Feuern und heuern
Martin Schmidt ist neuer Trainer beim VfL Wolfsburg. Der Walliser folgte am Montag überraschend plötzlich auf den Holländer Andries Jonker. Das wirft Fragen auf.

In England ist eine Diskussion über Klubs und ihre Trainerwahl entstanden. Der Grund dafür war die Entlassung Frank de Boers bei Crystal Palace. Der Holländer hatte die Londoner erst im Sommer übernommen, nach vier Partien mit null Toren und null Punkten wurde er gefeuert. Zu Recht, meinten einige Experten und verwiesen darauf, dass der 47-Jährige letzte Saison bei Inter Mailand auch nach nur drei Monaten die Kündigung bekommen hatte.
Er tauge womöglich halt nicht so viel, hiess es. Die grosse Mehrheit aber kritisierte den Premier-League-Klub. De Boer, der bei Ajax Spieler und Trainer gewesen war, lässt einen von der holländischen Fussballschule geprägten Stil spielen. Dieser ist so ziemlich das Gegenteil von dem, was De Boers Vorgänger bei Palace, Sam Allardyce, vorgeschwebt hatte.
Die berechtigte Kritik am Tabellenletzten: Warum stellen die Verantwortlichen a) einen Coach mit einer grundverschiedenen Philosophie ein und b) gestehen ihm dann aber fast keine Zeit für Veränderungen zu? Zumal die Entlassung De Boers samt Trainerstab den Klub etliche Millionen kostet. In der Privatwirtschaft wird in solchen Fällen von Missmanagement gesprochen.
Keine Zeit zum Eingewöhnen
Werden Spieler mittlerweile oftmals vor einer Verpflichtung bis ins letzte Detail gescoutet, muten Engagements von Trainer bei manchen Klubs immer noch kaum durchdacht an. Ein weiteres Beispiel: Andries Jonker und der VfL Wolfsburg. Der Bundesligist hatte De Boers Landsmann Ende Februar geholt.
Er trainierte fortan eine Equipe, die zwar Prominenz umfasste, aber nicht ausgewogen war. Im Sommer nahm der Klub zwar Korrekturen vor, nach nur vier Spieltagen mit vier Punkten stellten die Wölfe am Montag ihren Trainer frei. Es ist die erste Entlassung der Bundesligasaison, weitere dürften in den nächsten Monaten folgen.
Zurück im Geschäft ist dafür Martin Schmidt: Am Mittag sickerte durch, dass der Walliser Jonkers Nachfolger werde, am Abend leitete der frühere Thuner U-21-Coach das Abschlusstraining. Heute wird er beim Heimspiel gegen Bremen an der Seitenlinie stehen. «Ich musste und konnte nicht lange überlegen», sagt Schmidt. «Von der ersten Kontaktaufnahme bis zur Unterschrift sind nur wenige Stunden vergangen.» Die Frage, wie durchdacht Schmidts Wahl ist, ist auch hier berechtigt. Immerhin: Der Klub hatte sich schon im Winter um den Schweizer bemüht.
Für den 50-Jährigen ist es nach sieben Jahren in Mainz (zwei davon als Bundesligatrainer) der nächste Schritt. Er erhält einen Vertrag bis 2019. «Ich freue mich sehr auf diese Aufgabe, auch wenn jetzt nicht viel Zeit bleibt, sich einzugewöhnen», sagt Schmidt. Er ist im intensiven Tagesgeschäft sofort gefordert.
Ehrliches Eingeständnis
Noch Anfang Jahr hatte Martin Schmidt zuweilen den Eindruck erweckt, müde und abgekämpft zu sein. In einem Interview mit dieser Zeitung sagte er, der Job brauche enorm viel mentale Kraft.
«Während des Tages merke ich das gar nicht so sehr, weil ich immer gefordert bin. Doch wenn ich dann am Abend nach Hause gehe, aufs Sofa liege, bin ich hundemüde. Der Kopf ist leer», sagte er. Im August meinte er gegenüber dem «Walliser Boten»: «Ich las Interviews von mir, die ich im Verlaufe der letzten Saison gegeben habe. In diesen sprach ich unterbewusst von Pausen, von Gedanken über mich selber, als würde ich mich auffordern, einmal auf die Bremse zu stehen.»
Das tat er seit seiner Entlassung Ende Mai. Jetzt fühlt er sich offenbar bereit für den Schritt zurück ins Scheinwerferlicht.
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