«Feministin ist mein Beruf»
Anne-Sophie Keller ist 27, schreibt zwei Blogs, engagiert sich als Aktivistin für den Feminismus und hat eben ein Buch über Iris von Roten mitveröffentlicht. Sie findet, dass der Feminismus gerade ein Revival erlebt.

Falsche Frage. Anne-Sophie Keller verdreht die Augen. Dann antwortet sie doch. Prangert die Untervertretung der Frauen in der Teppichetage an, auf Festivalbühnen, in der Politik. Kommt auf die sexuelle Doppelmoral zu sprechen. Aufs Schminken. «Man kann es ja gar nie richtig machen. Schminke ich mich nicht, bin ich eine Emanze. Schminke ich mich, verrate ich die Bewegung.»
Anne-Sophie Keller schminkt sich, sie trägt auch gern Rosarot. Und die Frage an sie lautete: Was wollen Feministinnen heute noch erreichen?
Rot gefärbte Brunnen
Anne-Sophie Keller bezeichnet sich dezidiert als Feministin. «Im Moment ist Feministin mein Beruf. Das ist verrückt. Aber auch schön.» Die 27-jährige Thunerin startet in Zürich gerade so richtig durch: Sie ist Teil des Kollektivs Aktivistin.ch, das öffentlichkeitswirksame Aktionen veranstaltet.
«Im Moment ist Feministin mein Beruf. Das ist verrückt. Aber auch schön.»
Zum Beispiel das Rotfärben von öffentlichen Brunnen in Zürich, um auf die Tabuisierung der Menstruation hinzuweisen. Sie wird an Podien und Vorträge eingeladen, schreibt Kolumnen und Blogs – und hat soeben das Buch «Iris von Roten. Eine Frau kommt zu früh – noch immer?» veröffentlicht. Mitautorin ist Yvonne-Denise Köchli, die die Biografie der Feministin neu überarbeitet hat. Anne-Sophie Keller setzt sich mit Iris von Rotens Befunden in ihrem Werk «Frauen im Laufgitter» (1958) auseinander und arbeitet sie aus heutiger Sicht auf.
Wut, Ohnmacht, Intimität
Wie damals von Roten schreibt Keller über fünf verschiedene Lebensbereiche: die Berufstätigkeit, die Liebe, die Mutterschaft, die Haushaltsarbeit und die Politik. Wo sie nicht selbst Erfahrungen gemacht hat, lässt sie andere Frauen in langen Interviews zu Wort kommen, zur Mutterschaft etwa die Berner Bloggerin und Moderatorin Andrea Jansen.
Da kommt viel zusammen, Wut, Ohnmacht, Intimität. Anne-Sophie Keller muss sich manchmal die Finger wund geschrieben haben. Acht Wochen hat sie für das Buch gebraucht. «Ich bin ein Streber», sagt sie, «ich mache Pläne, dann arbeite ich sie ab.»
Drei Kapitel knallte sie pro Woche raus. Sie nahm nicht einen intellektuellen Blickwinkel ein, lehnt den sogar ab. «Sie machen mich manchmal hässig, die elitären Feministinnen mit ihren abstrakten Begriffen. Ich will ein Buch schreiben, das alle verstehen.»
«Ich will ein Buch schreiben, das alle verstehen.»
So funktioniert Anne-Sophie Keller. Selbstbewusst, direkt, ohne Angst vor Verlusten. «Iris von Roten sass zehn Jahre an diesem Buch, entsprechend hart traf sie die Kritik. Ich bin jung, arbeitete acht Wochen am Text. Natürlich kann es sein, dass ich schlechtgeschrieben werde, aber hey, dann kommt das Nächste», sagt sie.
Es ist eine jugendliche Leichtigkeit zu spüren, aber auch eine grosse Begeisterung für die Sache, für den Feminismus, den sie im Moment mit den Frauenmärschen und «Pussy-Hat»-Strickaktionen im Aufwind sieht. Es mag die Zürcher Blase sein, in der sie steckt, die «Bubble», von der sie ständig spricht. Doch zweifellos täten ein paar Anne-Sophie Kellers mehr dieser Welt recht gut.
Von behütet zu bewegt
Dabei sah zunächst nicht viel danach aus, dass Keller Feministin in Zürich werden würde. Aufgewachsen ist sie behütet in Thun. Sie ist Leutnant bei den Thuner Kadetten, verknallt sich in «langhaarige Skaterbuben». Eine kaufmännische Matur, 20-jährig geht sie nach Zürich, schreibt für den 20-Minuten-Medienverbund über Pop- und Jugendkultur. «Ich war damals völlig unpolitisch», sagt sie heute.
2014 nimmt sie eine Auszeit in Frankreich, merkt, wie oberflächlich dieses Zürcher Leben ist. «Ich war jung, blond, trug Röckli und hatte diesen süssen Berner Dialekt. Ich dachte lange, es sei halt normal, dass ich im Ausgang fast jedes Mal begrabscht und im Büro Schätzeli genannt wurde.» Sagt sie, um gleich anzufügen: «Alle meinen immer, mir sei etwas Dramatisches passiert, dass ich zur Feministin wurde: aber nein. Ich habe einfach begriffen, dass die täglichen Diskriminierungen nicht normal sind.»
«Ich habe einfach begriffen, dass die täglichen Diskriminierungen nicht normal sind.»
Beim Treffen am Zürcher Central spaziert zufällig Co-Autorin Köchli vorbei, die beiden umarmen sich kurz. «Zürich ist ein Dorf», sagt Keller lachend. Auch wenn sie manchmal Mühe mit der Stadt hat. «Das, was ich an Zürich nicht mag, mag ich auch an mir nicht.» Die Stadt sei oft egozentrisch und wahnsinnig schnelllebig.
Kompliziert mit Männern
Und wie hält es die selbstbewusste Feministin eigentlich mit den Männern? «Es ist kompliziert», sagt sie, «ich gehöre zu diesen Mittzwanzigern, die zig Dates haben und immer unsicher sind, ob noch etwas Besseres kommt. Es ist die totale Verwirrung.» Aber eins ist klar: «Irgendwann will ich heiraten, in Weiss, und Mutter werden. Tief drin bin ich ein Bünzli.»
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