Gutachter erklären Breivik für geistig gesund
Ein neues psychologisches Gutachten hält Anders Behring Breivik für zurechnungsfähig. Damit kann er strafrechtlich belangt werden. Im November kamen Psychiater noch zu einem anderen Schluss.
Breivik sei geistig gesund, heisst es in der Untersuchung, die heute vor Gericht vorgelegt wurde. Im November 2011 hielten ihn Rechtspsychiater noch für unzurechnungsfähig. Sie diagnostizierten eine «paranoide Schizophrenie».
Der Befund hatte damals in der norwegischen Öffentlichkeit einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Auch Experten übten Kritik. Breiviks klare Erinnerung an die Taten sowie die langjährige, minutiöse Planung der Attentate, samt 1500-seitiger Begründung in Form eines Manifests, spreche für die Zurechnungsfähigkeit des Attentäters.
Nicht psychotisch während der Tat
Die neuen Psychologen Terje Toerrissen und Agnar Aspaas kommen in ihrem Gutachten nun zum Schluss, Breivik sei nicht psychotisch gewesen, als er am 22. Juli 2011 seine Gewalttaten verübte. Und auch nach den Taten sei das nicht der Fall gewesen. Das sei das «Hauptergebnis der Experten», teilte das Gericht heute mit. Der 33-Jährige hatte im Regierungsviertel von Oslo und in einem Sommerlager der regierenden Arbeiterpartei auf der Insel Utoya 77 Menschen getötet (siehe Info-Box).
Für das neue Gutachten wurde Breivik in einer speziellen Gefängniszelle knapp vier Wochen lang rund um die Uhr überwacht. Der volle Bericht ist vertraulich. Die Psychiater lehnten es ab, zu erklären, warum sie zu einem anderen Ergebnis gekommen sind als ihre Kollegen im ersten Gutachten.
Sie würden ihre Begründung abgeben, wenn sie ihre Aussage vor Gericht machten, erklärten sie. Bei dem Prozess gegen Breivik, der am 16. April beginnen und zehn Wochen dauern soll, werden beide Gutachten berücksichtigt.
Breivik will seine Ideologie verteidigen
Breiviks Anwalt Geir Lippestad will dabei auch Islamisten und Rechtsextreme in den Zeugenstand rufen, um die Zurechnungsfähigkeit seines Mandanten zu beweisen. Das ist der ausdrückliche Wunsch des Angeklagten. Er ist der Auffassung, dass ansonsten seine Ideologie in Zweifel gezogen würde.
Breivik sieht laut seinem Anwalt Europa in einem Kampf zwischen Christen und Muslimen. Sein Massaker sei der Anfang der Befreiung von «muslimischer Herrschaft» gewesen.
«Zuchtprojekte mit Norwegern»
Auf das Gutachten vom letzten November, das ihm Unzurechnungsfähigkeit attestierte, hatte Breivik gekränkt reagiert. Das sei die «ultimative Erniedrigung» und «schlimmer als der Tod». In einem Brief an norwegische Medien bezichtigte der Attentäter seine Gutachter der Lüge. 80 Prozent der Aussagen über ihn seien erfunden, behauptete Breivik.
Laut den Psychiatern lebte dieser in einer Parallelwelt und litt unter Grössenwahn. Demnach hielt er sich für den «perfektesten Ritter seit dem Zweiten Weltkrieg» und als einen «zukünftigen Regenten». Er habe «Zuchtprojekte mit Norwegern in Reservaten» angekündigt.
Lebenslange Verwahrung droht
Sollte der Attentäter als nicht zurechnungsfähig eingestuft werden, kann er nicht zu einer Haftstrafe verurteilt werden. Er würde dann voraussichtlich in eine psychiatrische Klinik eingewiesen, wo er den Rest seines Lebens verbringen könnte.
Erklären ihn die Gutachter als zurechnungsfähig, können die Richter Breivik zu einer Haftstrafe verurteilen. Die Anklage gegen ihn lautet auf «Terrorakte» und «vorsätzliche Tötung». Daraus könnte die Höchststrafe resultieren, die das norwegische Gesetz vorsieht: Eine Verurteilung zu 21 Jahren Gefängnis.
Doch es gilt als unwahrscheinlich, dass der Massenmörder je wieder auf freien Fuss kommt. Denn nach der Gefängnisstrafe können die Richter eine Verwahrung anordnen, wenn sie den Häftling weiterhin als gefährlich einstufen. Diese Massnahme kann immer wieder verlängert werden.
sda/dapd/rub/bru
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