Geld für die AHV oder das Klima
SP und Gewerkschaften wollen mit SNB-Gewinn die AHV finanzieren, die Grünliberalen etwas gegen den Klimawandel tun.

«50 Milliarden Franken, das ist ein kolossaler Gewinn», frohlockt Pierre-Yves Maillard. Der waadtländer SP-Nationalrat und Präsident des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes findet, jetzt sei die Zeit gekommen, um einen Teil des Gewinnes der AHV zukommen zu lassen. «Mit 50 Milliarden könnte man den Ausgleichsfonds der AHV mehr als verdoppeln.»
Der Gewinn stamme einerseits aus den Negativzinsen, welche die Nationalbank bei den Sparern und den Pensionskassen einnehme. «Dieses Geld gehört sowieso in die AHV», findet Maillard. Andererseits werde die SNB eine Reserve für zukünftige Gewinnausschüttungen von weit über 100 Milliarden Franken bilanzieren. «Das ist viel mehr, als sie je benötigen wird, und es widerspricht ihrem Verfassungsauftrag», sagt Maillard, «sie muss dieses Geld ausschütten.»
Der Gewerkschafter will im Parlament eine Mehrheit für einen entsprechenden Vorschlag erarbeiten. «Auch rechts gibt es Stimmen, welche die AHV unterstützen wollen, und ich hoffe, dass wir parteiübergreifend für die AHV einen Konsens erreichen.»
Keine «geldpolitischen Träumereien»
Das dürfte allerdings nicht so einfach werden. FDP-Fraktionschef Beat Walti (ZH) lehnt eine Unterstützung der AHV rundweg ab. «Die Sozialversicherungen müssten in sich selbst nachhaltig finanziert sein», findet er. SP und Gewerkschaften sollten Hand bieten zu sachlich vernünftigen Reformvorschlägen statt geldpolitischen Träumereien. Man tue auf der Linken so, als ob die Nationalbank Eigenkapital habe, das sie nicht brauche. «Der Anteil an der Bilanzsumme ist aber kleiner als zu geldpolitisch normalen Zeiten», sagt er.
Es sei der Wunschtraum von SP und Gewerkschaften und leider auch von Teilen der SVP, die SNB in ein Füllhorn aus Geld zu verwandeln und damit ihre Begehrlichkeiten zu finanzieren. Das sei aber volkswirtschaftlich höchst riskant. «Mit der Nationalbank die AHV zu finanzieren, ist zudem reine Augenwischerei», findet Walti, «weil damit das Problem nicht gelöst, sondern höchstens nur kurzfristig gelindert werden kann.»
«Es kann auch einmal ein Verlust von 100 Milliarden vorkommen.»
Auch in der SVP dürfte es Maillards Ansinnen für einen Schulterschluss nicht leicht haben. Eine parlamentarische Initiative, welche die Erträge aus den Negativzinsen der AHV zukommen lassen will, stammt vom abgewählten Aargauer Nationalrat Maximilian Reimann. Sie wurde zwar vom Zürcher Nationalrat Thomas Matter übernommen, doch ihre Zukunft ist ungewiss.
Matter argumentiert ähnlich wie Beat Walti: «Die Höhe des Gewinns bedeutet nicht viel angesichts dieser extrem hohen Bilanzsumme.» Er warnt vor neuen Begehrlichkeiten, die jetzt seitens der Kantone oder der Linken kommen könnten. Allerdings: Wenn die Bilanzsumme dereinst wieder auf einem normalen Niveau liege und man dann tatsächlich zu viel Eigenkapital habe, dann könne er sich eine einmalige Ausschüttung eines Teils an die AHV sehr gut vorstellen. «Vorher ist es viel zu riskant, die Nationalbank zu einmaligen oder regelmässigen Zahlungen an die AHV zu verpflichten», sagt Matter. Die SNB müsse geldpolitischen Spielraum haben. «Es kann auch einmal ein Verlust von 100 Milliarden vorkommen», findet er.
Geld für den Klimaschutz
Zurückhaltend ist auch Jürg Grossen, Präsident der Grünliberalen. «Wenn die Nationalbank eigenständig den Entscheid fällt, Gewinn einmalig auszuschütten, ist das in Ordnung», sagt er. Regelmässige Zahlungen seien aber riskant, denn sie würden der Nationalbank eine Art Auftrag geben, Gewinn zu erwirtschaften, den sie eigentlich gar nicht habe. Die Zeiten könnten sich zum Negativen ändern, deshalb dürfe die AHV nicht so finanziert werden. «Ich fände es besser, wenn solche Gewinne für einmalige Klimaschutzprojekte, zum Beispiel für nachhaltige Gebäude oder Infrastrukturen, ausgegeben würden, die allen zugutekommen», sagt Grossen.
«Die Unabhängigkeit der Nationalbank ist bereits heute nur noch eine Illusion.»
Vorbehaltlos kann Maillard nur auf die Unterstützung der SP zählen. «Ich habe nie verstanden, warum man neben Lohnprozenten und der Mehrwertsteuer nicht auch mehr direkte Bundessteuer oder Gewinne der Nationalbank für die Finanzierung der AHV heranzieht», sagt Cédric Wermuth. Der Aargauer Nationalrat kandidiert mit der Zürcher Parteikollegin Mattea Meyer für das Co-Präsidium seiner Partei.
Die Nationalbank finanziere ja schon jetzt die Kantone, da sei die AHV sicher auch eine sinnvolle Investition. Die Unabhängigkeit der Nationalbank sei bereits heute nur noch eine Illusion. «Es brauchte lediglich eine ähnliche Vereinbarung, wie sie mit den Kantonen besteht, wie viel die SNB jedes Jahr mindestens an die AHV ausschüttet», findet er, «das auf jeden Fall substanziell.»
Pierre-Yves Maillard fordert die Nationalbank und die Kantone auf, bei der Diskussion mitzumachen. «Wenn nicht, dann werden wir eine Diskussion über die in der Verfassung festgelegte Gewinnausschüttung lancieren müssen», droht er. Das wäre nicht das erste Mal. Eine entsprechende Volksinitiative von SP und Gewerkschaften wurde 2006 mit knapp 60 Prozent Nein-Stimmen abgelehnt.
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