Frieren und tricksen in Gstaad
Das Beachvolleyball-Turnier in Gstaad feiert sein 20-Jahr-Jubiläum. Es hat so manchen denkwürdigen Moment erlebt.
Eigentlich wollte Monica Rodrigues an diesem Julimorgen nur Beachvolleyball spielen. Doch als sich die Brasilianerin auf den Weg zum Center Court in Gstaad machte, traute sie ihren Augen kaum. Die Berggipfel rundherum waren frisch verschneit, es war entsprechend kühl, für brasilianische Verhältnisse wohl eher arktisch.
Deshalb bestand Rodrigues vor ihrem Einsatz im Spiel um Platz 3 auf ein wärmendes Fussbad. Weil die Organisatoren kein geeignetes Becken dafür zur Hand hatten, montierten sie kurzerhand den Abfallkübel vom Infohäuschen ab, in welchem die Helferinnen Kirschsteine entsorgt hatten. Was erst klar wurde, als Rodrigues ihre Füsse im purpurrot gefärbten Wasser aufwärmte.
Diese und weitere Anekdoten stehen im Buch «20 Jahre Gstaader Beachgeschichten», das die ehemalige Spielerin Mägi Kunz-Schläfli zum Jubiläum des Turniers schrieb. Und sie zeigt auf, was zu Beginn neben Pioniergeist auch gefragt war: die Kunst der Improvisation. Denn Beachvolleyball in den Bergen, das war damals vor allem eine verrückte Idee.
Und doch stiess sie rasch auf Anklang. 1' 000 Besucher konnten Initiator Ruedi Kunz und sein Team im Juli 2000 begrüssen. Mit der nun 20. Ausgabe ist Gstaad die einzige Konstante im sich stetig ändernden Kalender der World Tour. In den nächsten Tagen, wenn die besten Spieler der Welt wiederum im Saanenland antreten, werden fünfmal so viele Zuschauer erwartet wie bei der Premiere.
Als Sponsoren schaufelten
Dabei geht ganz vergessen, dass der Anlass zu Beginn auf wackeligen Beinen stand. Ein erster Versuch, ein Beachvolleyballturnier in Gstaad durchzuführen, scheiterte im Juli 1995 wegen fehlender Finanzen und Ressourcen. Kunz aber glaubte weiter an die Idee, im November 1999 gründete er die Firma Sport Events Gstaad GmbH.
Sein Grundgedanke war, die Infrastruktur des Tennisturniers zu nutzen. Weil die Zeit bis zum Anlass aber knapp war, konnten weder wichtige Verträge ausgehandelt werden, noch fanden sich genügend Helfer für die Premiere. Doch durch den Verkauf seiner IT-Firma sicherte Kunz einen Teil der Finanzierung.
Und als in der Nacht von Samstag auf Sonntag aus den zwei Feldern beim Eisbahnareal für die Finalspiele eines wurde, packten sogar die Gäste des Sponsorenabends eine Schaufel und halfen mit, den Sand umzuverteilen.
«Es heisst, dass ein Anlass nach sieben Jahren etabliert ist, insofern haben wir das längst geschafft», sagt Kunz. «Aber es ist nach wie vor ein grosser Fight, damit man ein solches Turnier hinbringt.» Ein Grund für den Erfolg sei die Mischung im Team, sagt der gebürtige Seeländer. Sieben Mitglieder sind seit Anfang dabei, hinzu kommen laufend junge Leute, die ihre Ideen einbringen. Mittlerweile packen während des Turniers zudem jeweils 500 Helfer mit an, 90 Prozent von ihnen kommen jedes Jahr wieder.
Seit 2015 zählt Gstaad zur Major-Series – der mit fünf Sternen höchsten Kategorie. Entsprechend professionell ist das Turnier. Das war nicht immer so. Als Paul Laciga noch spielte, gab es mit dem Center-Court-Manager eine stille Vereinbarung. Weil Laciga im Vergleich mit der Konkurrenz eher klein war, wurde jeweils diskret Sand weggeschoben, bevor der Schiedsrichter die Netzhöhe mass.
Anschliessend wurde der Sand wieder zurückgerecht und sogar noch etwas erhöht, um Laciga einen Vorteil zu verschaffen. Beim Center-Court-Manager handelt es sich übrigens seit den Anfängen um die Bieler Eishockeylegende Köbi Kölliker.
Gstaad will wieder eine WM
Wie das Turnier im Saanenland hat sich auch die Sportart entwickelt. Party gehörte damals mindestens so sehr dazu wie das Beachvolleyball an sich. «Früher waren die Spieler am Samstagabend immer unterwegs. Heute triffst du im Dorf keinen mehr an», sagt Kunz. Beachvolleyballer sind längst Profisportler, und vielleicht ist Kerri Walsh der Inbegriff davon.
Mit drei Olympiasiegen und drei Weltmeistertiteln ist die Amerikanerin die erfolgreichste und mit Abstand bekannteste Beachvolleyballerin. In Gstaad hat sie bereits sechsmal reüssiert, doch nicht nur deshalb verbindet sie mit diesem Ort eine ganz spezielle Geschichte: Irgendwann lüftete sie das Geheimnis, dass hier ihre Tochter gezeugt wurde. Walsh und ihr Mann überlegten gar, das Kind deshalb Gstaad zu nennen, kamen aber von der Idee ab.
2007 übrigens wurde Walsh in Gstaad Weltmeisterin. Kunz hätte die Titelkämpfe 2021 gerne wieder organisiert, doch die Oberländer Kandidatur unterlag Rom. Die FIVB wollte 500'000 Dollar für die WM-Vergabe, Kunz und Co. wehrten sich dagegen. Weil andere Veranstalter wie zuletzt Hamburg diese Summe auch nicht bezahlten.
«Hätten wir gezahlt, hätten wir die WM wohl bekommen, aber wären uns nicht treu geblieben», sagt Kunz. In Absprache mit Swiss Volley entschied er sich deshalb gegen das Projekt. Was nicht heisst, dass der Traum von einer zweiten Beachvolleyball-WM in den Bergen damit geplatzt ist. Hinsichtlich der WM 2023 werden die Gstaader einen neuen Anlauf nehmen.
Info: Unter ch.beachmajorseries.com kann die limitierte Auflage des Buchs «20 Jahre Gstaader Beachgeschichten» bestellt werden.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch