Memorial InternationalGericht löst Russlands bedeutendste Menschenrechtsorganisation auf
Das Oberste Gericht Russlands hat gegen die Organisation Memorial International ein Verbot verhängt. Die Mitglieder beklagen politische Verfolgung.

Das Oberste Gericht Russlands hat die Auflösung der bedeutendsten Menschenrechtsorganisation des Landes, Memorial International, angeordnet. Das Verbot der Dachorganisation von Memorial wurde am Dienstag wegen angeblicher Verstösse gegen das sogenannte Ausländische-Agenten-Gesetz verhängt. Memorial weist die Vorwürfe zurück und beklagt politische Verfolgung. Jan Ratschinski von der Memorial-Leitung kündigte an, gegen das Urteil vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte vorzugehen.
Wie die Organisation im Messengerdienst Telegram erklärte, wurden mit der Entscheidung auch die regionalen Unterorganisationen von Memorial International verboten. Gegen die erzwungene Auflösung von Memorial demonstrierten dutzende Menschen vor dem Moskauer Gerichtsgebäude.
«Politische Entscheidung» ohne Rechtsgrundlage
Memorial gehört zu den wichtigsten zivilgesellschaftlichen Organisationen in Russland. Die Ende der 80er Jahre vom sowjetischen Dissidenten und Friedensnobelpreisträger Andrej Sacharow mitbegründete Organisation setzt sich für die Aufarbeitung der politischen Verfolgung und des stalinistischen Terrors in der Sowjetunion, aber auch für die Wahrung der Menschen- und Bürgerrechte im heutigen Russland ein.
Die Gesellschaft sprach von einer «politischen Entscheidung» ohne Rechtsgrundlage. Ziel sei die «Zerstörung einer Organisation, die sich mit der Geschichte politischer Repressionen und mit dem Schutz der Menschenrechte befasst». Menschenrechtler beklagen zunehmende autoritäre Tendenzen und die Verfolgung Andersdenkender in Russland.
Beobachter sehen in dem Vorgehen gegen Memorial auch den Versuch der russischen Führung, die sowjetische Geschichte umzudeuten. Während Memorial Gedenkorte für die Opfer des Stalinismus schaffen will, erinnert der Kreml an Stalin vor allem als Kriegshelden und Bezwinger des Nationalsozialismus. Aufarbeitung, wie Memorial sie betreibt, wird als Angriff auf dieses Geschichtsbild gewertet. Präsident Wladimir Putin hatte Memorial vorgeworfen, Nazi-Kollaborateure im Zweiten Weltkrieg rehabilitiert zu haben.
Fehler gefunden?Jetzt melden.