Für die Internet-Liebe griff er in die Kasse
Er betrog den Kanton um mehr als 430'000 Franken. Am Freitag wurde der ehemalige Mitarbeiter des Migrationsamtes zu einer unbedingten Gefängnisstrafe von 7 Monaten verurteilt. Vor Gericht stand ein einsamer, verzweifelter Mann.

Nein, gut gehe es ihm nicht. Denn er finde keine Arbeit mehr. Das sagte der rund 50-jährige Mann am Freitag vor dem Regionalgericht Bern-Mittelland auf die entsprechende Frage des Gerichtspräsidenten.
Dass er seit ziemlich genau einem Jahr arbeitslos ist, hat weniger mit seinem Alter zu tun. Vielmehr liegt es an seinen langen Fingern: In seiner Funktion als Angestellter des kantonalen Amtes für Migration und Personenstand (MIP) zweigte er zwischen 2014 und 2016 rund 430 000 Franken ab.
Die Handlungen haben zunächst vor allem den Anstrich von Dreistigkeit und Gier. Die grössten Triebfedern des Angeklagten waren jedoch Einsamkeit und Verzweiflung.
Teure Internet-Beziehungen
Der eher unscheinbare und übergewichtige Mann mag im Amt zwar wohlbekannt gewesen sein und Vertrauen genossen haben. Schliesslich arbeitete er seit den frühen 90er-Jahren dort. Privat jedoch war er ein Einzelgänger, der sich nach Zuneigung und Liebe sehnte. Dieses Bild zeichnete er selbst von sich, die Schilderungen des Richters und des Staatsanwalts gingen in die gleiche Richtung.
Die grossen Beträge, die er von seinem Arbeitgeber und den Steuerzahlern veruntreut hatte, wendete er auf, um endlich auch im Privatleben wertgeschätzt zu werden. In seiner Hoffnung, dass seine Zuneigung erwidert werde, schickte der homosexuelle Mann naiv immer wieder Geld an männliche Internetbekanntschaften aus Nordafrika. «Ich war wie in einem Rausch», gestand er vor Gericht.
Er setzte Kollegen unter Druck
Der Beschuldigte war bis im Dezember 2016 in der Abteilung Ausreise angestellt. Das ist jener Bereich innerhalb des MIP, der Ausländerinnen und Ausländer mit einem gewissen Betrag ausstattet, die die Schweiz verlassen wollen oder müssen. Sein direkter Zugriff auf die Bargeldkasse erklärt in Grundzügen, weshalb diese Veruntreuung überhaupt möglich war.
Unklar war bis zur gestrigen Gerichtsverhandlung, wie es ihm jeweils gelungen war, die nötige Zweitunterschrift für die Belege zu bekommen. In der Anklageschrift heisst es dazu: «Das Formular legte er zur Rechnungsprüfung jeweils einem anderen ihm vertrauten Mitarbeiter vor, welcher arglos unterzeichnete.
Zur Umgehung einer eingehenden Prüfung setzte er seine Kollegen unter zeitlichen Druck, indem er eine grosse Menge an Belegen vorlegte oder angab, dass der Empfänger bereits auf ihn warten würde.»
Richter kritisiert das Amt
Gerichtspräsident Daniel Gerber verurteilte zwar das Verhalten des Angeklagten deutlich. Jedoch nahm er auch den Arbeitgeber in die Pflicht. Das fast schon grenzenlose Vertrauen, das seine Vorgesetzten dem Mann entgegenbrachten, sei unverständlich. «Immerhin wussten einzelne Mitarbeiter davon, dass sein Lohn teilweise und über längere Zeit gepfändet war, weil er seinen Verbindlichkeiten nicht nachkommen konnte.»
Verräterisch fand Gerber vor allem, dass die Kasse, in der sich der Beschuldigte bediente, zwischen 2014 und 2016 richtiggehend explodiert ist. «Die Auslagen stiegen von etwa 5700 Franken im Jahr 2013 auf über 340 000 Franken im Jahr 2016. Das entspricht einer Kostensteigerung von fast 6000 Prozent.» Dass dies niemandem aufgefallen sei, «darüber kann ich nur staunen».
Das dreiköpfige Gericht verurteilte den Mann zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 7 Monaten, zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 28 Monaten bei einer Probezeit von zwei Jahren sowie zu einer Geldstrafe von 300 Franken.
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