Oligarchen in ÖsterreichGefährliches Roulette
Kein anderes westeuropäisches Land hat so enge wirtschaftliche Beziehungen mit Russland wie Österreich – was sich jetzt als riskant erweist.

Die Pracht des neuen Firmenpalasts des russischen Ölkonzerns Lukoil in Wien lässt sich nur erahnen. Über Monate wurde unter der Führung des österreichischen Bauunternehmens Porr fleissig an der neuen Europazentrale des Energieriesen gewerkelt. Doch ob der prächtige Bau nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine fristgerecht fertiggestellt wird, steht in den Sternen.
Vor dem Angriff auf die Ukraine wurde Präsident Wladimir Putin, seinen Oligarchen und deren Unternehmen in Österreich der rote Teppich ausgerollt – mit Erfolg. In keinem anderen EU-Land in Westeuropa spielen die Russen eine derart bedeutende Rolle für die Wirtschaft. Mit mehr als 21,4 Milliarden Euro war laut Österreichischer Nationalbank das Reich von Wladimir Putin nach Deutschland der grösste Auslandsinvestor im Jahr 2020.
Über Nacht zum Albtraum
Doch mit dem Angriff Putins auf die Ukraine wird der umworbene Investor Russland zur zunehmenden Belastung. Das bislang prominenteste Beispiel ist die Pleite der russischen Sberbank in Wien. Die Europa-Tochter der Staatsbank – nur wenige Schritte von der geplanten Lukoil-Zentrale entfernt – wurde für ihre Kunden über Nacht zum Albtraum. Die österreichische Einlagensicherung musste mit einem Volumen von fast einer Milliarde Euro einspringen, um Guthaben bis zu 100’000 Euro von fast 35’000 Kunden in Deutschland zu sichern.
Bei Lukoil hatte bis vor kurzem der frühere Bundeskanzler Wolfgang Schüssel einen Sitz im Aufsichtsrat. Erst auf massiven politischen Druck hin gab der frühere ÖVP-Chef das gut bezahlte Mandat auf. Sein Versuch, mit einer kritischen Haltung des Ölkonzerns zum Ukraine-Krieg das politische Blatt in letzter Minute noch zu wenden, war zuvor gescheitert. Als Erster hatte der ehemalige Kanzler und SPÖ-Chef Christian Kern seinen Posten als Aufsichtsrat bei der russischen Staatsbahn RZD geräumt, nachdem auf der Schiene Kriegsmaterial in Richtung Ukraine geschafft worden war.
Knicks vor Putin
Nur die frühere FPÖ-nahe Aussenministerin Karin Kneissl bleibt weiterhin loyal zum Kreml. Die Energieexpertin, die durch ihren unterwürfigen Knicks vor Putin bei ihrer Hochzeit 2018 international bekannt wurde, behält weiter ihr angeblich mit 500’000 Euro dotiertes Aufsichtsratsmandat beim russischen Ölriesen Rosneft, bei dem der deutsche Ex-Kanzler und frühere SPD-Chef Gerhard Schröder Chefkontrolleur ist. Die 56-Jährige ist nach Südfrankreich in die Nähe von Avignon emigriert. «Ich musste flüchten, ich bin nicht freiwillig weg», beteuerte sie in einem Fernsehinterview bei RTL. Sie sprach von einem «Arbeitsverbot» in ihrer österreichischen Heimat.
Raiffeisen steht unter besonderem Druck. Die Sorgen sind gewaltig: Schliesslich hat Raiffeisen in Russland nach eigenen Angaben Kredite von 11,6 Milliarden Euro vergeben. In der Ukraine sind es 2,2 Milliarden an Darlehen der insgesamt mehr als zwei Millionen Kunden in 390 Filialen.
Und die Zukunft? Sie ist voller Risiken und angesichts des ungewissen Kriegsverlaufs unberechenbar. Vorstandschef Johann Strobl taucht in dieser schweren Situation weitgehend ab. Zuvor hatte er im ORF noch Beruhigungspillen verteilt: «Wir haben keine Pläne, uns aus Russland zurückzuziehen.» Vorerst – intern wurde ein Ausstieg bereits durchgerechnet, berichten hingegen Finanzkreise in Wien. Die Bank werde aber auch ohne Russland überlebensfähig sein, sollte Putin auf die Idee kommen, ausländische Banken im eigenen Land zu verstaatlichen.
Schmiergelder für ein Titangeschäft
Russlandfreundliche Oligarchen stellten für den Standort Österreich ein wachsendes Risiko dar. Der ukrainische Milliardär Dmytro Firtasch sitzt wegen eines Auslieferungsbegehrens der USA in Wien fest. Er soll Schmiergelder für ein geplantes Titangeschäft in Indien gezahlt haben. Wegen angeblicher Lieferungen des wertvollen Metalls an die russische Militärindustrie hatte der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski die Vermögenswerte von Firtasch in seinem Heimatland bereits im vergangenen Jahr einfrieren lassen. Firtasch bestreitet die Vorwürfe.
Ihre Russland-Connection ist auch für den österreichischen Baukonzern Strabag zur Belastung geworden. Denn Grossaktionär der Strabag ist der Multimilliardär Oleg Deripaska. Sein Hotel Aurelio, das teuerste Luxushotel im Nobelskiort Lech am Arlberg, hat der kremlnahe Oligarch bereits an eine Hotelgruppe seines Cousins Pavel Ezubov verkauft.
Deripaska hat sich mittlerweile von Putin distanziert – in Grossbritannien wurde er dennoch auf die Sanktionsliste gesetzt. Das Aussenministerium in Wien dementierte Berichte, wonach sich Österreich dafür eingesetzt habe, dass Deripaska von der EU-Sanktionsliste gestrichen wird.
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