BildungssoziologieGute Noten dank Besuch im Museum?
Eine Studie hat untersucht, ob es den schulischen Erfolg steigert, wenn Eltern ihre Kinder kulturell fördern. Die Forscher kommen zu einem eindeutigen Ergebnis.

Dient es dem schulischen Erfolg, wenn Eltern mit ihren Kindern ein Museum besuchen, sie in museumspädagogische Kurse schicken oder gar ins Theater mitnehmen? Nein, sagt eine neue Studie, die jüngst im «British Journal of Sociology of Education» erschienen ist. Untersucht wurde, ob kulturelle Allgemeinbildung, die der französische Sozialphilosoph Pierre Bourdieu mit dem Konzept des kulturellen Kapitals umschreibt, einen direkten Einfluss auf die Noten in der Schule hat.
Die Soziologin Sarah Stopforth von der University of Sussex und der Sozialstatistiker Vernon Gayle von der Universität Edinburgh, welche die Studie zusammen verfasst haben, verneinen das. Sie sind zwar der Ansicht, dass sich eine hohe soziale Stellung der Eltern und ein hoher Bildungsgrad insgesamt positiv auf die schulische Karriere der Kinder auswirkten. Es sei aber illusorisch, zu glauben, dass man mit Museums- und Theaterbesuchen die tiefe soziale Stellung oder den fehlenden Bildungsrucksack der Eltern ausgleichen könne.
Museum und Theater als Kür
Gemeinsame kulturelle Aktivitäten würden sich zwar oft positiv auf das familiäre Zusammensein auswirken und den Schulkindern einen breiten kulturellen Horizont vermitteln, schreiben Stopforth und Gayle. Das allein genüge aber nicht für den schulischen Erfolg. Museum und Theater gehörten zur Kür. Von grösster Bedeutung sei hingegen das gemeinsame Lesen im Kindesalter und die Förderung der Leseaktivitäten bei Jugendlichen. Kurz: Wer seinen Kindern helfen wolle auf ihrem Weg durch die Schule, solle ihnen Geschichten vorlesen.
In der Bildungssoziologie sei man davon ausgegangen, schreiben Stopforth und Gayle, dass die in früheren Studien beobachteten sozialen Ungleichheiten abgeschwächt werden könnten, wenn geeignete Messgrössen des kulturellen Kapitals in die Analysen einbezogen würden. «Diese Vermutung wird in den vorliegenden empirischen Analysen nicht bestätigt. Die Stellung der Familie in der beruflichen Klassenstruktur ist nach wie vor von grosser Bedeutung.»
«Die Fähigkeit, Sprache zu verarbeiten, ist eine Schlüsselkompetenz.»
«Die empirischen Analysen vermitteln die wichtige Botschaft, dass das Engagement in anspruchsvollen kulturellen Aktivitäten nicht wichtig ist, dass aber Leseaktivitäten einflussreich sind», fassen die beiden Autoren ihre Ergebnisse zusammen. «Die Fähigkeit, Sprache zu verarbeiten, ist eine Schlüsselkompetenz in der Bildung, die sich direkt auf die schulische Arbeit auswirkt.»
Christoph Heim ist Redaktor im Ressort Leben und schreibt am liebsten über Kunst und Kultur. Er arbeitet seit dreissig Jahren im Journalismus und war zehn Jahre lang Ressortleiter Kultur bei der Basler Zeitung.
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