Alanis MorissetteGroovige Achtsamkeit
Die kanadische Musikerin macht jetzt Meditationsmusik. Das klingt erstaunlich gut.
Jetzt ist die Pandemie wohl auch im Pop richtig angekommen. Inhaltlich. Also ästhetisch. In der Literatur suhlen sich die Experten ja schon lang in Agonie und Ekel angesichts der Corona-Romane, Corona-Essays, Corona-Erfahrungsberichte, Corona-Tagebücher. Vor allem der Tagebücher. Insgesamt natürlich: ganz schwieriges Sujet. Es leiden ja alle auf ganz unterschiedliche Art gleich an dieser Zeit. Gibt nur ganz wenige, die da etwas wirklich anderes zu sagen haben als die anderen – und bei denen wirkt es sehr leicht furchtbar gewollt. Oft auch wahnsinnig manieriert.
Der Pop hat demgegenüber nun natürlich die ganz wunderbare Möglichkeit, gar nichts zu sagen und trotzdem etwas auszudrücken, was man sich für die Welt allgemein ja womöglich öfter wünschen würde. Jedenfalls: Alanis Morissette, eigentlich gerade in Europa unterwegs, um das 25-Jährige ihres episch guten Albums «Jagged Little Pill» live zu feiern, veröffentlicht am Freitag parallel ein neues: «The Storm Before The Calm» (Sony Music). Ein Meditationsalbum. Und was soll man sagen: wirklich überhaupt nicht schlecht. Auch, nein, gerade für Menschen, die Meditationsmusik sonst für geeignet halten, Gehirnmasse in langzeitdurchnässtes Bircher-Müsli zu verwandeln. Diese überachtsamen Akkorde, die Chakren flutenden Nicht-Beats, die Flöten. Vor allem die Flöten.
Eiskristall-helle Gitarren
Morissette hat zusammen mit dem Produzenten und Multiinstrumentalisten Dave Harrington (der ist mit Nicolas Jaar sonst das Electro-Duo Darkside) nun aber ein paar erstaunlich dreidimensionale Songs gebaut. Tragfähige Melodien statt plattem Gewaber, elegant morphende Synthies, Eiskristall-helle Gitarren. Gegen Ende (Song: «Mania») bricht das Ganze sogar in einen schwer rollenden Groove mit viel Zerre aus.«Das Album zu machen, ermöglichte es mir, verbunden und verantwortungsbewusst zu bleiben, als ich in der Corona-Zeit das Gefühl hatte, ich würde mich einfach auflösen und verschwinden», sagt Morissette dazu. Was womöglich wieder zeigt, was oben schon angedeutet wurde: besser schweigen – und ein Philosoph bleiben.
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