oder Gehaltsautomatismen wie der Kanton. Kurz, es gibt weniger umzuverteilen als in der Kantonsverwaltung.
«Sonst drohen noch mehr Pflegefachkräfte abzuwandern.»
Ohne angemessenen Teuerungsausgleich drohten aber noch mehr Fachkräfte in andere Bereiche des Gesundheitswesens abzuwandern, oder sie kehrten der Branche sogar ganz den Rücken. Gerade nach bald drei Jahren Pandemie würde es laut Curaviva vom Pflegepersonal kaum verstanden, wenn nicht einmal die Kaufkraft erhalten würde.
Heimleiter lobbyieren denn auch vor der am Montag und am Dienstag angesetzten Debatte über das Kantonsbudget 2023 ungewohnt vehement bei Mitgliedern des Grossen Rates für Nachbesserungen.
Druck auf Astrid Bärtschi
Bei ihrem ersten Budget steht die neue Finanzdirektorin Astrid Bärtschi von allen Seiten unter Druck. Selbst ihre Partei fordert Korrekturen: Die Mitte beantragt, dass die Kantonsangestellten auf individuelle Lohnerhöhungen verzichten.

Die eingesparten 8,3 Millionen Franken sollen Mitarbeitenden der subventionierten Betriebe – wie Pflegeheimen und Betreuungsinstitutionen – gutgeschrieben werden. Dies aber nur den tieferen Jahreseinkommen von bis zu 70’000 Franken. Die Mitte schlägt überdies vor, dass Lehrerinnen und Lehrer ausgenommen werden und wie geplant Gehaltserhöhungen von 2 Prozent erhalten.
Demo für vollen Teuerungsausgleich
In der Kantonsverwaltung und dem Verband des Personals öffentlicher Dienste dürfte diese Umverteilung auf ihre Kosten jedoch schlecht angekommen. Mitte November hatten gegen tausend Personen in Bern dafür demonstriert, dass die Angestellten des Kantons Bern den vollen Teuerungsausgleich erhalten.
In der Finanzkommission des Grossen Rates beantragten ihre Vertreter, dem Kantonspersonal ein zusätzliches Lohnprozent zum Ausgleich der Teuerung zuzusprechen. Insgesamt würden die Gehälter so um 3 Prozent erhöht. Das entspricht genau der momentanen Jahresteuerung.
Zum Vergleich: Der Bundesrat gab am vergangenen Freitag bekannt, dass das Bundespersonal einen Teuerungsausgleich von 2,5 Prozent erhält. In den grossen Schweizer Unternehmen dürften die Löhne 2023 im Schnitt um 2,2 Prozent erhöht werden, wie eine Umfrage der Bank UBS ergab.
Geldquelle droht zu versiegen
Für die Mehrheit der Finanzkommission des Grossen Rates sind die zusätzlichen 2 Prozent für das Kantonspersonal ausreichend. Für mehr fehle der Spielraum, insbesondere wegen der drohenden Mindereinnahmen bei den Gewinnausschüttungen der Schweizerischen Nationalbank.
Im Budget rechnet der Regierungsrat weiterhin mit 480 Millionen Franken. Diese Summe ist angesichts der rekordhohen Verluste der Nationalbank in den ersten neun Monaten dieses Jahres von 142 Milliarden Franken aber unwahrscheinlich geworden.
Der grünliberale Grossrat Tobias Vögeli bezeichnet das Vorgehen des Regierungsrats als grobfahrlässig. Er wird eine Motion einreichen, damit der Kanton die Nationalbank-Gelder nicht mehr vorab budgetiert, sondern künftig nach effektiv eingegangenen Beträgen einrechnet. Denn die Gewinne der Nationalbank schwanken stark und hängen von der Entwicklung der Finanzmärkte, der Wechselkurse und des Goldpreises ab.
Fragezeichen bei Steuersenkungen
In den letzten Jahren machten die Nationalbank-Gelder an den Einnahmen des Kantons Bern einen erheblichen Teil aus, bis zu 4 Prozent. Sie sind daher nicht nur beim Spielraum für Lohnerhöhungen des Staatspersonals relevant, sondern auch bei den ab 2024 geplanten Steuersenkungen.
Wie sie die Lage jetzt einschätzt, das wollte Regierungsrätin Bärtschi vor der Debatte im Grossen Rat nicht sagen. Zu den geplanten Steuersenkungen schreibt sie im Finanzplan, es gebe viele Planungsunsicherheiten und Risiken – neben den Gewinnausschüttungen der SNB auch beim eidgenössischen Finanzausgleich und generell bei den Steuererträgen.
Hinzu kämen wirtschafts- und geopolitische Risiken sowie politische Forderungen, zum Beispiel die Prämienentlastungsinitiative. All das müsse vor den Steuersenkungen «sorgfältig beobachtet» werden. Geplant ist, die im Vergleich zu anderen Kantonen hohen Einkommenssteuern um 72,5 Millionen und die Gewinnsteuern um 30 Millionen Franken zu senken. Die Bürgerlichen fordern schon weitere Senkungen.
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