
Wer das Wort Doping hört, denkt an Steroide, Testosteron, EPO, Eigenblut. Viel weniger bekannt ist ein nicht-medizinisches Dopingmittel: Geld.
Mit dem sogenannten Finanzdoping wird nicht ein einzelner Sportler zu einer besseren Leistung gespritzt, sondern ein ganzer Fussballclub. Ein Besitzer, oft ein Oligarch oder Ölstaat, injiziert à fonds perdu so viele Millionen in einen Verein, dass dieser sich ein Superstar-Team leisten kann, um damit die Konkurrenz zu pulverisieren. Die Uefa hat Regeln aufgestellt, um das Finanzdoping zu stoppen. Nur funktionieren die nicht richtig.
Hier setzt Football-Leaks an. Die Recherche, für die sich fast 80 Journalisten in 15 Medienhäusern zusammengetan haben, dreht sich um Sport – aber sie führt weg von den Spielfeldern, hinein in die Katakomben der Stadien, in die Kellergeschosse des Fussballgeschäfts. Dort unten trifft man auf Spieleragenten, die mit Offshoretricks die Löhne ihrer Kunden von den Steuerbehörden wegzaubern. Dort trifft man auf die Bosse der sieben erfolgreichsten europäischen Fussballclubs, die sich heimlich in einer Art Kartell zusammengeschlossen haben, um bei der Uefa höhere Anteile an TV-Geldern zu erzwingen – auf Kosten der kleineren Vereine. Und man trifft auf Fifa-Präsident Gianni Infantino, der im kleinen Kreis plötzlich ganz andere Dinge tut, als er in der Öffentlichkeit sagt.
Vor allem aber trifft man dort unten auf Handlanger der Autokraten. Auf die Finanzdoper.

Das beste Beispiel ist Paris Saint-Germain. Das Emirat Katar hat seit der Übernahme des Vereins Hunderte Millionen Euro in den Club gesteckt. Das Management kaufte mit dem Geld Spieler wie Neymar (222 Millionen Euro), Kylian Mbappé (180 Millionen) und Edinson Cavani (64 Millionen). Das Trio schoss in der Saison 2017/18 87 Tore, PSG gewann die Meisterschaft mit 13 Punkten Vorsprung und zwei Cups dazu. Katar spekuliert darauf, dass sich ein Teil des PSG-Glanzes auf das Emirat überträgt. «Nation Branding» nennt der Wüstenstaat die Strategie. In Wahrheit ist es Machtpolitik: Katar, durch aggressive Nachbarn wie Saudiarabien in seiner Existenz bedroht, versucht, sich im Sport unverzichtbar zu machen. Mit unbegrenzten Ressourcen.
Ermittler der Uefa befassen sich seit Jahren mit PSG, sie vermuten einen Bruch der Financial-Fairplay-Regeln. Aber die scheinen nicht für alle gleich zu gelten. Ausgerechnet Gianni Infantino – noch als Uefa-Generalsekretär – spielt die Hauptrolle, als PSG einen fragwürdigen Deal aushandelt, um die Finanzermittler loszuwerden.
Nicht nur Katar benutzt den Sport, um die eigene Bedeutung aufzupumpen; Erzfeind Saudiarabien tut dasselbe. Das Königreich, nach der Exekution des Journalisten Jamal Khashoggi international am Pranger, pflegte beste Kontakte zu Infantino. Einiges deutet darauf hin, dass die Saudis an einem 25-Milliarden-Projekt der Fifa rund um zwei neue weltweite Fussballturniere beteiligt sind. Football-Leaks fördert neue Indizien einer Fifa-Saudi-Connection zutage und zeigt, dass auch innerhalb der Fussballgemeinde viele einen «Ausverkauf» fürchten.
Ist ja nur Sport, könnte man entgegnen – bis man sich im Pendlerverkehr durch eine S-Bahn zwängt und einige Blicke auf die Telefone junger Männer wirft. Einer scrollt sich durch Ronaldos Instagram-Account, ein anderer schaut ein Messi-Best-of-Video, ein Dritter wischt im Fifa-Spiel Ball um Ball ins Tor. Mit etwas Geduld liesse sich exakt derselbe Content auch in den Strassen von Tokio oder Dar es Salaam finden. Fussball hat sich in Millionen Köpfen eingenistet, ist zu einem globalen Kulturgut geworden.
Wie viel Einfluss soll man Investoren zugestehen, die in ein beliebtes Kulturgut einsteigen wollen, deren Werte man aber geradeheraus ablehnt?
Aber während die grossen Ligen und Clubs in westlichen Demokratien verankert sind, kommen viele der neuen Financiers aus Autokratien. Meinungsfreiheit? Wirtschaftsfreiheit? Gleiche Rechte für Mann und Frau? Nun ja.
Die eigentliche Frage lautet also: Wie viel Einfluss soll man Investoren zugestehen, die in ein extrem beliebtes Kulturgut einsteigen wollen, deren Werte man aber zum Teil geradeheraus ablehnt – und deren Motiv oft Machtpolitik ist?
Um über diese grosse Frage debattieren zu können, braucht es ein Minimum an Transparenz. Man muss die Akteure und ihre Methoden kennen. Man muss Bescheid wissen über Machtverhältnisse und Allianzen und Feindschaften. Und man muss wissen, welche Rolle jener Mann in der Zürcher Fifa-Zentrale spielt, der von sich sagt, er wolle im Fussball aufräumen.
Football-Leaks ermöglicht es, das Flutlicht einzuschalten. Nur wenn das Feld erleuchtet ist, sieht man das Spiel.
Video – Europäische Topklubs wollen eigene Liga
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Flutlicht auf die Spiele der Autokraten
Undemokratische Regimes investieren immer stärker in den Fussball, um ihn für Machtpolitik zu missbrauchen. Was tun? Transparenz schaffen.