Heggs Trumpf gegen das zweite Asylzentrum
Unerwartete Wende im Streit um das Bundesasylzentrum in Lyss: Ein aufgetauchter Kaufvertrag verbietet es dem Bund offenbar, das Kasernenareal nicht militärisch zu nutzen.
Noch vor ein paar Wochen überwog bei Andreas Hegg (FDP) die Verärgerung. «Das ist unfair, unsolidarisch und respektlos», enervierte sich der Lysser Gemeindepräsident. Sein Groll richtete sich gegen den Bund. Dieser hatte Anfang April mit dem Entwurf des Sachplans Asyl definitiv klar gemacht, das Kasernenareal in Lyss ab 2025 in ein Bundesasylzentrum mit 350 Schlafplätzen umfunktionieren zu wollen.
Und dies, obwohl 2019 bereits das kantonale Durchgangszentrum im nahen Kappelen zu einem Bundesasylzentrum umgenutzt wird. «Das geht einfach nicht!», empörte sich Hegg und kündigte «grössten Widerstand» gegen die Pläne des Bundes an.
Vertrag aus den 70er-Jahren
Nun ist Heggs Ärger einer leisen Freude gewichen. Einer Freude, die so unverhofft gekommen ist, dass es Hegg selber noch nicht so recht glauben kann. «Es ist ein bisschen wie ein Lottosechser», sagt er. Grund für den plötzlichen Stimmungsumschwung ist ein alter Vertrag, der auf einmal aufgetaucht ist.
Konkret handelt es sich um den Kaufvertrag zwischen der Kasernenkorporation Lyss und dem Bund von 1970. Die Kasernenkorporation, die bis heute als Verein existiert, hatte damals den Grossteil des heutigen Waffenplatzareals an das Eidgenössische Militärdepartement (VBS) verkauft – allerdings mit der Bedingung, dass das Areal ausschliesslich zu militärischen Zwecken genutzt wird. So jedenfalls liest Hegg den Vertrag.
Eine Passage daraus, die der «Berner Zeitung» vorliegt, scheint dies zu bestätigen: «Falls Waffenplatz und Zeughausbetrieb durch die Schweizerische Eidgenossenschaft nicht in obigem Sinne verwendet werden, steht der Kasernenkorporation Lyss ein Rückkaufsrecht zu und falls sie es nicht ausübt, besteht das Recht zugunsten der Einwohnergemeinde Lyss», steht im Vertrag.
Der Bund verzichte zudem auf «jede Verjährungsfrist». Mit anderen Worten: Der Bund darf das Kasernenareal nicht in ein Bundesasylzentrum umnutzen. Und sollte er den Militärstandort dereinst aufgeben, wie er dies mit der Verlegung der Kaserne ab 2025 nach Thun plant, könnte die Kasernenkorporation respektive die Gemeinde Lyss das Areal wieder zurückkaufen.
Das VBS schweigt
Der Vertrag ist laut Andreas Hegg vor zehn Tagen «völlig überraschend und dank eines Hinweises aus der Bevölkerung» aufgetaucht. «Es war reiner Zufall.» Niemand auf der Verwaltung habe Kenntnis davon gehabt. Mit einem Juristen hat der Gemeinderat das Dokument in den vergangenen Tagen geprüft – und will sich im Kampf gegen das geplante Bundesasylzentrum nun darauf berufen.
«Mit dem Vertrag haben wir jetzt natürlich deutlich bessere Karten», sagt Hegg. Er verlangt vom Bund nun umso mehr, das Kasernenareal Lyss wieder vom Sachplan Asyl zu streichen. Dies auch, zumal sich in der Mitwirkung ein grosser Teil der Bevölkerung und fast alle Ortsparteien gegen ein zweites Asylzentrum ausgesprochen haben.
Das VBS, dem das Kasernenareal gehört, reagierte gestern überrumpelt auf den aufgetauchten Vertrag. Auf die Frage, was dieser nun für die weitere Planung des Bundesasylzentrums bedeute, konnte das Militärdepartement bislang keine Antwort liefern, da noch Abklärungen liefen. Wie es scheint, hatte man also auch beim Bund keine Kenntnis vom verstaubten Dokument.
Ebenso wenig wusste die Kasernenkorporation Lyss selbst davon, wie Präsident Peter Schmidhalter auf Anfrage bestätigt. Die Situation sei neu für den Verein, weshalb man zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr dazu sagen könne. Schmidhalter lässt aber durchblicken, dass ein Rückkauf des Areals kaum infrage käme. «Ich wüsste nicht, wo wir das Geld dafür hernehmen sollten.»
Gemeinde will Kauf prüfen
Somit könnte dereinst also doch noch die Gemeinde Lyss zum Handkuss kommen – vorausgesetzt, die Armee gibt den Standort wie geplant auf und verfolgt auch das Bundesasylzentrum nicht weiter. Wie es dann mit dem Areal weiterginge, steht derzeit in den Sternen.
Die Gemeinde Lyss scheint einem Kauf nicht abgeneigt zu sein. «Wir werden uns jetzt natürlich genauer mit dieser Frage beschäftigen», sagt Gemeindepräsident Hegg. Möglich seien am Standort etwa eine Schule, Gewerbeflächen oder Wohnungen.
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