Facebook weiss, wo Sie einkaufen
Verkäufer melden dem US-Giganten ihre Kunden. Auch Schweizer Firmen gehen so vor.

Ganz zuoberst auf der Liste stehen die Vorzeigefirmen der Sharing-Economy: Airbnb und Uber gleichen ihre Kundenkarteien offenbar häufig mit Facebook ab. Das wird bei einer Durchsicht von Facebook-Profildaten klar, die gut ein Dutzend Nutzerinnen und Nutzer exportiert und uns zur Verfügung gestellt haben. «Werbetreibende, die eine Kontaktliste mit Ihren Informationen hochgeladen haben» – so heisst das Dokument, das jedermann via Einstellungsmenü von Facebook exportieren kann.
In den vorliegenden Dokumenten sind zwischen 6 und 137 Einträge zu finden, im Durchschnitt 45. Enthalten sind diverse Versandhändler und Verkaufsplattformen, Technologieanbieter und Gerätehersteller, aber auch Bürgerbewegungen und Krankenkassen. Nebst Airbnb und Uber tauchen auch Dropbox, Spotify, Zalando und Netflix oft in den Daten auf. Und einige Schweizer Unternehmen und Plattformen: der Versandhändler Galaxus etwa, die beiden Verkaufsplattformen Dein-Deal und My-Store, der Crowdfunding-Dienst Wemakeit und mehrere Zeitungsverlage – darunter auch Tamedia, zu der auch Redaktion Tamedia gehört.
Verschlüsselte Daten
«Custom Audiences» heisst der betreffende Dienst des sozialen Netzwerks. Über die Facebook-Werbetools können etwa Geschäftsinhaber die E-Mail-Adressen oder Telefonnummern ihrer Kunden verschlüsselt auf die Plattform hochladen. Verfügt ein Kunde über ein Konto bei Facebook, kann er anschliessend direkt beworben werden. Oder aber: Werbung kann jenen Nutzerinnen und Nutzern angezeigt werden, deren Profile dem gefundenen ähneln. Facebook übernimmt dabei die Rolle der Vermittlerin: Die Werber sehen keine Namen und schon gar keine privaten Details, sondern lediglich allgemeine Statistiken zur Nutzung ihrer Anzeigen.
«Die Funktion ‹Custom Audiences› ist für Unternehmen sehr spannend», sagt Markus Maurer, der für die Kommunikationsagentur Farner Social-Media-Strategien erarbeitet. «Damit erreichen sie ihre Kunden auch auf Facebook – also dort, wo sie in ihrer Freizeit sind.» Auch aus Konsumentensicht sei gezielte, auf die individuellen Bedürfnisse zugeschnittene Werbung erwünscht. «Ein iPhone-Nutzer benötigt kein Zubehör von Samsung. Und umgekehrt auch nicht.» Ähnlich tönt es bei Thomas Hutter, der mit seiner Firma Kampagnen auf sozialen Netzwerken aufgleist: «Ich möchte keine Zeit mit Werbung vergeuden, die mich nicht interessiert.»
«Damit erreicht man die Kunden dort, wo sie in ihrer Freizeit sind.»
Laut Facebook werden bei «Custom Audiences» keine Adressen im Klartext übertragen. Eingesetzt wird lediglich der sogenannte Hash-Wert. Diese eindeutige Prüfziffer lässt sich nicht in den ursprünglichen Text zurückverwandeln. Es sei denn, man probiert mit viel Rechenpower die Hash-Werte ganzer Lexika oder Telefonbücher durch. Die pseudonymen Daten lassen sich aber mit Informationen aus anderen Quellen zusammenführen – und allenfalls so wieder einer Person zuweisen. Facebook verspricht Hash-Werte, die in der eigenen Datenbank nicht vorhanden sind, sofort wieder zu löschen. Sie würden nicht in «Schattenprofilen» verwendet.
Doch weshalb stecken Schweizer Unternehmen Facebook Kundendaten zu? Bei Digitec Galaxus – der Schweizer Firma, die in der Auszählung am meisten auftaucht – wird die Funktion «im digitalen Marketing gezielt eingesetzt», so Sprecher Tobias Billeter. Die Firma exportiert die Daten einzelner Kundensegmente und speist nicht die ganze Kundendatenbank ein. Diese Segmentierung rechne sich. «Werbung, die auf die Interessen der Leute zugeschnitten ist, funktioniert besonders gut», sagt Billeter. «Dass wir die Möglichkeiten der Personalisierung nutzen, macht aus Marketingsicht deshalb Sinn.» In der Datenschutzerklärung werde dies auch «entsprechend ausgewiesen».
Man nutze den Dienst für ausgewählte Kampagnen, «um bisherige Abonnentinnen und Abonnenten gezielt anzusprechen», so Tamedia-Sprecher Christoph Zimmer. «Dabei werden anonymisierte Daten für einen Abgleich mit Facebook verwendet. Unsere Datenschutzbestimmungen, denen die Kunden zugestimmt haben, decken einen Abgleich anonymisierter Daten ab.» Weitaus zurückhaltender gibt man sich bei der Crowdfunding-Plattform Wemakeit. Die Funktion sei «vor einem halben Jahr in einem Einzelfall eingesetzt worden», sagt Geschäftsführerin Céline Fallet. Wemakeit habe damals in einem Newsletter einen falschen Link publiziert.
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Mitten im grössten Datenschutzskandal der Firmengeschichte will Facebook eine eigene Online-Partnervermittlung einführen. Video: Reuters
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Daraufhin wurde auf Facebook an die Newsletter-Abonnenten eine Anzeige ausgespielt, die den korrekten Link enthielt. Dies sei «eleganter und für die Nutzer angenehmer» als der Versand eines Korrigendum-Newsletters. «Ansonsten geht Wemakeit mit den sensitiven Daten sehr zurückhaltend um und setzt auf Facebook keine ‹Custom Audiences› ein», verspricht Fallet. Unternehmen und Organisationen dürften ihre Kundendaten zu Facebook hochladen, «sofern eine explizite Einwilligung der Kunden vorliegt», sagt Markus Maurer von Farner.
Reicht da bereits die Floskel, wonach Daten zu «Marketingzwecken verwendet werden dürfen»? «In Zukunft sicher nicht mehr», warnt der Berater Thomas Hutter. «Die neuen Datenschutzverordnung der Europäischen Union verlangt eine explizite Einwilligung.» Er gehe indes nicht davon aus, dass sich in der Praxis viel ändern werde. «Denn wer liest schon die langen Datenschutzbedingungen?»
Hutter verteidigt Facebook. Die Firma habe klare Datenschutzregeln formuliert. Und diese würden auch eingehalten. «Ich habe oft erlebt, dass Facebook-Mitarbeiter zu Zurückhaltung mahnten.» Wenn etwas schieflaufe, liege das Problem in der Regel nicht beim sozialen Netzwerk, sagt er. «Die Werbetreibenden preschen zu weit vor und setzen sich dabei über die Regeln von Facebook hinweg.»
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