Grüne Staatsrätin gibt grünes Licht, Landschaftschützer sehen rot
Der Plan zum Bau des 80-Hektaren-Treibhauses im Seeland scheidet die Geister: Die Landschaftsschützer kündigen Widerstand an. Die grüne Freiburger Staatsrätin hingegen schwärmt trotz geplanter Hors-sol-Produktion für das Projekt.
In Freiburg sind die Pläne zum Bau des grössten Treibhauses der Schweiz auf fruchtbaren Boden gefallen. Anders als im Kanton Bern. Die Freiburger Regierung hat das Vorhaben umgehend in den aktuellen Richtplan, also die laufende Planung, aufgenommen. Was überrascht: Das Treibhausprojekt wird in Freiburg von einer grünen Politikerin – Staatsrätin Marie Garnier – aktiv unterstützt. Sie habe schnell und unkompliziert gehandelt, heisst es bei den Bauern, die hinter dem Projekt stecken.
Die an der ETH Zürich ausgebildete Agronomin Garnier schwärmt: Mit einem solchen Gewächshaus würden Ressourcen geschont. Sie sieht viele Vorteile: In Treibhäusern werde weniger Pflanzenschutzmittel eingesetzt, für den Betrieb seien erneuerbare Energien vorgesehen. Und: «Mit dem Projekt können Arbeitsplätze und damit die Existenz vieler Bauernfamilien im Seeland gesichert werden», so Garnier.
Grün und hors-sol
Der Hintergrund: 86 Gemüsebauern wollen – vereinigt in der Genossenschaft Gemüseerzeuger Seeland – ein 80 Hektaren grosses Gewächshaus erstellen. Direkt angrenzend soll auf weiteren 20 Hektaren ein Verarbeitungszentrum gebaut werden. Das Gewächshaus wäre so gross wie 110 Fussballfelder. Diese Zeitung hat gestern die bislang im Verborgenen vorangetriebenen Pläne publik gemacht. Das Engagement der grünen Freiburger Politikerin erstaunt umso mehr, als im Treibhaus neben konventionellem und biologischem Gemüseanbau auch Hors-sol-Gemüse grossgezogen werden soll.
Wo das Treibhaus dereinst stehen wird, ist noch nicht klar: Die Bauern verfolgen zwei Varianten. Ein möglicher Standort liegt im Kanton Bern an der Grenze zum Kanton Freiburg zwischen den Gemeinden Ins und Müntschemier. Der zweite liegt in Sugiez am Fusse des Mont Vully.
Anders als in Freiburg wurden die Bauern von den Berner Behörden eher entmutigt: Der Berner SVP-Regierungsrat Christoph Neuhaus findet das Projekt zwar auch gut. Es sei visionär. Statt sich aktiv einzusetzen, äussert er sich aber pessimistisch: Damit das Projekt realisiert werden könne, müsste der Kanton Bern sogenannte Fruchtfolgeflächen hergeben. Das sind gesetzlich definierte wertvolle Ackerböden.
Neuhaus rechnet vor: Der Kanton müsse nach Bundesvorschrift 82'000 Hektaren solcher Fruchtfolgeflächen vorweisen können. Der Kanton habe nur noch 300 Hektaren überschüssig. Ob sich der Kanton Bern leisten könne, die knappen Reserven für das Treibhaus zu verwenden, sei fraglich, sagt er.
Auf der anderen Seite der Kantonsgrenze sehen es die Behörden entspannter: Freiburg hat zwar nur noch 150 Hektaren überschüssige Fruchtfolgeflächen, also weniger als der Kanton Bern. «Doch Garnier sagt: Wir werden nach Lösungen suchen für das Gewächshausprojekt.» Trotz des Engagements der Freiburger sind die Würfel in der Standortfrage noch nicht gefallen: Denn auf der Berner Seite kämpft eine kommunale Behörde, der Gemeinderat von Ins, für das Projekt.
Vizegemeindepräsident Peter Thomet ist begeistert von der Idee der Bauern. Der Ingenieuragronom unterstützt die Bauern aktiv. «Es wäre unverständlich, wenn Bern die Weiterentwicklung eines so wichtigen Produktionszweiges verschlafen würde.»
Angst vor «Verglasung»
Nicht alle können den Plänen der Bauern Gutes abgewinnen: Gestern verschickte die Stiftung Landschaftsschutz Schweiz als Reaktion auf den Artikel in dieser Zeitung eine Medienmitteilung: Sie wollen das Gewächshaus mit allen Mitteln bekämpfen. Das Seeland sei «eine der imposantesten weiten Landschaften der Schweiz». Ihre Freihaltung und die Aufwertung seien oberstes Gebot. Die Landschaftsschützer sprechen von grossflächiger «Verglasung» des Seelandes.
Kampf für mehr Treibhäuser
Generell wird der Bau grosser Gewächshäuser durch das Bundesgesetz stark eingeschränkt, weil Land, auf dem fest verankerte Gewächshäuser stehen, nicht mehr als Fruchtfolgefläche gilt. Wegen der fehlenden Treibhäuser müssen rund 45 Prozent des in der Schweiz konsumierten Gemüses importiert werden. Die Regelung ist aber umstritten. «Sie muss unbedingt korrigiert werden», sagt etwa Hans-Jörg Walter, SVP-Nationalrat und ehemaliger Bauernverbandspräsident. Denn seines Erachtens sei Hors-sol-Gemüseanbau als landwirtschaftliche Produktion einzustufen.
Die Hors-sol-Produktion berge ökologisch wesentliche Vorteile: Bei hors-sol befinde sich das Wasser in einem geschlossenen Kreislauf. Die Düngermenge könne so besser abgestimmt werden. Weniger Wasser sei nötig, und letztlich werde der Boden nicht belastet. Bundesbehörden und Wissenschaftler befürchten hingegen, dass der wertvolle über Jahrtausende entstandene, fruchtbare Boden zerstört wird, wenn Treibhäuser aufgestellt werden.
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