Gericht verurteilt chinesische Politikergattin wegen Mordes
Gu Kailai wird beschuldigt, einen britischen Geschäftsmann umgebracht zu haben. Das Gericht verhängte nun eine bedingte Todesstrafe. Nun wartet der schwierigere Teil der Polit-Affäre auf die chinesische Führung.
Bedingte Todesstrafe im Giftmordprozess gegen die Ehefrau des ehemaligen chinesischen Spitzenfunktionärs Bo Xilai: Ein Gericht in der ostchinesischen Stadt Hefei hat Gu Kailai des Mordes an einem britischen Geschäftsmann für schuldig befunden. Gu hatte den Mord am britischen Geschäftsmann Neil Heywood am ersten und einzigen Verfahrenstag am 9. August gestanden. Wenn Gu sich in den nächsten zwei Jahren keiner weiteren Straftaten schuldig macht, wird die Strafe wahrscheinlich in eine lebenslange Haftstrafe umgewandelt.
Nach Angaben von Gerichtssprecher Tang Yigan hat das Gericht Gus Geständnis, ihre Reue und ihre psychologische Beeinträchtigung als mildernde Umstände gewertet. Die Angeklagte habe in der Vergangenheit an chronischer Schlaflosigkeit, Angstzuständen, Depressionen und Paranoia gelitten. Laut Tang wurde ein als Komplize mitangeklagter Hausangestellter zu neun Jahren Gefängnis verurteilt. Vier Polizisten, die die Tat vertuschten, erhielten Haftstrafen zwischen fünf und elf Jahren. Weder Gu noch der Komplize planten, das Urteil anzufechten, sagte Tang weiter. Gu habe dem Gericht gesagt, dass Urteil sei «fair und respektiere geltendes Recht».
Gift im Hotel verabreicht
Der Anwalt der Familie des ermordeten Geschäftsmannes, He Zhengsheng, wohnte der Urteilsverkündung bei und erklärte, er müsse das Urteil mit Heywoods Familie besprechen und wisse nicht, ob diese in Berufung gehen werde. «Wir respektieren das Urteil des Gerichts heute.»
Gu soll Heywood laut Staatsanwaltschaft im November in ein Hotel gelockt und mit ihm Wein getrunken haben. Als Heywood betrunken war, habe ihm Gu Gift eingeflösst, das der Hausangestellte Zhang Xiaojun ihr gereicht habe.
Hintergrund ist nach offizieller Darstellung, dass Gu mit Heywood über Geld stritt und um die Sicherheit ihres Sohnes fürchtete. Seit wann sich Gu und Heywood kannten, ist umstritten. Das Gericht ging nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua davon aus, dass sich beide seit 2005 kennen, nach britischen Medienberichten arbeiteten sie aber bereits seit den 1990er Jahren zusammen.
Britische Botschaft begrüsst Urteil
Die britische Botschaft, deren Konsularvertreter dem Prozess beiwohnten, begrüsste das Urteil. In einer Erklärung hiess es, Grossbritannien habe China gemahnt, dass die Verfahren den internationalen Menschenrechtsrichtlinien entsprechen müssten und die Todesstrafe nicht verhängt werden solle.
Der Prozess hatte internationale Aufmerksamkeit erregt. Analysten zufolge dürfte das Gericht so entschieden haben, weil bei Verhängung der Todesstrafe ein Sturm der Entrüstung gedroht hätte oder Gu als Sündenbock für die Verfehlungen ihres Mannes gesehen worden wäre.
Politisch brisanter Prozess
Ob Ehemann Bo in den Mordfall verwickelt war, blieb offen. Sein Name fiel in dem Mordprozess nicht. Nach Berichten chinesischer Medien muss er sich aber zumindest einer parteiinternen Untersuchung wegen «disziplinarischer Verstösse» stellen.
Der Funktionär galt lange als aussichtsreicher Kandidat für höchste Aufgaben in der führenden Kommunistischen Partei. Im März verlor er seine Parteiämter, ohne Angaben von genauen Gründen.
Der Politkrimi um den einstigen Spitzenpolitiker schlug monatelang hohe Wellen und gilt als schwerste politische Krise seit zwei Jahrzehnten. Als Parteichef der Millionenstadt Chongqing war Bo mit seinem Durchgreifen gegen das organisierte Verbrechen landesweit populär geworden, was nicht überall auf Gegenliebe stiess.
Noch in diesem Monat soll auch dem früheren Polizeichef von Chongqing, Wang Lijun, der Prozess gemacht werden. Dieser war jahrelang Bos Verbündeter, hatte aber im Februar die Affäre ans Licht gebracht.
Aufräumen des Schlamassels
Der Prozess gegen die Ehefrau des in Ungnade gefallenen Politikers Bo Xilai war der leichte Teil beim Aufräumen des Schlamassels, den das Paar der chinesischen Parteiführung beschert hat. Jetzt kommt der schwierige Teil: Bo wegen Machtmissbrauchs abzustrafen, ohne den Ruf der Kommunistischen Partei noch mehr zu ramponieren.
Disziplinarmassnahmen in aller Stille würden es der regierenden Partei ersparen, öffentlich schmutzige Wäsche zu waschen. Doch sie würden das Volk in der Ansicht bestärken, dass die Partei mit einem der Ihren Nachsicht walten lässt. Beobachter halten es daher für wahrscheinlicher, dass die Führung Bo öffentlich zur Rechenschaft zieht.
Über Untergebene zu Vorgesetzten
Ein erster Hinweis auf eine Anklage ist für den Chinaexperten Cheng Li von der Brookings Institution in Washington, dass vier Polizisten aus Chongqing unter dem Vorwurf vor Gericht gestellt wurden, Gu Kailai beim Vertuschen des Mordes an dem britischen Geschäftsmann Neil Heywood geholfen zu haben.
In der chinesischen Politik pflegt man sich nicht selten Untergebene vorzuknöpfen, um an ihre Vorgesetzten heranzukommen. In der Hierarchie können die Polizisten direkt mit Bo in Verbindung gebracht werden, dem einstigen Parteichef der Megastadt Chongqing.
Einst galt der 63-jährige Bo als Kandidat für den neun Mitglieder zählenden Ständigen Ausschuss des Politbüros. Stattdessen wurde Bo nun als Parteichef von Chongqing abgesägt und vorläufig aus dem Politbüro ausgeschlossen. Die Parteimitgliedschaft behielt er aber.
Der Zusammenbruch von Bos Welt begann, als der Polizeichef von Chongqing, Wang Lijun, sich im Februar ins US-Konsulat in Chengdu schlich und den Amerikanern Informationen über den Mord an Heywood übergab. Dessen Tod hatte bis dahin als Unglücksfall infolge übermässigen Alkoholkonsums gegolten. Grossbritannien ersuchte China daraufhin um eine erneute Untersuchung, die zur Verhaftung von Gu Kailai führte.
Bos Name fiel nie
Weder in dem Verfahren noch in der Berichterstattung der staatlichen Medien darüber fiel Bos Name – ein Anzeichen dafür, dass die Partei Gus Fall von etwaigen Anklagen gegen ihren Mann getrennt halten möchte. Um Bo kümmert sich die parteiinterne Disziplinarkommission, deren Ermittlungen Monate dauern können.
Teilt sie mit, dass ihre Prüfungen abgeschlossen sind, wäre der Weg frei für ein Gerichtsverfahren. Anklagevorwürfe könnten Behinderung der Polizeiarbeit, Machtmissbrauch und Korruption sein. Bislang wurde Bo lediglich schwerwiegender, aber nicht näher bezeichneter Regelverstösse beschuldigt.
Populist mit Ambitionen
Kommt Bo vor Gericht, ist eine Verurteilung so gut wie sicher. Die Mühlen der chinesischen Justiz scheinen hinter einem Schleier des Geheimnisses langsam zu mahlen, doch ist einmal eine Entscheidung gefallen, geht alles ganz schnell.
Bo, Sohn eines Spitzenfunktionärs, war ein populistischer Politiker. Mit Charisma und mit dem Einsatz für soziale Anliegen machte er sich bei der Arbeiterklasse und auch bei einigen in der Führung beliebt.
Doch viele ärgerte auch, wie er sich nach oben zu lavieren versuchte, wie er gegen organisiertes Verbrechen zu Felde zog und dabei auf Bürgerrechten herumtrampelte und unliebsame Erinnerungen an die Kulturrevolution weckte.
Seiner Kampagne gegen das Verbrechen, bei der auch gefoltert worden sein soll, fielen auch Anwälte und Regierungskritiker zum Opfer, die sich jetzt zunehmend um Rehabilitierung bemühen.
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