Fliegerbombe aus dem Bodensee gefischt
Die Schweizer Armee hat eine Fliegerbombe aus dem Bodensee geborgen, welche ende August entdeckt worden war. Am Nachmittag soll sie gesprengt werden. Noch ist unklar, ob sie überhaupt Sprengstoff enthält.
Spiegelglatter See, Berufsfischer bringen ihre Fänge an Land, dünner Nebel hängt an den Hängen des Appenzeller Vorderlands. Das Idyll wird gestört durch ein stählernes 42- Zentimeter-Kaliber, das seit 60 Jahren auf dem Seegrund liegt und in diesen Moment rauf muss.
Einige hundert Meter vor Staad markiert eine Boje die Fliegerbombe. Mit vier weiteren Bojen ist eine 50-Meter-Sperrzone eingerichtet. Es ist ruhig. Von einem Schiff steigen zwei Taucher der Schweizer Armee ins noch rund 18 Grad warme Wasser. Die Männer gehören zum Kompetenzzentrum Kamir (Kampfmittelbeseitigung und Minenräumung).
Mit einem Luftkissen heben sie das Ungetüm an, von dem noch niemand exakt weiss, wie gefährlich es ursprünglich einmal war. Langsam wird die Bombe unter der Wasseroberfläche an Land gezogen. Ein Kran hievt die grüne Stahlbombe auf einen Armee-Lastwagen. Dieser ist ausgerichtet für den Transport von rund 200 Kilogramm Sprengstoff.
Kontrolliert in die Luft jagen
Auf einem Schiessplatz der Armee wird die Bombe am Nachmittag kontrolliert in die Luft gejagt. «Erst danach können wir sagen, ob die Bombe mit Sprengstoff gefüllt war oder nicht», hatte zuvor Urs Müller gesagt. Er ist bei der Schweizer Armee im Führungsstab für Kommunikation zuständig – auch bei Fliegerbomben.
Dass solche in einem Schweizer Grenzgewässer entdeckt werden, sei selten. Taucher hatten die Bombe vor Staad Ende August gefunden, in einer Tiefe von gerade einmal vier Metern und nahe am bewohnten Ufer.
Bei Polizei und Armee läuteten die Alarmglocken: Ob die Bombe scharf ist oder nicht, war unklar. «Wir mussten vom Schlimmsten ausgehen», sagte Andreas Brunner, Einsatzleiter der St. Galler Polizei. Es wurde eine Sperrzone von drei Kilometern eingerichtet.
Evakuation geplant
In diesem Umkreis leben rund 15'000 Menschen. Hier wird Trinkwasser gefasst, hier fischen Berufsfischer, führen die Eisenbahnlinie Zürich-München und die Autobahn A1 durch - und zwischen der Bombe und dem Ufer liegt eine Gasleitung. Andreas Brunner ist seit 32 Jahren bei der Polizei. «Ich habe schlecht geschlafen», sagt er. Die Fischer auch.
Lange war unklar, ob die Bombe unter Wasser gesprengt werden musste oder geborgen werden konnte. Taucher gingen in die Tiefe. Sie machten Bilder. Auch mit Hilfe dieser Aufnahmen konnte nicht eruiert werden, woher die Bombe stammte und ob sie scharf ist. Zuhinterst hatte sie einen Sprengzünder angebracht. Dieser Zünder brachte die Experten weiter.
Inerter Zünder
Er war in Grossbritannien produziert worden. In der Schweiz wurde er ab 1949 nachgebaut, wie Müller sagte. Am Donnerstag dieser Woche gingen erneut Taucher zur Bombe hinab. Sie entfernten den Sprengzünder. «Ich war enorm erleichtert», sagt Andreas Brunner.
Der Zünder war funktionstüchtig, aber inert. Das heisst, er war nicht mit Sprengstoff versehen, der die Bombe hätte zum Explodieren bringen können. Urs Müller: «Die Herkunft der Bombe ist unklar.»
Vermutlich Versuchsmunition
Der Fundort der Bombe befindet sich unweit des Flugplatzes Altenrhein SG, wo vor dem Zweiten Weltkrieg Dornier und danach die Flug- und Fahrzeugwerke Altenrhein (FFA) Flugzeuge bauten. «Bei der Bombe handelt es sich möglicherweise um Versuchsmunition», sagt Müller.
Vielleicht wollte man die Flugbahn der Bombe testen, oder die Aufhängung bei einem Flugzeug. Und warum dann der echte Zünder? Müller und Brunner haben keine Antwort. Sie sind einfach froh, liegt das stählerne Ungeheuer nicht mehr auf dem Seegrund. Brunner mag nicht daran denken, was eine Unterwassersprengung der Bombe bedeutet hätte.
Trinkwasser wäre gefährdet gewesen, womöglich hätten die Siedlungen am See evakuiert und der Verkehr auf der Schiene und der Autobahn sowie auf dem Flugplatz vorübergehend eingestellt werden müssen.
Dann hätte sich der Berufsfischer, der am Freitagmorgen seine Fänge in Staad an Land brachte, nicht nur Sorge darüber machen müssen, ob ihm die Militärpolizei seinen Parkplatz direkt am Quai wohl freihält.
SDA/kpn
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