Geschlechterfrage beim GrillierenFrauen (bitte nicht) an den Grill
Ran an den Speck! Klingt gut. Aber warum zieht das Fleisch- und Gemüsebrutzeln im Freien bis heute fast nur Männer an?

Am einfachsten entfacht man Holzkohle mit einem Anzündkamin. Ist sie heiss genug, ordnet man sie auf einer Seite des Rosts an, damit man mit direkter und indirekter Hitze arbeiten kann. Zwei-Zonen-Taktik wird das genannt – falls ein Würstchen mal in einen weniger heissen Bereich wechseln muss.
Der Rost sollte hingegen richtig heiss sein (also von Anfang an mitanheizen!), damit Fleisch oder Gemüse nicht daran haften bleiben. Zu viel darf aber auch nicht drauf, mindestens ein Viertel des Rosts ist freizuhalten, damit man mühelos wenden und neu platzieren kann. Weiss doch jeder. Nur ich habe es mir gerade eben erst anlesen müssen. Denn ich habe noch nie selbst grilliert.
Wann immer ich mich einem glimmenden Haufen Kohle nähere, werde ich von einem Mann überholt.
Gewollt hätte ich schon, doch keine Chance. Wann immer ich mich einem glimmenden Haufen Kohle nähere, werde ich von einem Mann überholt. «Du, lass nur, mach ich schon.» Ein Anzündkamin entgleitet mir so schnell wie ein Fisch, den ich im Wasser fassen will, eine Grillzange wird mir aus der Hand genommen wie einem Kleinkind die Porzellantasse.
Beim Grillkaufen werden Frauen unsichtbar
Auf meine Frage Richtung Grill («Soll ich dich mal ablösen?») bekomme ich die immer gleiche Antwort («Nein, lass nur, kein Problem.»). Nicht mal an meinem Geburtstag darf ich grillieren, weil: «Du hast doch Geburtstag!» Beim Geschirrspülen ist der Jubeltag dann schnell vergessen. Fühlen sich so Nichtschwimmerinnen, die den Schwimmern im tiefen Becken zusehen müssen?
Mein Passiv-Grillieren scheine ich auf geheimnisvolle Art auszustrahlen. Wenn es um die Anschaffung eines entsprechenden Gerätes geht, werde ich in der Fachabteilung plötzlich unsichtbar. Die Vor- und Nachteile eines Gasgrills für den Balkon bekommt lediglich der Mann neben mir erläutert. So, als könne ich die Sprache, die man dafür braucht, ohnehin nicht verstehen.
Flamme an, Hose auf – ist das die Erklärung?
Immerhin 35 Prozent der Teilnehmenden einer deutschen Umfrage fanden es richtig, dass Männer grillieren und Frauen ihnen dabei zusehen. Tatsächlich dürften es aber deutlich mehr sein: «Mann vor Feuer» ist nicht die Bildbeschreibung eines Alten Meisters in einem Museum, sondern Realität auf jeder Grillparty.
Selbst die Männer, die keine Zange in der Hand halten, postieren sich dann schön aufgereiht neben dem Grillmeister und starren auf heruntertropfendes Fett. «Frauen stehen auf Männer mit Kohle» – dieser Spruch steht nicht nur auf T-Shirts, sondern fällt schon mal in Familien, in denen die Frau mehr verdient als er. Zwar würden Frauen häufiger etwas vom heissen Rost essen als Männer, verkündete kürzlich die Schweizer Bell Food Group in einer Mitteilung. Allerdings stünden nach wie vor mehr Männer am Grill.
Zwanghafte Kontrolle über das Feuer
Erklärungsversuche gibt es viele, einen besonders originellen liefert Sigmund Freud. In seinem Werk «Das Unbehagen in der Kultur» führt er die zwanghafte Kontrolle über das Feuer auf den Moment zurück, als der Mann erstmals dem Drang widerstand, jede Flamme auspinkeln zu wollen. Die Urmenschen sollen «in der züngelnden, sich in die Höhe reckende Flamme» eine Art Phallus gesehen haben.
Konkurrenz! Gefahr! Die hier vorliegende Verknüpfung sähe dem Erfinder der Psychoanalyse zufolge also so aus: Flamme an = Hose auf. Auf diese dumme Idee kämen Frauen schon aus praktischen Gründen nicht. Zum Glück haben Männer dann doch irgendwann mal die Grillzange in die Hand genommen anstelle ihres Penis. Sonst würden wir noch heute rohes Fleisch essen.
Grillieren wird hauptsächlich von Männern praktiziert, die zur Selbstinszenierung neigen.
Der US-amerikanische Autor Michael Pollan ist bei dem Mann-Frau-Gefälle am Feuer selbstkritischer. In seinem Buch «Kochen. Eine Naturgeschichte der Transformation» befindet er, dass Grillieren hauptsächlich von Männern praktiziert wird, die zur Selbstinszenierung neigen.
«Ich für meinen Teil spiele mich gerne mit meinem besonderen Talent auf, genau feststellen zu können, wann ein Grillstück fertig ist. Dafür drücke ich einen Finger kurz in das Fleisch auf dem Grill und anschliessend in unterschiedliche Bereiche meines Gesichts. Fühlt sich das Steak an wie meine Wange, ist es blutig, entspricht der Druck meinem Kinn, ist es medium, und fühlt es sich an wie meine Stirn, ist es durch.»
Das sei eine richtig gute Masche, findet er. (Mag sein, lieber Michael Pollan, doch angenehmer wäre uns eigentlich, wenn Sie mit Ihren Pfoten nicht ständig abwechselnd über Gesicht und Abendessen tappen.)
Warum sie grilliert? «Weil sie es besser kann.»
Viel interessanter ist aber die Frage, warum sich Frauen am Grill so häufig abwimmeln lassen. Ist es ihnen a) am Ende nicht so wichtig, sind sie b) vielleicht einfach zu faul oder c) zu sehr damit beschäftigt, den Weisswein wegzusüffeln, solange er noch kalt ist? Das sind immerhin drei sehr gute Gründe, sich um die Arbeit am heissen Grill zu drücken.
Neulich war ich wieder zum Grillieren eingeladen, vor dem gasbetriebenen Riesenteil stand eine Frau. Ihre Wangen glühten wie eine Herdplatte, der Schweiss lief ihr die Schläfen hinunter, mit der Zange schnappte sie sich Pilze, Würstchen, Hühnerbrüste so schnell wie die Selenopidae-Spinne ihre Beute. In sicherem Abstand zu diesem Spektakel sass ihr Mann. Warum er nicht grilliere, wollte ich wissen. «Ganz einfach», sagte er, «weil sie es besser kann.»
Kommenden Freitag hat mein rostfreies Dasein endlich ein Ende. Denn: «Diesmal bist du dran», sagte die Freundin. Und fügte zur Beruhigung hinzu: «Das klappt auf jeden Fall. Ich habe eine schriftliche Zehn-Punkte-Anleitung bekommen, wie man es am besten macht. Von meinem Mann.»
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