Gespräche in Tunis, Geschütze in Homs
Vor der Syrien-Konferenz in Tunis lässt die Gewalt nicht nach. Im Gegenteil: Seit gestern wurden landesweit über 100 Personen getötet. Eine eingeschlossene Journalistin bittet in einem dramatischen Video um Hilfe.
Mit der Androhung scharfer Sanktionen und einer Anerkennung der Opposition erhöht die Staatengemeinschaft den Druck auf die Regierung von Präsident Baschar Assad in Syrien. Vertreter aus mehr als 70 Staaten reisten heute zu einer Konferenz in Tunesien, um über Wege zur Lösung des Konflikts in Syrien zu beraten. Es ist die erste Zusammenkunft der neuen Syrien-Kontaktgruppe. Auch die Schweiz schickte eine Delegation nach Tunesien.
Militärische Optionen stehen bei der Konferenz offiziell nicht zur Diskussion. Russland und China, die Assad bisher den Rücken stärken, haben ihre Teilnahme abgesagt. Zu direkten Gesprächen mit Vertretern des syrischen Regimes wird es in Tunis nicht kommen – die Regierung Assad wird nicht vertreten sein. Lediglich Repräsentanten des oppositionellen syrischen Nationalrats (SNC) waren eingeladen.
Waffenruhe gefordert
Die Syrien-Kontaktgruppe stellte dem SNC eine enge Zusammenarbeit in Aussicht. Der SNC sei «eine legitime Vertretung von Syrern, die einen friedlichen demokratischen Wandel suchen», heisst es in einer Erklärung, die heute beim ersten Treffen der Kontaktgruppe in Tunis verabschiedet werden soll.
Die Vereinigten Staaten, Europa und arabische Länder erwägen, dem syrischen Präsidenten Bashar al-Assad ein Ultimatum für eine Waffenruhe zu stellen. Die Rede ist von einem «sofortigen Stopp» der Gewalt, damit humanitäre Hilfe geleistet werden könne. Tritt Assad nicht auf die Forderungen ein, sollen weitere Sanktionen verhängt werden. Zu den angedrohten Massnahmen zählen demnach Reisebeschränkungen für Mitglieder der Assad-Regierung, Investitionsstopps, die Behinderung von Kriegswaffenlieferungen sowie das Einfrieren von Vermögen auf ausländischen Konten. Ausserdem sollen sämtliche Geschäfte mit der syrischen Zentralbank unterbunden werden.
Damaskus unbeeindruckt
Die internationalen Bemühungen um ein Ende des Blutvergiessens in Syrien lassen die Führung in Damaskus unbeeindruckt. Wenige Stunden vor Beginn einer Konferenz der «Freunde Syriens» in Tunesien beschoss die syrische Armee das Viertel Baba Amro der Stadt Homs mit schweren Geschützen.
Am Morgen seien in Homs fünf Erwachsene und ein Kind ums Leben gekommen, teilen Aktivisten mit. Gestern seien landesweit 101 Menschen getötet worden, die meisten in den Provinzen Hama und Idlib. Der Stadtteil Baba Amro wird seit drei Wochen belagert und befindet sich seitdem unter schwerem Beschuss. Hunderte Zivilpersonen sind nach Angaben von Aktivisten getötet worden.
Der zum Sondergesandten für Syrien ernannte Kofi Annan rief in Genf alle Seiten zur Kooperation auf. Er fühle sich geehrt, die Rolle des Sondergesandten anzunehmen, schrieb Annan in einem Comuniqué. Er hoffe, zu einer friedlichen Lösung der syrischen Krise beitragen zu können.
Krisensitzung auch bei der UNO
Der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen wird bei einer Krisensitzung am kommenden Dienstag über die andauernde Gewalt in Syrien beraten. UN-Menschenrechtsexperten würden bei dem Treffen die Lage vor Ort schildern, sagte die Präsidentin des Rates, Laura Dupuy Lasserre, am Freitag in Genf.
Das Expertengremium hatte gestern einen Bericht vorgelegt, in dem es der syrischen Regierung Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorwirft. Zudem sei eine vertrauliche Liste mit den Namen führender Regierungsvertreter erstellt worden, die wegen Menschenrechtsverstössen angeklagt werden könnten, teilten die Experten mit.
Journalisten rufen um Hilfe
Nach mehr als zweiwöchiger Abwesenheit ist der französische Botschafter in Syrien, Eric Chevallier, gestern in die syrische Hauptstadt Damaskus zurückgekehrt. Ein Diplomat bestätigte die Rückkehr, wollte aber nicht sagen, ob der Schritt mit den französischen Opfern des Angriffs auf die Protesthochburg Homs vom Mittwoch zusammenhänge. Der französische Fotograf Rémi Ochlik war dort durch eine Granate tödlich getroffen worden, die die syrische Armee abgefeuert hatte. Mit ihm zusammen starb die US-Journalistin Marie Colvin.
Die Reporterin der französischen Zeitung «Le Figaro», Edith Bouvier, wurde bei dem Angriff an den Beinen verletzt. Sie bat gestern vom Krankenbett aus in einem Videoum Hilfe. «Mein Bein ist am Oberschenkelhals längs und quer gebrochen. Ich muss so schnell wie möglich operiert werden», sagte sie in dem Clip. Ein Krankentransport müsse sie deshalb während einer Feuerpause in den Libanon bringen, da die Ärzte in Homs nicht operieren könnten.
Der französische Fotograf William Daniels ergänzte in dem Video: «Ich hoffe, dass die französischen Behörden uns so schnell wie möglich helfen können, denn es ist schwierig hier: Wir haben keinen Strom, nicht viel zu essen und es wird weiter bombardiert.»
sda/AFP/dapd/ami
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