Flicken mit H&M
Der Kleiderkonzern, bekannt für schnelle Billigmode, will Kunden beim Flicken von kaputten Kleidern helfen – ist die Aktion glaubwürdig?

H&M gilt als Erfinder der Fast Fashion – schnell wechselnde Kollektionen zu Billigstpreisen sollen Konsumenten zu immer neuen Käufen animieren. Nun überrascht der schwedische Modekonzern mit einem Pilotprojekt, das so gar nicht zu seinem Massenwaren-Konzept passt: In seinem Flagshipstore in Hamburg bietet er Kunden einen Flickservice für kaputte Kleidung an. Im deutschen Onlineshop sind zudem neuerdings Waschmittel, Fleckentferner und Aufnäher zu haben. Geplant ist auch eine Website mit Nähanleitungen und Pflegetipps.
Langlebige Produkte hätten weniger schlechte Auswirkungen auf die Umwelt, heisst es im gestern veröffentlichten Nachhaltigkeitsbericht des Konzerns. Deswegen müsse H&M solche Produkte herstellen und Konsumenten ermöglichen, den Lebenszyklus der Kleider zu verlängern. Eine Einführung des Projekts in der Schweiz ist momentan nicht geplant, wie es bei H&M Schweiz auf Nachfrage heisst. Bei Erfolg dürfte es jedoch auch in weiteren Ländern kommen. Schon seit einigen Jahren nimmt H&M getragene Kleidung fürs Recycling zurück. Die Aktion wurde einst in der Schweiz lanciert und später auf andere Länder ausgeweitet.
«Die Aktion von H&M ist nicht glaubwürdig.»
Der Nichtregierungsorganisation Public Eye stösst das Pilotprojekt bitter auf. «Die Aktion von H&M ist nicht glaubwürdig. H&M hat den Trend zur Wegwerfmode massgeblich selbst angeheizt», ärgert sich David Hachfeld, verantwortlich für die Clean Clothes Campaign. Das Geschäftsmodell von H&M setze weiterhin darauf, dass Menschen in immer kürzeren Zyklen mehr Kleidung kaufen, die überwiegend unter ausbeuterischen Verhältnissen hergestellt werde. Genau von diesem Geschäftsmodell müsse H&M aber Abstand nehmen. Hachfeld hält das Pilotprojekt vor allem für einen Marketing-Gag.
Neben den immer wieder angeprangerten Arbeitsbedingungen in der Branche, die vorwiegend in billigen Schwellenländern produziert, wird die Textilherstellung zunehmend zum Umweltproblem. So hat sich die weltweite Textilproduktion zwischen 2000 und 2014 verdoppelt, die Tragedauer der Kleider jedoch halbiert.
Dennoch zahlt sich die schnelllebige Mode selbst für H&M nicht mehr richtig aus. Längst hat der Konzern das Primat auf Fast Fashion verloren, Konkurrenten wie Zara und Primark haben das Konzept kopiert. Hinzu kommt der wachsende Onlinehandel. Die Preise für Kleider befinden sich im freien Fall und den Konsumenten geht zunehmend das Gefühl für den Wert von Textilien verloren. Von September bis Ende November 2017 ging der Umsatz der gesamten H&M-Gruppe im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um vier Prozent auf gut fünf Milliarden Euro zurück. In der Schweiz sanken die Verkaufszahlen im gesamten vergangenen Jahr gar um 7 Prozent. Der Konzern hat Filialschliessungen in Europa angekündigt.
Nachhaltigkeit soll Kundennähe schaffen
Nach einer missglückten Werbekampagne, im Zuge derer Rassismusvorwürfe laut wurden, monierten Branchenkenner jüngst, H&M habe den Bezug zu seinen Kunden verloren. Der vermehrte Fokus auf Nachhaltigkeit wird daher auch als ein Versuch der Annäherung gewertet. Denn mittlerweile macht sich ein Gegentrend zur schnellen Mode bemerkbar. Insbesondere die Generation der Millennials geht auch in Secondhandläden shoppen oder legt Wert auf Produkte aus recyceltem Material.
Der Vorstoss, Konsumenten zu Reparaturen von Kleidung zu animieren, ist denn auch nicht gerade neu: So bietet der Outdoorhersteller Patagonia schon seit längerem einen Reparaturservice an und lässt zwei Vans durch Europa fahren, um Konsumenten an diversen Stationen kostenlos die Kleidung zu flicken. Auch Konkurrent Vaude gibt Reparaturanleitungen. Das britische Label Tom Cridland wirbt gar damit, Kleidung herzustellen, die 30 Jahre hält und bietet bei etwaigen Problemen kostenlose Reparaturen oder Ersatz an.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch