Farage weist «wilde Verschwörungstheorien» zurück
Der Brexit-Parteichef soll einen Pakt mit Premier Johnson oder gar US-Präsident Trump geschlossen haben.

Es kommt nicht oft vor, dass Nigel Farage sich verteidigen muss. Die meiste Zeit verbringt der Chef der Brexit-Partei schliesslich liebend gerne damit, andere vor sich herzutreiben. Doch am Tag nach seiner überraschenden Kehrtwende – er hatte angekündigt, dass seine Partei bei der Parlamentswahl am 12. Dezember nicht in den von den Torys gehaltenen Wahlkreisen antreten werde – stand er selbst unter Rechtfertigungsdruck.
In einem Interview mit der BBC sah Farage sich am Dienstag sogar genötigt, eines klarzustellen: «Ich bin nicht käuflich.» Weder Boris Johnson noch Donald Trump hätten ihm etwas für seinen Wahlpakt mit den Tories versprochen, erklärte er.
Das seien alles «wilde Verschwörungstheorien». Es sei allein seine Entscheidung gewesen, dass sich die Brexit-Partei nicht um die 317 Mandate bewerben werde, die zuletzt von der Konservativen Partei gewonnen wurden. Eine Gegenleistung der Tories habe es dafür nicht gegeben, erklärte Farage sichtlich aufgebracht.
In einem Gastbeitrag für den «Telegraph» begründete der Brexit-Partei-Chef seinen Sinneswandel damit, dass er am Sonntagabend ein Video von Johnson auf Twitter gesehen habe. Darin erklärte der Premierminister, dass er einen «Super Kanada Plus»-Freihandelsvertrag mit der EU wolle. Dies sei eine «grosse Veränderung» zur bisherigen Tory-Politik gewesen, schrieb Farage, schliesslich hätten die Konservativen vor allem unter Johnsons Vorgängerin Theresa May auf eine «enge und spezielle Partnerschaft» mit Brüssel hingearbeitet.
Er verfüge zwar über «keine grosse Liebe zu den Tories», erklärte der Brexit-Partei-Chef, aber in seiner Unterstützung für Johnson liege die Chance, ein zweites Referendum zu verhindern. Er wolle sich deshalb voll und ganz auf all jene Wahlkreise konzentrieren, die im Parlament bislang von Labour und proeuropäischen Parteien vertreten werden, schrieb Farage.
Farage-Plan ist für die Tories ein Problem
Doch genau das ist auch für die Tories ein Problem. Denn für die Konservativen reicht es nicht, nur ihre bei der letzten Wahl errungenen Wahlkreise zu verteidigen. Sie müssen vor allem dort gewinnen, wo Labour-Abgeordnete sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit ihren konservativen Herausforderern liefern. Vor allem im Nordosten Englands und den West Midlands um Birmingham hoffen die Tories darauf, neue Wahlkreise für sich zu erobern. Nur: Wenn dort auch Farages Partei antritt, dürften sich die Stimmen der brexitbegeisterten Wähler zwischen Tories und Brexit-Partei aufteilen.
Deshalb dringt Downing Street darauf, dass Farage auch in weiteren Wahlkreisen einen Rückzieher macht, um einen Sieg von Tory-Kandidaten nicht zu gefährden. Die Warnung aus dem Johnson-Lager war am Dienstag jedenfalls nicht zu überhören: Sollte es nach der Wahl keine Mehrheit für den Brexit-Vertrag des Premiers im Parlament geben, wäre Farage schuld daran.
«Trump hat seinen Wunsch erfüllt bekommen»
Labour-Chef Jeremy Corbyn sieht in der Zusammenarbeit zwischen Tories und der Brexit-Partei nichts weiter als die Umsetzung von Trumps Forderungen. «Vor einer Woche sagte Donald Trump zu Nigel Farage, er solle einen Pakt mit Boris Johnson schliessen», schrieb Corbyn auf Twitter. Und fügte hinzu: «Trump hat seinen Wunsch erfüllt bekommen.»
Der US-Präsident hatte sich Ende Oktober in einer Radiosendung von Farage interviewen lassen. Trump äusserte sich damals zwar kritisch zu Johnsons Brexit-Abkommen, riet Farage aber, mit dem Premierminister zusammenzuarbeiten. Gemeinsam seien die beiden eine «unaufhaltbare Kraft», erklärte Trump. Seitdem beteuert der Chef der Brexit-Partei, dass er nicht mehr mit dem US-Präsidenten gesprochen habe.
Ob es nach Farages Manöver nun zu einer Zusammenarbeit zwischen Labour und Liberaldemokraten kommt, blieb indes weiter offen. In London wurde darüber spekuliert, dass sich beide Parteien doch noch zu einem Pakt entschliessen könnten. So gibt es viele Wahlkreise, in denen ein Libdem-Kandidat zugunsten eines Labour-Bewerbers zurückstecken könnte – und umgekehrt.
Doch weil Labour in vielen Teilen des Landes mit dem klaren Anti-Brexit-Kurs der Libdems hadert, dürfte eine derartige Absprache nur schwer zu verwirklichen sein. Während die Liberaldemokraten weiter dafür kämpfen, dass Grossbritannien in der Europäischen Union bleibt, will Labour zuerst einen Vertrag mit Brüssel aushandeln. Die Bürger sollen dann erst darüber abstimmen, ob sie dieses Abkommen gutheissen oder lieber in der EU bleiben wollen.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch